Gebetswoche

Erstmalig scheint der Begriff Gebetswoche auf der großen vierzehntägigen Allianzkonferenz Ende August bis Anfang September 1846 in Bad Blankenburg, Deutschland, geprägt worden zu sein. Damals ging es darum, dass sich die 921 Vertreter aus den verschiedenen evangelischen Gruppierungen der europäischen Länder dazu verpflichteten, in ihren Gemeinschaften jedes neu angetretene Jahr mit einer Gebetswoche zu beginnen. Dabei sollten Gebetsanliegen von allgemeinem Interesse behandelt werden.
Der Beschluss war verpflichtend und so kamen die Programme für die Gebetswoche durch die Vertreter auch in die mennonitischen Gemeinden in Russland und nach der Auswanderung durch das Evangelische Allianzblatt in den >Chaco. Im Programm der Gebetswoche vom 6. bis zum 11. Januar 1930 sind im Evangelischen Allianzblatt folgende Themen angegeben: Montag, 6. Januar: Der Gnadenreichtum Gottes in Christo Jesu. Dienstag, 7. Januar: Die allgemeine christliche Kirche – der eine Leib, dessen Haupt Christus ist. Mittwoch, 8. Januar: Die Völker und ihre Regierungen. Donnerstag, 9. Januar: Äußere Mission. Freitag, 10. Januar: Familie und Jugend. Samstag, 11. Januar: Innere Mission.
Die Verordnung der Gemeinden, jedes neu angetretene Jahr mit einer Gebetswoche zu beginnen, wurde also von Russland mitgebracht und im Chaco weiter gepflegt.
Die erste Gebetswoche der Fernheimer Gemeinschaft wurde an den Abenden vom 1. bis zum 7. Januar 1932 abgehalten. Das Programm war von den Predigern Nikolai >Wiebe, Johann Teichgräf, Nikolai >Siemens und Lehrer Wilhelm >Klassen als Schreiber ausgearbeitet worden. Darin sind folgende Gebetsanliegen genannt: – Danksagung für leibliche und geistliche Güter, Fürbitte für das Mennonitische Hilfswerk und die Landesregierung. Beugung ob unserer Missetaten, Unterlassungssünden und Trägheit. – Gebet um Heiligung, unwandelbaren Glauben, reges Gebetsleben, entschiedenes Vorgehen gegen die Sünde. Bitte um Mut und Ausdauer in Widerwärtigkeiten. – Bitte um irdischen Segen in unserer neuen Heimat und um die Befriedigung der verschiedenen geistlichen Bedürfnisse: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. – Gebet für Russlands Not und Jammer unter dem furchtbaren Druck des Antichristen, unter dem Zeichen der Einigung aller Kinder Gottes zur geschlossenen Fürbitte für die Verfolgten. – Mission: Tausende Missionare treiben für das Reich Gottes Mission. Aber hundertmal mehr ringen in Russland und anderen Ländern für Satan. Sei ein ganzer Mann für Gottes Reich. – Familie, Schule, Jugend, Eheleben, Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. – Das Kommen des Herrn und des Antichristen und die Vereinigung aller Gläubigen zum letzten Entscheidungskampf. Darum hebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht.
In den Ansiedlungsjahren war es im Chaco schwierig, die Gebetsprogramme der Evangelischen Allianz rechtzeitig zu erhalten. Die >KfK Fernheims hat sich jedoch darum bemüht, dass Programme vorbereitet wurden. So ist im Protokoll einer KfK-Sitzung vom 10. Dezember 1935 nachzulesen, dass die Prediger von Lichtfelde, Heinrich B. Friesen und Heinrich Unruh, beauftragt werden, ein Programm für die Gebetswoche 1936 auszuarbeiten. Im Protokoll einer KfK-Sitzung vom 20. Oktober 1936 ist zu lesen, dass die Prediger von Friedensruh Johann Teichgräf, Johann Vogt, Johann Käthler und Bernhard Wall ein Gebetsprogramm ausarbeiten und bei Nikolai Siemens drucken lassen sollen.
Durch die Jahrzehnte hat die KfK zu den Gebetsversammlungen eingeladen. Die gute oder weniger gute Beteiligung war auch immer ein Gradmesser für den geistlichen Stand der Gemeindeglieder.
Die Gebetswoche zu Beginn des Jahres ist eine bestehende Ordnung im Ablauf des Kirchenjahres der mennonitischen Gemeinschaft im Chaco. Durch den Einsatz der Evangelischen Allianz wurde erreicht, dass die Gebetswoche zu Beginn des Jahres weltweite Beachtung innerhalb der evangelischen Christenheit erhielt. Die Gebetsprogramme werden rechtzeitig versandt und sind in den letzten Jahren auch im Internet abrufbar.
Die in den Gebetsprogrammen vorgesehenen Themen, Bibeltexte und Ausführungen kommen zur Anwendung. Doch wird den Lokalgemeinden das Recht zuerkannt, die Gebetsanliegen der jeweiligen Situation ihrer Gemeinschaft mit einzubeziehen.
Die Tatsache und das Wissen darum, dass sich die Gläubigen weltweit zu Beginn des Jahres dem Schutz und der Führung ihres Vaters im Himmel anvertrauen, gibt dem einzelnen Christen Zuspruch und Geborgenheit.
Klaus Löwen
Evangelisches Allianzblatt, Jahrgang 1930; Protokolle von Sitzungen der KfK 1932, 1935, 1936, 2001, 2005; Peter Wiens: Mennoblatt 28 (1957) 2, S. 1.