Lehrdienst

Als Lehrdienst wurde die Gesamtheit der Männer bezeichnet, die in der Gemeinde als Prediger, >Diakone oder >Ältester eingesetzt waren. Ihre Aufgabe bestand darin, an den Sonntagen sowie auf Begräbnissen, Verlobungen und Hochzeiten zu predigen, Trauhandlungen durchzuführen, kranke und andere Gemeindeglieder als Seelsorger zu besuchen. Taufpredigt und Taufhandlung sowie die Abendmahlspredigt und die Austeilung des >Abendmahls (Brot) waren dem Ältesten vorbehalten. Beim Austeilen des Weines halfen auch die Prediger und Diakone. Die Diakone besuchten besonders die Armen, um nachzusehen, wo Hilfe fehlte und wie sie helfen könnten.
Prediger und Diakone wurden von der >Bruderschaft nach einfacher Stimmenmehrheit auf einer Bruderberatung gewählt. Am Ausgang der Kirche oder im Predigerstübchen standen/saßen einige Mitglieder des Lehrdienstes und nahmen die ihnen zugeflüsterten Stimmen in Empfang und schrieben die betreffenden Namen auf. Dabei gingen die Brüder der Reihe nach, Bank für Bank, aus der Kirche an diesen Predigern (Wahlkommission) vorbei. Dadurch wurde zugleich kontrolliert, dass alle Brüder nur einmal eine Stimme abgaben.
Der Älteste wurde aus den Reihen der Prediger gewählt und möglichst von seinem Vorgänger bestätigt. Die Ordinationspredigten und die Ordination für Prediger und Diakone wurden nur vom Ältesten durchgeführt.
In der >Mennonitengemeinde von Menno wurde das Loswerfen nach Apostelgeschichte 1, 23 – 26 eingeführt, weil nach mennonitischer Tradition sehr oft die Söhne von Predigern und Diakonen auch als Prediger oder Diakone in den Lehrdienst gewählt wurden, so dass der Lehrdienst oft in derselben Verwandtschaft blieb, ohne dass besonders nach der Eignung geschaut wurde. Um diesem vorzubeugen, und um auch andere fähige Personen für die Ämter zu gewinnen, wurde das Loswerfen in den Anfangsjahren in Menno unter der Leitung des Ältesten Martin C. >Friesen eingeführt. Wenn zwei Prediger gewählt werden sollten, wurden in der ersten Runde vier Kandidaten gewählt. Diese vier setzten sich darauf auf die vorderste Bank in der Kirche und ein Prediger oder Diakon steckte die Lose in einen Umschlag. Auf zwei davon standen die Worte Jesu aus Johannes 20, 21: Friede sei mit euch; wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch – und zwei waren unbeschrieben. Die zwei Kandidaten, die das Los mit dem Satz traf, waren dann die Gewählten.
Wenn diese gewählten Brüder bereit waren, die Wahl anzunehmen, wurden sie meist schon nach einigen Wochen oder Monaten ordiniert, ohne dass sie vorher Probepredigten hätten halten müssen. Ihre Frauen wurden nicht mit eingesegnet. Bei der Ordinationspredigt des Ältesten wurden sie aber ernstlich ermahnt und auf ihre Pflichten als Predigerfrau, besonders im Wandel und Handeln, hingewiesen. Nachdem die neuen Prediger in der Ordinationspredigt in ihre besonderen Aufgaben laut Bibel eingeführt worden waren, wurden sie, nach feierlichem Versprechen vor Gott und der Gemeinde, der Gemeinde des Herrn mit Wort und Vorbild treu dienen zu wollen, durch Handauflegen vom Ältesten ordiniert und eingesegnet. Weitere Mitglieder des Lehrdienstes sprachen darauf den neu Ordinierten Ermahnungen und Segensworte für ihre wichtige Aufgabe als Lehrer und Prediger des Wortes zu.
Die erste Predigt eines neuen Predigers wurde Antrittspredigt genannt und in mehreren Dörfern in der Gemeinde nacheinander an den Sonntagen vorgetragen.
Die Kosten für diesen Dienst trug der Prediger in der Regel selbst. Alle Prediger der Gemeinde waren Bauern, die für den Unterhalt ihrer Familie selber aufkommen mussten. Sie waren gezwungen, ein Buggyfahrzeug mit zwei gut gefütterten Pferden bereitzuhalten, außerdem aber noch ihre Wirtschaft zu führen. Vorbereitung der Predigt und eventuelle Lektüre und Weiterbildung wurden nicht als Arbeit angesehen. Nach Matthäus 10, 8 gehörte das doch zum Auftrag des Predigers: Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es aus. Oder man zitierte 1. Timotheus 3, 35. Der Prediger durfte nicht geldgierig sein, und er musste seinem eigenen Haus vorzustehen wissen. Manche Freunde halfen ihnen aber doch verschiedentlich, indem sie das Feld bearbeiten halfen oder ihn zum Gottesdienst fuhren.
Heute haben Begriffe wie Gemeinderat, Gemeindevorstand oder einfach Vorstand den Begriff Lehrdienst in vielen Gemeinden größtenteils abgelöst.
Andreas F. Sawatzky