Begleitwort zu dieser Nummer | Jahrbuch 2011
Zu den ausdrücklich formulierten Zielen des
Geschichtsvereins gehört auch die Erforschung und Darstellung der
Geschichte unseres Landes. Paraguay ist für die rund 30.000 eingewanderten
Mennoniten und ihre Nachkommen zur Heimat geworden. In absehbarer Zukunft
werden einige Siedlungen das hundertste Jubiläum ihrer Ankunft in diesem
Land feiern – Zeit genug, um ein Heimatgefühl zu entwickeln. Selbst wenn
man sich nicht mit allen Aspekten der Kultur des Landes gleichermaßen
identifiziert, erwacht doch ein gewisser Nationalstolz, der durchaus
willkommen sein dürfte.
Paraguay feiert in diesem Jahr sein „Bicentenario“, also
200 Jahre Unabhängigkeit. Eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen waren
schon vorher geplant und angekündigt. Historiker haben sich um neue
Veröffentlichungen bemüht, so dass eine Anzahl neuer Werke zur Geschichte
Paraguays auf dem Markt erhältlich ist. Vereine, Schulen und
Stadtverwaltungen haben folkloristische Darbietungen eingeübt, Geschichte
dramatisiert und selbst beim beliebten Nationalsport, dem Fußball,
bemerkte man einen gehobenen Patriotismus, als Paraguay es bis zum
Vizemeister in den „Copa Libertadores“-Spielen schaffte. Kurz, das
Jubiläumsjahr im Land legte es nahe, die gegenwärtige Ausgabe unseres
Jahrbuches ebenfalls der paraguayischen Geschichte und dem „Bicentenario“
zu widmen. Dabei ging es uns vor allem darum, deutschsprachigen Lesern das
Wesentliche dieser Geschichte zu präsentieren. Die Erfahrung bis heute
zeigt uns, dass in unseren Siedlungen, obwohl die jüngere Generation
bilingual ist, doch relativ wenig in spanischer Sprache gelesen wird. Die
Tageszeitungen bilden da eine Ausnahme, aber solide Geschichtswerke sind
schwer zu finden; sie werden also eher selten gelesen, zumal die technisch
gehaltene Sprache solcher Werke auch noch Mühe bereitet. Ein möglichst
breit gefächerter, verständlich geschriebener Überblick in deutscher
Sprache schien uns im Redaktionsteam eine sinnvolle Zielsetzung. Dass dies
hohe Ansprüche an die Schreiber der Aufsätze stellen würde, war von
vornherein klar. Sie haben ihre Aufgabe ernst genommen und so aus
verschiedenen Perspektiven einen globalen Überblick über unsere nationale
Geschichte geschaffen. Ihnen allen sei hiermit ein ganz herzlicher Dank
ausgesprochen!
Thematisch reichen die Beiträge von den Anfängen des
Unabhängigkeitsprozesses in Lateinamerika (Renate Harder), bis hin zur
gegenwärtigen politischen Integration der Mennoniten in den Staat Paraguay
(Jacob Harder). Ronald Unruh bietet einen generellen Überblick über den
Verlauf der Geschichte des Landes von 1811 bis 2011. Gerhard Ratzlaff
rückt die Geschichte der Mennoniten in eine chronologische Parallele zur
Geschichte Paraguays. Gundolf Niebuhr verweist auf die neuere Literatur
zur Erforschung des Dreibundkrieges, der das Schicksal Paraguays derart
nachhaltig geprägt hat. Zur Zeit des „Centenario“, 1911, erlebte unser
Land eine Reihe von politischen Umbrüchen. Ein Regierungssturz folgte dem
anderen. Trotzdem war es eine Zeit des kulturellen Aufbruchs, wie Uwe
Friesen feststellt. Die Eigenart des paraguayischen Menschen und seiner
Kultur – oft durch Karikaturen oder Übertreibungen etwas unsachlich
dargestellt, wird von Hans Theodor Regier beschrieben. Und was eine
besondere Bildungslücke in unseren Kreisen sein mag, die nationale
Literatur, wird von Eugen Friesen in anschaulicher Weise, mit Beispielen
belegt, vorgestellt.
Im kulturellen Teil folgen drei kurze Texte, die
thematisch nicht so strikt an das Thema des Buches angelehnt sind, jedoch
ebenfalls Aspekte der Flucht aus Russland und der mennonitischen Präsenz
in Paraguay ansprechen.
Bei den Buchbesprechungen wird kein Anspruch auf
Vollständigkeit erhoben, es werden lediglich einige uns betreffende
Publikationen vorgestellt.
Der aufrichtige Wunsch des Redaktionsteams ist es, dass
diese Zusammenstellung unseren deutschsprachigen Lesern helfen möge, sich
in der Geschichte Paraguays zu orientieren, sie schätzen zu lernen und
sich auch ein Stück weit mit ihr als der Geschichte des eigenen Landes
identifizieren zu können.
Nochmals sei allen Personen, die zum Entstehen dieser
Ausgabe des Jahrbuches beigetragen haben, unser Dank ausgesprochen!
i.A. Gundolf Niebuhr