Auf Grund verschiedener Lebensformen und der jeweiligen kulturellen Entwicklung, kann man in Paraguay von fünf
verschiedenen mennonitischen Gruppierungen sprechen. Es geht in diesem Zusammenhang nur um eine bessere Erfassung der
einzelnen mennonitischen Gemeinschaften und um keinen Fall um eine qualitative Einschätzung der jeweiligen Gruppierungen.
In Paraguay zählt man rund 27.980 getaufte Mennoniten. Davon bilden ca. 9.160 getaufte Personen eine Gruppierung, die
auf ziviler Ebene in der Asociación de Colonias Mennonitas del Paraguay" (ACOMEPA) organisiert sind. In der ACOMEPA
sind die Kolonien Fernheim, Friesland, Menno, Neuland und Volendam zusammengeschlossen. Eine Anpassung an die Umwelt
im wirtschaftlichen, sozialen und auch kulturellen Bereich hat im gewissen Maß stattgefunden. Zu dieser Gruppe könnte man
auch die Mennoniten von Asunción und Tres Palmas zählen. Die Kolonien Fernheim, Menno und Neuland sind im zentralen
Chaco gelegen und die restlichen Siedlungen in Ostparaguay.
Die zweite Gruppierung stellen die sogenannten Altkolonier mit rund 4.150 getaufte Glieder dar. Die Kolonien sind
Sommerfeld, Bergthal, Reinfeld, Rio Verde, Santa Clara, Nueva Durango und Manitoba. Die Siedlungen liegen über ganz
Ostparaguay verstreut. Diese Gruppe von Mennoniten stechen wohl am meisten durch Form und Verhalten von der Umwelt ab.
Die konservativen amerikanischen Mennoniten bilden eine dritte Gruppe unter den Mennoniten in Paraguay und zählen
rund 500 getaufte Glieder. Sie sind in den relativ kleinen Siedlungen Luz y Esperanza, Florida, Agua Azul und La Montaña
wohnhaft. Unter ihnen befinden sich Elemente der amischen Kultur und in der zivilen Verwaltungsstruktur, im sprachlichen Bereich und
in der Missionspraxis, unterscheiden sie sich deutlich von den anderen mennonitischen Gruppierungen. Die konservativen
amerikanischen Mennoniten kamen von Süddeutschland und der Schweiz über die Vereinigten Staaten nach Paraguay.
In Paraguay zählt man 14.480 getaufte Mennoniten, die europäischen Ursprungs sind. Die gesamte Bevölkerung in den
mennonitischen Kolonien beläuft sich auf 28.500 Personen. Hierzu muss klärend gesagt werden, dass die große Mehrheit der
Mennoniten in Paraguay, die europäischen Ursprungs sind, die paraguayische Staatsangehörigkeit haben.
Die letzten beiden mennonitischen Gruppierungen setzen sich jeweils aus mennonitischen Paraguayer und Indianer
zusammen. Die Gemeinden die sich aus paraguayischen Mennoniten zusammensetzen, zählen rund 5.000 Mitglieder. Die
indianischen Gemeinschaften im Chaco haben rund 8.500 getaufte Mitglieder.
Im folgenden soll auf die sogenannten Altkolonier näher eingegangen werden. Neben einer geographischen
Standortbeschreibung der jeweiligen Kolonien wird auch das Wesen dieser Mennoniten etwas unter die Lupe genommen. Die wohl
größte Begrenzung für diese Arbeit ist die fehlende deutsche Literatur in diesem Bereich und die für in Paraguay schwer
zugängliche englische Literatur zur Thematik. Für die Erarbeitung der Wesensmerkmale dieser Gemeinschaft werden in Zukunft
weiterführende Untersuchungen in den jeweiligen Gemeinschaften unumgänglich sein.
Die sogenannten Altkolonier" stellen eine der mennonitischen Gruppierungen in Paraguay dar. Die Bezeichnung
Altkolonier" kann man aus der Tatsache ableiten, dass die große Mehrheit der Mitglieder dieser Gemeinschaften, bzw. Kolonien,
ursprünglich aus der ersten in Russland gegründeten Kolonie, d.h. "Altkolonie" stammen. Die erste in Russland von den
Mennoniten gegründete Kolonie war Chortitza im Jahre 1789. Die Altkolonier" werden auch als traditionelle Mennoniten"
bezeichnet. Diese Gruppe charakterisiert sich durch das Festhalten an überlieferte Lebensweisen und alten Ordnungen, mit dem
festen Bestreben, keine Erneuerungen in der Gemeinde und Gemeinschaft einzuführen. Die ganze Struktur wird ständig und
konstant von den Ältesten und Predigern der Gemeinde überwacht und geführt.
Da auf dem bäuerlichen Hof alle Arbeiten im Rahmen der Familie verrichtet wurden, hatte man auch seit der Ansiedlung
keine paraguayischen Arbeiter angestellt. Für die heranwachsende Generation wurde der zunehmende Landmangel ein
Problem. Daraufhin gründete 1995 die Kolonie Bergthal etwa 30 km südlich von Sommerfeld die Tochterkolonie Neu-Bergthal.
Heute wohnen in der Kolonie Bergthal 460 Familien, d.h. 2.098 Personen. 867 Personen sind getaufte Gemeindeglieder.
Heute wohnen in der Kolonie Reinfeld 28 Familien, d.h. 146 Personen. 65 Personen sind getaufte Gemeindeglieder.
Rio Verde
Im Departament San Pedro an der Ruta III General Aquino", etwa 350 km von der Landeshauptstadt Asunción
entfernt, gründeten mexikanische Siedler die Kolonie Rio Verde. Für die Siedlung Rio Verde wurden ursprünglich etwa 20.526 ha
Land erworben, und Privatpersonen kauften zusätzlich an der anderen Seite der Ruta 6.000 ha. Land, das sich Nueva Mexico"
nannte. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde der Name Rio Verde auf beide Siedlungen angewandt. Die ersten Ansiedler, etwa
106 Personen, kamen 1969 in Paraguay an. Im Laufe der darauffolgenden Jahre kamen immer mehr Familien aus Mexiko,
einige Familien auch aus Britisch Honduras (Belize) und Kanada hinzu. Es wurden 18 Dörfer gegründet, aber nicht alle besiedelt.
Viele Hofstellen wurden von besorgten Eltern für ihre Kinder von Mexiko her gekauft. Die Dörfer konnten gleich zu Beginn
der Ansiedlung in gleichmäßiger Form angelegt werden.
Die Ansiedlung war im Vergleich zu den anderen Gründungen relativ leicht. Nur das Wetter machte den Ansiedlern viel
zu schaffen. Hunderte wanderten wieder entmutigt zurück nach Mexiko. Durch die quantitative Erweiterung der
Landwirtschaft verbesserte sich auch später die wirtschaftliche Lage. Der Gebrauch von Autos und Motorrädern war verboten, aber das
Land wurde in mechanisierter Form bearbeitet. Später wurde auf Grund von Privatinitiative eine Kooperative gegründet, die aber
nicht mehr existiert. Auch mehrere kleine Milchfabriken wurden eingerichtet. In mehreren Schmieden, Sägereien, Tischlereien
und Läden ist fast alles für den alltäglichen Gebrauch
erhältlich.
(13)
Heute wohnen in der Kolonie Rio Verde rund 500 Familien, d.h. 3.045 Personen. 1.263 Personen sind getaufte
Gemeindeglieder. Damit ist Rio Verde die größte mennonitische Ansiedlung in Ostparaguay.
Santa Clara
Santa Clara wurde 25 km nördlich von Rio Verde auch im Departament San Pedro gegründet. Alle Familien kommen aus
der Kolonie Santa Clara in Mexiko, ebenfalls im Staate Chihuahua. Gründe der Auswanderung waren Sozialreformen der
mexikanischen Regierung. Vielen Viehzüchtern und Großgrundbesitzern wurde Land enteignet und an landlose Mexikaner verteilt.
Einige hielten nur noch ihre Häuser. Vierzig Familien wanderten aus Mexiko aus, aber der paraguayische Urwald schreckte wieder
viele ab, so dass nur 21 Familien die Ansiedlungsphase durchhielten. Wirtschaftlich kam man schnell voran, da man aus Mexiko
Geld mitgebracht hatte. Mehrere hundert Hektar Land wurden gerodet und die wichtigsten Anbaukulturen waren Soja, Bohnen
und Weizen. Vieh- und Milchwirtschaft gab es nur für den eigenen Verbrauch.
Die Ansiedler gehörten zu der Sommerfelder Gemeinde," die sich in der Form deutlich von der Reinländer Gemeinde" in
den Nachbarkolonien Rio Verde und Manitoba unterschied. Die Kleidertracht war nicht so einförmig wie in der Nachbarkolonie
Rio Verde, und motorisierte Verkehrsmittel sind erlaubt. Diese Tatsache ist mit ein Grund dafür, dass mit der Nachbarkolonie
Rio Verde wenig Beziehungen gepflegt werden.
Heute wohnen in der Kolonie Santa Clara 57 Familien, d.h. 290 Personen. 124 Personen sind getaufte Gemeindeglieder.
Nueva Durango
Die Siedlung wurde 40 km nördlich von Curuguaty im Departament Canendiyú gegründet. Die ersten Siedler dieser
Kolonie verließen Mexiko am Ende des Jahres 1978 und suchten im fast undurchdringlichen Urwald in Ostparaguay ihre neue
Heimat. Die Einwanderer waren vorwiegend Altkolonier aus dem Staate Durango, Mexiko. Anfänglich wurden 7.500 ha Land gekauft.
Bei ihrer Ansiedlung bekamen sie vom damals amtierenden Staatspräsidenten Alfredo Stroessner die Zusage, dass die
Privilegien auch für sie Gültigkeit hätten. Der Urwald musste bald Weizen- und Sojafeldern weichen. Erstaunlich schnell
entstanden planmäßig angelegte Dörfer. Gummireifen waren an allen motorbetriebenen Fahrzeugen verboten, nicht aber an
Pferdefahrzeugen.
Heute wohnen in der Kolonie Nueva Durango 285 Familien, d.h. 1.850 Personen. Rund 600 Personen sind getaufte
Gemeindeglieder. Im Jahre 1994 zählte Nueva Durango rund 3.050 Einwohner. Doch durch verschiedene Erneuerungen, wie z. B. die
Installierung des elektrischen Stromes, usw. setzte im erwähnten Jahr eine große Abwanderung nach Bolivien ein, und fast die Hälfte
der Kolonie wanderte aus.
Campo Alto
Diese Gruppe siedelte 1980 im Departament Canendiyú an. Sie kamen ursprünglich aus Mexiko, hatten aber in Belize
Zwischenstation gemacht. Man war nach Paraguay ausgewandert, weil die unruhigen innenpolitischen Verhältnisse in Belize sie
in Bedrängnis brachten. Durch die Sonderform der Gemeinde sonderten sie sich auch in Paraguay ganz von den anderen
Kolonien und Gemeinden ab. Doch Ende 1994 wanderte diese Gruppe in geschlossener Form nach Santiago del Estero in Argentinien
aus. Sie zählten 55 Personen, davon 23 Gemeindeglieder.
Manitoba
Manitoba wurde im Jahre 1983 im Departament San Pedro von einer kleinen Einwanderergruppe aus Mexiko gegründet, die
zur selben Gemeinde wie die Gruppe von Rio Verde
gehörten.
(14) Die Gründer kamen auch aus dem Staate Chihuahua in Mexiko.
Heute wohnen in der Kolonie Manitoba 118 Familien, d.h. 588 Personen. 239 Personen sind getaufte Gemeindeglieder.
Wesen und Gestalt der Altkolonier
Wenn man das Wesen und die Lebensformen der sogenannten Altkolonier" in Paraguay etwas näher analysieren will,
muss man davon ausgehen, dass sich die jeweiligen Siedlungen voneinander unterscheiden. Obwohl die meisten Bewohner
ursprünglich von der zuerst gegründeten Kolonie, d.h. der Altkolonie in Russland abstammen, hat doch der Einfluss der
Umwelt und die Standhaftigkeit" der jeweiligen Führer die verschiedenen Gruppen unterschiedlich beeinflusst. Aus diesem
Grund könnte man in Paraguay zwei größere Gruppierungen der Altkoloniersiedlungen sehen. Die Differenzierung, die hier
gemacht wird, beruht auf der Herkunft der Einwanderer.
Einmal sind die Mennoniten zu nennen, die direkt aus Kanada eingewandert sind, nämlich die Bewohner von
Sommerfeld, Bergthal und der Tochterkolonie Reinfeld. Die zweite Gruppe sind die Mennoniten, die von Kanada über Mexiko nach
Paraguay eingewandert sind: die Bewohner von Rio Verde, Santa Clara, Nueva Durango und Manitoba. Bei beiden Gruppen hat aber
die Gemeindezugehörigkeit mit ihrer jeweiligen Art in der ursprünglichen Heimat die heutige Lebensform der Altkolonier
stark beeinflusst. In allen Fällen ist wohl festzustellen, dass bei den Abwanderungen immer jeweils die Gruppen den
Wanderstab ergriffen, die eine konservativere Einstellung hatten und den negativen Einfluss der Welt" befürchteten. In einigen
Fällen bildete der Umstand, dass man sich in Landnot befand, einen weiteren Grund.
In den Siedlungen der Altkolonier gibt es seit mindestens einem Jahrzehnt auch immer wieder Versuche, im geistlichen,
kulturellen und wirtschaftlichen Bereich Erneuerungen einzuführen. In den meisten Fällen hatten diese ihren Ursprung in den
eigenen Kreisen, in anderen Fällen wurden sie aber auch stark von außen unterstützt. In der Kolonie Sommerfeld wurde 1994 in
einem relativ friedlichen Prozess eine neue Gemeinde
gegründet.
(15) In den Kolonien Bergthal und Rio Verde, in denen auch
Erneuerungsversuche stattfanden, lief dieser Prozess nicht so friedlich ab. In einigen Fällen kam es sogar zu Eingriffen der
paraguayischen Justiz, um gewisse Missstände unter den Beteiligten zu
lösen.
(16)
In diesem Zusammenhang muss auch in Betracht gezogen werden, aus welcher Perspektive die Lebensweise der Altkolonier
in Paraguay näher analysiert wird. In den jeweiligen Gemeinschaften wurden über Generationen und Jahrhunderte hinweg
Lebensformen vermittelt, die in vielen Fällen wenig von der Umwelt beeinflusst wurden. Daher treffen zwei vollkommen
verschiedene Weltanschauungen aufeinander, wenn sich Außenseiter und Mitglieder dieser Gemeinschaften treffen. Hier bildet die
Toleranz eine wichtige Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis.
Gemeinden
Bei den Altkoloniern ist die Gemeinde wohl das tragende Element im Gemeinschaftsleben. Die Gemeinde besteht aus
getauften Gliedern, Diakonen, Predigern und Ältesten. Die Prediger werden als Lehrer" bezeichnet und die Person, die in der
Schule unterrichtet, nennt man Schullehrer. Ein Ältester kann nur von einem anderen Ältesten eingesegnet werden. Dieser hat
den stärksten Einfluß im Rahmen des ganzen Siedlungsgeschehens. Nur er ist befähigt, Taufhandlungen und die Austeilung
des Abendmahles durchzuführen. Der Lehrstand, der sich aus ihm, dem Diakon und den Predigern zusammensetzt, schafft
die Grundlage für die bestehende Gemeinde- und Gemeinschaftsstruktur. Jeden Donnerstag versammelt sich der Lehrstand,
um anfallende Fragen der Gemeinde zu behandeln. Auf der Tagesordnung stehen sehr oft Disziplinfragen.
In den Siedlungen der Altkolonier steht die kirchliche Macht über der zivilen Verwaltungsstruktur. So werden z.B. in Rio
Verde für die zivile Verwaltungsarbeit, zwei
Vorsteher"
(17) für eine Amtsperiode von einem Jahr gewählt. Diese zwei Vorsteher führen
ihr Amt jeweils in einem rotierenden Turnus von zwei Jahren aus. Die Anzahl und der Wahlmodus der Vorsteher sind in
den jeweiligen Kolonien unterschiedlich. Grundeinheit der Kolonieverwaltung ist das Dorf. Der Dorfvorsteher wird lokal
gewählt und macht sich für die zivile Verwaltungsarbeit im Dorf verantwortlich. Wenn es aber erst um entscheidende Dinge geht, gilt
als letzte Instanz immer noch das Wort des Ältesten. Die Gemeinde- und Gemeinschaftsstruktur ist so aufgebaut, dass die
geistlichen Führer unantastbar sind. Die gewünschte Haltung der Gemeindeglieder dem Ältesten gegenüber ist blindes Vertrauen
und bedingungsloser Gehorsam. Die genannte Tatsache basiert auf dem Argument, dass Kritik an geistlichen Führern, in
direkter Form Kritik an Gott ist.
(18) Sawatzky stellt fest:
Die Stellungnahme der Altkolonisten zu Wandlungen des Zeitgeistes in
bezug auf zeitliche sowie geistliche Aspekte ist einfach und unerbittlich. Was einmal von der Bruderschaft vereinbart und mit
Gebet beschlossen ist, konstituiert ein feierlich abgelegtes Gelöbnis, das weder widerrufen noch geändert werden
kann."(19) Auch Paulus hat gelehrt, dass man bei dem bleiben soll, was man gelernt hat.
Dieses Machtspiel" der Ältesten hat wahrscheinlich tiefe Wurzeln, die bis nach Russland und noch weiter zurück führen.
Da man seit Beginn der Gründung der Kolonie Chortitza in Russland die Thematik der Leiterschaft im geistlichen und zivilen
Bereich nicht endgültig definieren konnte, gingen die Gruppen, die ab 1874 nach Kanada auswanderten, wohl von der Tatsache
aus, diesem Problem ein Ende setzen müssen zu. So wurde die Leiterschaft der Gemeinschaft ganz von den geistlichen
Führern übernommen. Theoretisch ist die Bruderschaft", die sich aus den getauften Männern der Gemeinde zusammensetzt, die
höchste Instanz in der Gemeinde. Die Entscheidungen, die auf der Bruderschaft getroffen werden, sollen auch für den Ältesten
und den Lehrdienst bindend sein.
(20)
Die Taufe wird einmal jährlich durchgeführt. Der vorhergehende Taufunterricht wird zwischen Ostern und Pfingsten für
die Jugendlichen im entsprechenden Alter erteilt. Meist handelt es sich hier um Jugendliche im Alter von 18 - 20 Jahren. Am
dritten Sonntag nach Ostern bleiben die Väter der Jugendlichen, die getauft werden sollen, nach dem Gottesdienst zurück, und es
wird eine kurze Predigt gebracht. Danach werden die Namen der Taufkanditaten bekannt gegeben. Am darauffolgenden
Sonntag wiederholt sich der Vorgang mit dem Unterschied, dass die jeweiligen Väter einen Zeugen mitbringen, den sich der
Taufkanditat gewählt hat. Diese Person bezeugt, dass die Einstellung des Kandidaten ernst gemeint ist. Der fünfte Sonntag nach Ostern
ist der erste Prüftag der Taufkandidaten, an dem der erste Teil der Fragen und Antworten des Katechismus auswendig
aufgesagt werden muss, die zweite Hälfte erfolgt am Himmelfahrtstag. Den Katechismus müssen die Taufkanditen vor der Taufe
auswendig lernen. Der bei den Altkoloniern gebräuchliche Katechismus ist vom Jahre 1783 aus Elbing in
Preußen.
(21) Am letzten Sonntag vor Pfingsten prüft man die Taufkandidaten, und am ersten Pfingstfeiertag erfolgt die Taufe durch Begießen und die Aufnahme
in die Gemeinde. Die Jugend nimmt ihren Weg in die Gemeinde durch den Katechismusunterricht. Dadurch wird die Integrität
der Gemeinschaft bewahrt. Gemeindezugehörigkeit und Koloniesbürgschaft decken sich dadurch fast
lückenlos.
(22)
Jugendliche, die vor der Taufe sexuellen Verkehr gehabt haben, fallen beim Taufakt durch unterschiedliche Kleidungsart
auf.
(23)
Das geistliche Leben geht oft über den rituellen kirchlichen Vorgang am Sonntag nicht hinaus. Der Besuch des
Gottesdienstes am Sonntag ist heilig. Mit Gebet, Liedern und Predigt wird der Gottesdienst gefeiert. Sonntagsschule, Jugendstunde,
Bibelkreise usw. außerhalb des Gottesdienstes finden nicht statt. Der Gemeindegesang wird von Vorsängern angeleitet. Für
Außenstehende ist diese Art von Gesang ganz unverständlich.
Durch die bestehende, in jeder Lokalgemeinde selbst festgelegte Gemeindestruktur kann es in der Gemeinschaft leicht
zu Spaltungen kommen. Weiter ist die Gemeinde auch der Ort, wo Fehlverhalten der einzelnen Gemeindemitglieder, die im
wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und geistlichen Bereich unterlaufen sind, bestraft werden. Die Gemeindezucht wird
konsequent durchgeführt. Wenn ein Fehltritt aus dem von der Gemeinde vorgeschriebenen Rahmen erfolgt ist, wird die
betreffende Person ermahnt. Diese Arbeit übernimmt in einigen Gemeinschaften der
Kroaga".
(24) Wenn die Gespräche zu keinem
Erfolg führen, wird der Schuldige zum Donnerstag" vor den Lehrstand gebeten, wo er sich verteidigen muss. Wenn alle
Ermahnungen nichts nützen, wird die betreffende Person von der Bruderschaft am Sonntag nach dem Gottesdienst durch Bann" und
Meidung" von der Gemeinschaft isoliert. Im Volksmund spricht man davon, dass der Gebannte losjemogt" ist, d.h. er ist
losgemacht" von den Privilegien der Gemeinschaft. Der Gebannte muss in aller Hinsicht gemieden werden, sei es bei der
Tischgemeinschaft sowie auch in den wirtschaftlichen und zivilen Beziehungen. Dieser Prozeß soll dazu dienen, dass der Schuldige
zur Einsicht kommt. Nach einer Umkehr vom sündigen Weg" sind die Türen in der Gemeinde immer
offen.
(25)
Die Essenz des Glaubens ist nicht eine lebensfrohe Einstellung Gott gegenüber, der alle Freiheit gegeben hat, ihm
nachzufolgen, vielmehr wird eine von der Tradition geprägte, bedingungslose und den Gemeinderegeln unterworfene Nachfolge
gepredigt. Wem dieses Konzept zu eng ist, der wird immer wieder unter Druck gesetzt, um ihn zur Umkehr auf den richtigen Weg" hin
zu zwingen. Ein sehr beliebter und viel gebrauchter Ausspruch lautet: Wie han daut emma soo jehaut, in so saul daut
uck bliewen".
(26)
Die Theologie der Altkolonier geht davon aus, dass die Gemeinde die Autorität hat, über Punkte wie Kleidung, Nutzung
der Technologie, Lebensstil usw. der einzelnen Gemeindeglieder zu entscheiden. Tradition steht an oberster Stelle und bestimmt
die Bibelauslegung. Als größter Feind gilt die Welt". Aus diesem Grund hat die Gemeinde das Recht und die Pflicht, dem
Gemeindeglied den Weg und den Lebensstil aufzuzeigen, um der Weltlichkeit vorzubeugen. Das christliche Zeugnis besteht darin,
zu zeigen, dass man von der Welt abgesondert leben
kann.
(27) Für die Lebensstrecke in dieser Welt aber gelten bei den
Altkoloniern Arbeitsamkeit, Ehrlichkeit und Vertrauen als oberste Werte. Immer wieder wird von der Kanzel betont, dass diese Werte
unentbehrlich für das Zusammenleben auf dieser Erde sind. Wer nicht arbeiten will, wird als Heide" betrachtet. Auch wird eine
starke Leidenstheologie gepredigt. Obwohl man auch immer wieder gelassene und zufriedene Menschen findet, gibt es
verhältnismäßig viele emotional gestörte und depressive Personen, weil Leiden als eine aufgezwungene Tatsache gelehrt und
empfunden wird.
Andererseits betont die Theologie der Altkolonier auch die Gastfreundschaft. Sie sind tatsächlich sehr gastfreundlich, und
bei plötzlichem Unglück wird die Anteilnahme betont und gepflegt. Auch der Besuch von kranken Personen wird ernst genommen.
Der Begriff vom persönlichen Verhältnis" mit Jesus Christus, wie er in anderen Kreisen gebraucht wird, existiert bei
den Altkoloniern so nicht. In den neuen Gemeinden einiger Kolonien wie Sommerfeld, Bergthal und Rio Verde sucht man in
dieser Hinsicht einen neuen Weg. Es stellt sich die Frage, ob man auf dieser Grundlage im biblischen Sinn gerettet werden kann.
Im Verständnis der Altkolonier hat das einzelne Gemeindeglied keine Heilsgewissheit. Ein Gotteskind kann laut ihrer
Überzeugung nur bis zum letzten Atemzug beten und hoffen, dass es gerettet
wird.
(28) Argumentiert wird, dass man es sich nicht wagen
kann zu behaupten, gerettet zu sein. Einerseits wird öffentlich diese alles bestimmende Lehre gepredigt, und anderseits
beobachtet man doch viele Personen die eine innere Unruhe der bestehenden Situation gegenüber zeigen.
Verhältnis zur Welt"
Der Begriff Welt" beinhaltet für die Altkolonier alles, was sich nicht im Gemeinschaftsrahmen befindet, und damit alles
Gottesfeindiche. Da man diese Erde nur als ein Durchgangslager für das nach dem Leben folgende Geschehen sieht, steht man ihr
mit einer eher feindlichen und defensiven Haltung gegenüber. Mit einer sehr kritischen Haltung werden Elemente aus der Welt"
in den Kontext der Gemeinschaft integriert, sei es im wirtschaftlichen oder kulturellen Bereich. So wurde in einer Kolonie,
nachdem der Älteste selber mehrere Pferde bei der Reisproduktion verloren hatte, ein alter Beschluss aufgelöst und die
mechanische Bearbeitung des Bodens zugelassen.
Die Absonderung von der Welt" soll dazu beitragen, dass man sich möglichst vor deren negativen Einflüssen schützt.
Diese konservative Lebenshaltung ist sehr eng verbunden mit dem Gemeindeverständnis. Der Grundsatz ist eine schlichte
und demütige Lebensform. Ständig steht ihnen die Warnung vor einer Gleichstellung mit der Welt vor Augen. Aus diesen
Umständen hat sich eine Lebensart entwickelt, die die ganze Gruppe homogen erscheinen lässt. Andererseits hat der
wirtschaftliche Fortschritt, wie z.B. in den Kolonien Sommerfeld und Bergthal, auch eine gewisse Öffnung mit sich gebracht. Der
Reichtum drückt sich aber mehr in der Anhäufung von Kapital und Besitz aus, wie z.B. Ländereien, Fahrzeuge usw. nicht aber in
einem luxuriösen Leben. Die Aufforderung, die Entbehrungen des Lebens auf sich zu nehmen sowie auch Gott und seinen Dienern
den nötigen Gehorsam zu leisten, wird oft mit Bibelversen aus dem Neuen Testament belegt. Ansonsten vergleicht man sich
gerne mit dem Volk Israel. Der Vergleich mit dem Volke Israel ist besonders beliebt, da dieses Volk im Laufe seiner Geschichte auch
viele Demütigungen, Entbehrungen und viel Unverständnis von Seiten der Umwelt erleben musste. Auch die vielen
Wanderungen des Volkes Israel passen ausgezeichnet ins Konzept. Belegt werden diese Gedanken oft mit den Psalmworten. Die
biblischen Belege für die Stärke und Weisheit Gottes und in indirekter Form auch der Ältesten werden aus dem Alten Testament
angeführt, z.B. aus Mose, Hiob und
Salomo.
(29) In den wenigen Schriften, die diese Themen behandeln, findet man selten Anführungen
aus den Evangelien. Für Predigten werden hauptsächlich Aussprüche des Alten Testamentes verwendet, und für die
konkrete Lebensweise dienen aus dem Kontext entfernte Aussagen des Neuen Testamentes. Vielleicht sind die Passagen aus dem
Alten Testament bei den Altkoloniern auch so beliebt, weil sie leichter zu lesen sind für Personen, die intellektuell nicht so
angeregt wurden.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Mennoniten kanadischen Ursprungs, d.h. aus Sommerfeld und Bergthal,
eine weniger konservative Einstellung zur Welt haben. Die Mennoniten mexikanischen Ursprungs dagegen haben in dieser
Hinsicht eine radikalere Haltung. In der Kolonie Sommerfeld besteht jeweils in wirtschaftlicher und administrativer Hinsicht eine
Zusammenarbeit, d.h. Kooperative, Krankenhaus, Altenheim, Sportaktivitäten werden gemeinschaftlich organisiert, die Kleidung
ist nicht so einförmig wie bei den mexikanischen Mennoniten usw. Nur das Gemeinde- und Schulkonzept ist in fast allen
Gemeinschaften unverändert geblieben.
Bei den Mennoniten mexikanischen Ursprungs ist die Absonderung von der Welt in noch radikalerer Form spürbar. Die
mechanisierte Bodenbearbeitung ist zwar erlaubt, aber im Fall von Nueva Durango werden die Reifen der Traktoren z.B.
durch Eisenräder ersetzt, um dem Einfluss der Welt zu widerstehen. Motorisierte Fahrzeuge für den Transport von Personen
sind verboten, dazu steht der Buggy
(30), von Pferden gezogen, zur Verfügung. Ein Bart wird von den Altkoloniern nicht getragen.
Die Kleidung ist für alle Mitglieder der Kolonie einförmig. Die männlichen Personen haben eine Latzhose, in grünlichem
oder bläulichem Ton, ein Hemd, und in den meisten Fällen einen Cowboyhut, der aus der mexikanischen Kultur übernommen
wurde. Die weiblichen Personen bekleiden sich mit einem langen, dunklen Kleid mit langen Ärmeln und einer Kopfbedeckung, je
nach zivilem Stand. Das schlicht gescheitelte Haar ist immer mit einem Kopftuch bedeckt. Am Sonntag tragen die Frauen
einheitlich dunkle Kleider, und wenn sie verheiratet sind, eine kunstvoll hergestellte schwarze Haube. Die einförmige Kleidung soll
auf Demut und Gleichheit vor Gott hinweisen. Diese Kleidung ist für ein Land mit feuchtheißem Klima wie Paraguay etwas
unpraktisch. Eine Ausnahme bildet hier die Kolonie Santa Clara, die in dieser Hinsicht offener ist.
Der Konsum von alkoholischen Getränken steht bei den Altkoloniern nicht im Widerspruch zum Glaubensleben. Dies ist
ein weiterer Beweis für die Originalität der von Russland übertragenen Lebensformen, denn in Russland waren die
Mennoniten bekannt für ihre Brauereien. In den Kolonien in Ostparaguay wird zwar kein Bier gebraut, wohl aber ohne
Schuldgefühle konsumiert. Doch gegen den Alkoholmissbrauch wird stark gepredigt.
Eine große Herausforderung war für die Altkolonier auch die Einführung des elektrischen Stromes in den Haushalten. In
Nueva Durango wanderte z.B. 1994 fast die Hälfte der Bewohner nach Bolivien aus, als der elektrische Strom in der Kolonie
installiert wurde, wenn auch behauptet wurde, dass dies nur der letzte Tropfen gewesen sei, der das Gefäß zum Überlaufen brachte. So
gibt es auch heute noch in der genannten Kolonie Höfe, wo im Haus der älteren Generation noch kein elektrischer Strom
eingerichtet ist, wohl aber im Haus des Sohnes auf demselben Hof. Die große Mehrheit der Altkolonier in Paraguay benutzt heute wohl
den elektrischen Strom. Der Gebrauch von Radio, Telefon und Fernsehen ist bei den Altkoloniern mexikanischen Ursprungs
ganz verboten.
Eine weitere stark ausgeprägte Eigenart der Altkolonier ist, dass sie von allen Außenstehenden in Ruhe gelassen
werden wollen. So lassen sie auch andere religiöse und kulturelle Gemeinschaften in Ruhe. Kurzer Gastbesuch wird voll akzeptiert,
doch sie wünschen nicht, dass jemand kommt, um sie zu studieren und noch viel weniger, um sie zu verändern. Um das
Seelenheil" der eigenen Leute wird hart gerungen, aber für die Auswärtigen" empfindet man keinen Missionsauftrag.
Erziehung
Der Erziehungsbereich ist für die Mennoniten und auch für die Altkolonier ein wichtiges Element, um die Grundlagen
der Tradition, des allgemeinen Wissens und des Glaubens, von Generation zu Generation weiter zu geben. Die
unbehinderte Erziehungsarbeit war immer eine der Forderungen, wenn es darum ging, Privilegien für eine neue Heimat auszuhandeln.
Man ging davon aus, dass die Umwelt und besonders auch der Staat keinen Einfluss auf den Prozess der Erziehung haben durfte.
In deutscher Sprache wollte man die Glaubensprinzipien und die traditionellen Formen des Gemeinschaftslebens sowie auch
das für notwendig angesehene Wissen mit Hilfe eines eigenen Schulsystems an die Kinder weiter vermitteln. Der ganze
Erziehungsbereich steht bei den Altkoloniern unter der Aufsicht des Lehrdienstes.
Die akademischen Anforderungen an den Lehrer sind im Normalfall nicht hoch. Wichtig ist, dass er einigermaßen gut lesen
kann, was aber nicht heißt, dass er sein Amt nicht mit viel Fleiß und Ausdauer ausübt. An erster Stelle steht nicht die Vermittlung
von Wissen, sondern das Vermitteln von Werten wie Disziplin, Ordnung und Gehorsam. Der Unterrichtsstoff wird mit Hilfe
eines Frontalunterrichtes erteilt. Freie Meinungsäußerungen, eigene Überlegungen und Konversation im Unterricht passen nicht
ins Erziehungskonzept. Die offizielle Unterrichtssprache in den Schulen der Altkolonier ist deutsch. Die mündliche
Kommunikation läuft aber hauptsächlich in plattdeutscher Sprache ab. Die spanische Landessprache gehört nicht zum Schulprogramm. Nur
in Schule und Kirche macht man Gebrauch von der deutschen Sprache. Die allgemeine Umgangssprache ist Plattdeutsch.
Der Unterricht wird in den jeweiligen Dorfschulen erteilt. Alle Schüler sitzen in einem Raum, und die Sitzordnung ist je nach
Alter und Leistung aufgeteilt. Meistens sitzen ganz vorne beim Lehrer die besten und ältesten Schüler. Die Klasse wird je nach
Alter und Leistung in Fibler", Katechismer" Testamentler" und Bibler" aufgeteilt. Unterrichtsmaterialien sind kleine
Buchstabierbüchlein, der Katechismus, das Neue Testament, die Bibel und das Gesangbuch. In einigen Kolonien, wie z.B. Rio Verde,
wird neuerdings auch anderes Übungsmaterial hinzugezogen, z. B. die Materialien von Richard Lange für den Deutschunterricht.
Die Bücher werden in Druckereien in den eigenen Kolonien hergestellt, d.h. kopiert und eingebunden. Die altdeutsche, bzw.
gotische Schrift, ist noch immer die bevorzugte Schreibweise. Die Schüler lernen Lesen, Schreiben und Gebete, Sprüche und
Lieder auswendig. Auch gibt es eine elementare Einführung in die verschiedenen
Rechnungsarten.
(31)
In allen Siedlungen der Altkolonier besuchen die Jungen sieben Jahre die Schule und die Mädchen jeweils nur sechs Jahre.
Das Schuljahr wird in zwei Etappen aufgeteilt. Die erste Etappe läuft um die Mitte des Jahres etwa fünf Monate, und die zweite
Etappe ist die sogenannte Weihnachtsschule". Mit einigen wenigen Ausnahmen, wie z.B. eine kleine Schule in Bergthal und die
Schule der neugegründeten Gemeinde in Sommerfeld, ist keine der Schulen der Altkolonier in Paraguay vom
Erziehungsministerium anerkannt. Man beruft sich immer noch fest auf das Privileg 514, wonach die Mennoniten in Paraguay das Recht haben,
ihre Erziehungsarbeit selbständig und ohne staatlichen Einfluss durchzuführen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Altkolonier die Erziehungsarbeit als Traditionsvermittlung sehr ernst
nehmen. Jedoch als Wissenvermittlung und Vorbereitung für die Zukunft lässt sie große Lücken offen und es gibt viele
funktionale Analphabeten in den Siedlungen. In den Schulen der Altkolonier wird wenig Wert auf verstehendes Lesen, logisches
Denken, analysierendes und zusammenfassendes Arbeiten, gegenseitiges Verständnis und Toleranz gelegt. Von der Vorbereitung
für technische Kenntnisse ist hier überhaupt keine Rede. Logischerweise steht das niedrige Erziehungsniveau auch im
direkten Verhältnis zu dem Niveau der Lehrer. Inwieweit die Schüler wirklich für die Herausforderungen der heutigen Welt
vorbereitet werden, ist sehr fraglich. Andererseits schafft diese Art der erzieherischen Vorbereitung für das Leben auch wieder die
Grundlage, dass der Einzelne nicht so leicht aus dem von der Gemeinde und Gemeinschaft vorgegebenen Rahmen springt.
Besser ausgebildete Personen können bestehende Werte und Formen leichter hinterfragen. Man sichert sich für alle Mitglieder
der Gemeinschaft ein einheitliches Erziehungsniveau ab, mit dem von Seiten der Gemeindeleitung die traditionellen
Lebensformen effektiver eingehalten werden
können.
(32)
Wirtschaft
Im wirtschaftlichen Leben zeichnen sich die Altkolonier durch ihr praktisches und effektives Handeln aus. Geprägt von
einer starken Arbeitsmentalität arbeitet die ganze Familie für den wirtschaftlichen Unterhalt des Familienbetriebes. Hier ist es
auch wieder die Gemeinde, die die Entwicklung kontrolliert und teilweise bremst. So verhängten z.B. die Ältesten von Bergthal
noch in den achtziger Jahren den Bann gegen Personen, die mit der Außenwelt" Geschäfte machten. Doch die Entwicklung
nahm ihren Lauf, und es kam zur Gründung von mehreren privaten Unternehmen sowie auch der jeweiligen Kooperativen in
Bergthal und Sommerfeld. Die Kolonien Sommerfeld und Bergthal zeichnen sich durch eine starke wirtschaftliche Entwicklung aus.
Erst war es das rücksichtslose Roden großer Wälder und die entsprechende Holzverarbeitung, und später brachten eine
intensive Land- und Milchwirtschaft wirtschaftliche Erfolge. Im Bereich der Zusammenarbeit der verschiedenen Siedlungen der
Altkolonier in Paraguay auf auf wirtschaftlicher Ebene praktisch nichts.
In den Kolonien mexikanischen Ursprungs sieht die Situation etwas anders aus. Die vor einiger Zeit gegründeten
Kooperativen in Rio Verde und Nueva Durango sind nicht mehr funktionsfähig. Ursachen sind wohl die fehlende Kooperation und
Professionalität in der Führung dieser Institutionen.
Man kann wohl sagen, dass die große Mehrheit der Familien sich ihren wirtschaftlichen Unterhalt mit viel Fleiß und
Mühe erarbeitet hat und sich mit den gegebenen Umständen auch zufrieden gibt. Die Mentalität der Altkolonier im
wirtschaftlichen Bereich ist in vielen Fällen noch nicht vom Kapitalismus geprägt. Allgemein wird nicht großer Reichtum angestrebt, sondern
es geht darum, für einen sicheren Unterhalt der Familie zu sorgen. Die kinderreichen Familien in den Siedlungen der
Altkolonier verlangen einen relativ großen Aufwand, eine ausgeglichene Versorgung zu erreichen. Durch eine stärkere Kooperation
auf wirtschaftlichem Gebiet, sei es bei der Beratung der Bauern, Kredite oder der Vermarktung der Produktion könnten noch
viel bessere wirtschaftliche Resultate erzielt werden.
Fazit
Wenn in Paraguay von Mennoniten gesprochen wird, denken viele Paraguayer sehr oft zuerst an die Gruppe der
Altkolonier, weil sie am meisten durch ihre Kleidung und Lebensweise auffallen. Doch beträgt die Anzahl der Altkolonier nur 15 %
der Mennoniten in Paraguay. Wahrscheinlich ist es die Gruppe der Mennoniten, die sich bisher am wenigsten mit dem
neuen Heimatland, Paraguay, identifizieren kann. Durch die Weltfeindlichkeit wirkt ihre Lebensweise auf die Umwelt oft abstoßend.
Fremd wirkt wohl am meisten die Einstellung zum Leben, wobei Gefühle unterdrückt werden und keine frohe
Lebenseinstellung aufkommen will. Der Körper wird als ein Gefängnis für die Seele
angesehen.
(33) Krankheit ist eine Strafe Gottes, die der
Züchtigung dient, damit man freier von der sündigen Natur wird. Leiden ist ein Vorrecht, und darin ist Christus ein Vorbild
gewesen, denn er hat am Kreuz am meisten gelitten. Harte Lebensbedingungen sind ein Mittel Gottes, um die Menschen näher zu
sich heranzuziehen. Gott ist nicht ein Gott der Freude, des Lobes und der Freiheit, sondern ein Gott, der straft, züchtigt und
von seinen Kindern in der Welt Entbehrungen verlangt. Bildung und luxuriöses Leben sind für die Altkolonier
Versuchungen Satans. Zu Gott hat man mehr über die Gemeinde und den Ältesten Zugang, als direkt über eine persönliche und
lebendige Beziehung. Aus diesem Grund ist auch der Älteste für das Seelenheil seiner Glieder verantwortlich.
Dieser Umstand führt notgedrungen zu einer Verflachung und Erstarrung des Glaubens und des Gemeindelebens.
Zusammenarbeit unter den Gemeinden kommt nicht zustande. Auch die persönliche Freiheit des einzelnen Gemeindegliedes wird sehr
stark eingeschränkt. Probleme in der Gemeinschaft und in der Siedlung werden automatisch zu Gemeindeproblemen.
Das Prinzip der gegenseitigen Hilfe und der Gastfreundschaft ist jedoch in der Gemeinschaft der Altkolonier tief
verankert. Bestimmt wäre es für die Altkolonier eine große Hilfe, wenn sie ihre wiedertäuferischen Wurzeln neu entdecken
könnten. Dadurch könnten sie, ohne ihre eigenen und liebgewordenen Traditionen und Werte total aufgeben zu müssen, ihre
Aufgabe entdecken und sich den Herausforderungen eines neuen Jahrtausends in Paraguay
stellen.
(34)
Bibliographie
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Sawatzky, Harry Leonard: Sie suchten eine Heimat. Deutsch-Mennonitische Kolonisierung in Mexiko. 1922 - 1984. Marburg, N.G. Elwert Verlag, 1986.
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Verwaltung der Kolonie Sommerfeld. Geschichtsbildband zum 50jährigen Bestehen der Kolonie Sommerfeld. 1948 - 1998. Sommerfeld, 1998.
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Warkentin, Abe: Gäste und Fremdlinge. Strangers and Pilgrims. Kanada, Die Mennonitische Post, 1995.
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Wenger, John Christian: Compendio de Historia y Doctrina Menonitas. Buenos Aires. 1960.
Fussnoten:
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Horst Penner spricht von rund 8.000 Mennoniten, die in den 70er Jahren aus der Altkolonie Chortitza in Russland, nach Kanada
übersiedelten.
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Sawatzky, Harry Leonard. Sie suchten eine Heimat. Deutsch-Mennonitische Kolonisierung in Mexiko. 1922 - 1984. Marburg, N.G.
Elwert Verlag, 1986, S. 11 ff.
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Penner, Horst. Weltweite Bruderschaft. Ein mennonitisches Geschichtsbuch. Weierhof, 5. Auflage, 1995, S. 190.
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Dyck, Cornelius J.: An Introduction to Mennonite History. A popular history of the anabaptists and the mennonites. Scottdale
- Pennsylvania, Herald Press, 1981, S. 312.
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Sawatzky, Harry Leonard: Sie suchten eine Heimat. Deutsch-Mennonitische Kolonisierung in Mexiko. 1922 - 1984. Marburg, N.G.
Elwert Verlag, 1986, S. 60 ff.
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Diese Zahlen sind in den verschiedenen Quellen unterschiedlich.
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Klassen, Peter P.: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. Bolanden - Weiherhof, Mennonitischer
Geschichtsverein, 1988, S. 132.
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Ratzlaff, Gerhard: Die mennonitischen Siedlungen in Ostparaguay. Kol. Friesland, 1976, S. 9
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Verwaltung der Kolonie Sommerfeld. Geschichtsbildband zum 50-jährigen Bestehen der Kolonie Sommerfeld. 1948 - 1998.
Sommerfeld, 1998, S. 36 ff.
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Die aktuellen Daten der mennonitischen Kolonien in Ostparaguay liegen im Archiv der "Asociación de Colonias Mennonitas del
Paraguay" vor. Die Daten stammen aus dem Jahr 1998.
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Warkentin, Abe: Gäste und Fremdlinge. Strangers and Pilgrims. Kanada, Die Mennonitische Post, Steinbach 1995, S. 85 ff.
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Ratzlaff, Gerhard. Die mennonitischen Siedlungen in Ostparaguay. Kol. Friesland, 1976, S. 9 ff.
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Ratzlaff, Gerhard: Die mennonitischen Siedlungen in Ostparaguay. Kol. Friesland, 1976, S.22 ff.
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Klassen, Peter: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. Bolanden - Weiherhof, Mennonitischer
Geschichtsverein, 1988, S. 144
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Die neue Gemeinde nennt sich "Evangelische Mennoniten Gemeinde Sommerfeld" (E.M.G.). Sie führt ihre eigene Schule, ein
Krankenhaus und mehrere andere Missionsprojekte.
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Enns, Andreas: Die Gerichtsprozesse während des Konfliktes in Bergthal 1996/7. Asunción, 1999
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Sie haben die gleiche Funktion wie in den anderen Kolonien die Oberschulzen.
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Peters, Klaas: Die Bergthaler Mennoniten und deren Auswanderung aus Russland und Einwanderung in Manitoba. Zum
25jährigen Jubiläum. Florida, 1922, S. 28.
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Sawatzky, Harry Leonard: Sie suchten eine Heimat. Deutsch-Mennonitische Kolonisierung in Mexiko. 1922 - 1984. Marburg, N.G.
Elwert Verlag, 1986, S. 241.
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Ratzlaff, Gerhard: Die traditionellen Mennoniten. Unveröffentlichter Aufsatz. Asunción, 2000.
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Ratzlaff, Gerhard: Die traditionellen Mennoniten. Unveröffentlichter Aufsatz. Asunción, 2000.
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Klassen, Peter P.: Die Mennoniten in Paraguay, Band I. Asunción, Impr. Modelo, 1988. S. 317.
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Klassen, Peter P.: Die Mennoniten in Paraguay, Band I. Asunción, Impr. Modelo, 1988. S. 317.
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Der "Kroaga" ist eine Art kirchlicher Gerichtsbote.
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Sawatzky, Harry Leonard: Sie suchten eine Heimat. Deutsch-Mennonitische Kolonisierung in Mexiko. 1922 - 1984. Marburg, N.G.
Elwert Verlag, 1986, S. 213
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"Wir haben das immer so gehabt, und so soll das auch bleiben".
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Peters, Abe: Comunidades "Old Colony" enfrentan retos dificiles. Documento sin publicación. Canadá, 1999
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Diese Aussagen beruhen auf Gesprächen, die mit Vorstehern und Ältesten geführt wurden.
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Dyck, Isaak M.: Hinterlassene Schriften vom Ältesten Isaak M. Dyck. Mexiko, Imprenta Mennonita, 1994, S. 3 ff.
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Der Buggy ist ein leichter gefederter Wagen mit Gummireifen.
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Ratzlaff, Gerhard: Die traditionellen Mennoniten. Unveröffentlichter Aufsatz. Asunción, 2000.
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Die meisten Schilderungen beruhen auf eigenen Erfahrungen, die während mehrerer Besuchen in den Siedlungen der Altkolonier sowie
auch in den jeweiligen Schulen gemacht wurden.
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Dyck, Isaak M.: Hinterlassene Schriften vom Ältesten Isaak M. Dyck. Mexiko, Imprenta Mennonita, 1994, S. 53
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Mein Dank gilt in besonderer Weise Dr. Hans Epp und Gerhard Ratzlaff, die den vorliegenden Artikel vom Inhalt her korrigiert und
auf wichtige Verbesserungsvorschläge hingewiesen haben.
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