Begleitwort zu dieser Nummer | Jahrbuch 2000
Die Herausgabe eines Jahrbuches der Mennoniten in
Paraguay wurde bei der Gründung des Geschichtsvereins als ein konkretes
Ziel im Statut verankert. Es ist eine Publikation mit wissenschaftlichem
und kulturellem Charakter, die sich mit dem Leben der Mennoniten
Paraguays und ihrer wechselseitigen Beziehung zur Umwelt befasst.
Es ist vorgesehen, jährlich ein Schwerpunktthema zu setzen, nach
dessen Vorgaben dann die Beiträge gesammelt und ausgewählt werden.
Für das Jahr 2000 ergab sich fast wie von selbst
die Notwendigkeit eines Rückblicks, einer Bilanz der sieben Jahrzehnte
währenden Geschichte mennonitischer Präsenz in unserem Land. Auch das
von ACOMEPA
(1)
organisierte Seminar im Mai befasste sich intensiv mit
diesem Thema. Da Mennoniten nach wie vor eine Gemeinschaft bilden, die
in einem Spannungsfeld steht zwischen Anpassung einerseits und
Erhaltung ihrer kulturellen und religiösen Eigenart andererseits,
bleibt die Frage nach der eigenen Identität aktuell, ja sie kann nicht
ein für allemal beantwortet werden, sondern verlangt dauernd nach neuer
Erwägung.
Die Beiträge in dieser ersten Nummer des Jahrbuchs
sind in diesem Rahmen zu verstehen. Peter P. Klassen befasst sich mit
dem kulturellen Erbe der mennonitischen Einwanderer, dessen Wiege in
Preußen und Russland zu suchen ist.
Der zweite Aufsatz handelt von den Gruppen
amerikanischer Mennoniten, welche in Ostparaguay siedelten. Sie haben
eine eigene kulturelle Prägung, da sie direkt von Europa nach Amerika
zogen.
Hans Theodor Regier beschreibt die Wesenszüge der
sog. Altkolonier, welche schon im 19. Jahrhundert Russland verließen,
weil sie sich dem Druck der Anpassung widersetzten und ein Leben in
geschlossenen, ganz von den Vorgaben der Gemeinde bestimmten Kolonien
vorzogen.
Ob im Chaco oder in Ostparaguay, überall finden
Mennoniten sich inmitten von Mitgliedern anderer Kirchen, vor allem
der katholischen. Der Aufsatz "Zwischen Tradition und Restitution"
befasst sich mit einigen theologischen und ekklesiologischen
Grundpostulaten dieser beiden Kirchen und verweist auf die
Notwendigkeit und Möglichkeit des Dialogs.
Jacob Harder analysiert in seinem Beitrag,
den sozialen Wandel in den Chacokolonien und erinnert als Soziologe
daran, dass Wandel unvermeidbar ist. Er schlägt vor, sich
gesellschaftlich lieber damit zu befassen, wie solcher Wandel
zu steuern sei, statt zu versuchen ihn zu vermeiden.
Im zweiten Hauptteil "Kulturelle Beiträge"
findet sich zuerst eine Betrachtung über neuere mennonitische
Literatur, wie sie vor allem in Nordamerika von engagierten Dichtern
vorangetrieben wird. Auch der schriftliche Niederschlag der
plattdeutschen Sprache wird dabei beachtet.
Peter P. Klassen, in seiner Leidenschaft für
Geschichte, befasst sich immer wieder mit Motiven der Ureinwohner
des Chaco. Seine Erzählung "Kazike Carayá" rückt das persönliche
Schicksal eines Enlhet-Häuptlings während des Chacokrieges ins
Blickfeld und bereichert mit diesen Pinselstrichen das dramatische
Bild dieser Epoche.
Ein statistischer Teil über die Mennoniten in
Paraguay sowie Berichte und Informationen über den Geschichtsverein
bilden den Anhang auf den letzten Seiten.
Das Redaktionsteam hofft, dass dieses Jahrbuch eine
wohlwollende aber kritische Leserschaft findet und dass es in den
kommenden Jahren zu einem Publikationsmittel wird, in dem sich
kreative Stimmen zu Wort melden, wo Forschung und Diskussion über die
Mennoniten in Paraguay angeregt wird und auch Stimmen aus ihrer Umwelt
zur Sprache kommen.
Gundolf Niebuhr, Schriftleiter
Fussnote:
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Abkürzung für "Asociación de Colonias
Mennonitas del Paraguay"
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