Kulturelle Beiträge | Jahrbuch 2003
Der hungrige Fuchs
(1)
Robert Ketcham
Die alten Ayoreos erzählen:
Man sagt, daß der Fuchs früher ein Mensch war. Der Fuchs ist immer hungrig. Eines Tages ging er zu einer Lagune, wo er einen
Storch sah. Der Fuchs hatte Hunger und dachte bei sich: So ein Glück. Den Storch werde ich töten und aufessen.
Er wußte aber nicht, wie er den Storch erreichen könnte. Zwischen ihm und dem Storch war eine Strecke ohne Gestrüpp.
Außerdem stand der Storch im tiefen Wasser. Der Fuchs überlegte: Jetzt gehe ich bis zum Wasser, dann tauche ich, schwimme unter Wasser bis
zu dem Storch, springe auf ihn herauf, töte ihn und dann werde ich essen.
Als der Fuchs an den Storch herankam, packte er ihn an den Beinen, zerrte ihn hin und her bis ans Ufer der Lagune, rupfte ihm
die Federn bis auf die langen Schwungfedern an den Flügeln.
Der Fuchs freute sich auf sein Futter und überlegte: Bevor ich esse, kann ich noch etwas mit dem Storch sprechen und spielen. Er
warf ihn hin und her und meinte, er solle doch fliegen. Aber der Storch stellte sich tot.
Als der Fuchs etwas zur Seite lief, um sich mit mehr Kraft auf sein Opfer zu stürzen, flog der Storch davon.
Darüber war der Fuchs so böse, er schrie und schimpfte, steckte sich die gerupften Federn vom Storch in den Körper und an die
Beine, zappelte so lange mit den Beinen auf und nieder, bis er zu fliegen anfing und den Storch verfolgte.
Der Storch guckte sich um und sah daß er vom Fuchs verfolgt wurde. Also flog er noch höher in den blauen Himmel. Der Fuchs
machte das gleiche. Dann aber kam ein scharfer Windstoß, der riß ihm alle Federn aus dem Leibe, er fiel senkrecht auf die Erde - wie ein
Stein - und schlug sich tot.
Fussnoten:
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Sage der Ayoreoindianer, nacherzählt von Missionar Robert Ketcham.
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