Schlachtring

Die Versorgung mit den allernotwendigsten Grundnahrungsmitteln war seit der Gründung der Chacokolonien eine ständige Herausforderung. Gewisse Grundnahrungsmittel konnte man hier selber in den Gärten produzieren. Aber Mehl, Zucker, Zutaten und vieles mehr musste auf oft unsagbar schwierige Weise über >Puerto Casado, die Schmalspurbahn und dann den 100 km langen Erdweg bis in die Siedlungen herangeschafft werden. Ein wichtiges Thema war auch die Versorgung mit Fleisch. Anfänglich lieferte die >Corporación Paraguaya in gewissen Abständen Schlachtvieh. Eine regelmäßigere Versorgung mit Rindfleisch wurde erst in begrenztem Maße möglich, als in den Siedlungen gezüchtetes Schlachtvieh zur Verfügung stand. Ein Problem war die Verteilung und Aufbewahrung. Die Genossenschaften bemühten sich, in den Koloniezentren eine Infrastruktur zu entwickeln, um die nahe gelegenen Ortschaften mit Fleisch zu versorgen. Die weiter entfernteren entwickelten ein eigenes System: den Schlachtring. Zu diesem Zweck schloss sich eine Gruppe von Siedlern zusammen, die reihum ein entsprechendes Rind lieferten. Geschlachtet wurde ein- oder zweimal pro Woche, je nachdem wie sich die Gruppe – der “Ring” – geeinigt hatte. Jeder Beteiligte konnte dann bei jeder Schlachtung ein von ihm gewünschtes Quantum Fleisch beziehen, bis das Volumen, das das von ihm gelieferte Rind erbracht hatte, aufgebraucht war. Dieses System hat über viele Jahre in verschiedenen Regionen der Chacokolonien sehr gut funktioniert. Auf einigen wenigen Stellen besteht dieses System heute noch. Durch die Elektrifizierung sind die Möglichkeiten, Fleisch zu verteilen und aufzubewahren, viel differenzierter geworden. Dadurch hat ein Gemeinschaftssystem, das jahrzehntelang einen ganz wichtigen Beitrag zur Lebensmittelversorgung geleistet hat, an Bedeutung verloren.
Wie so ein Schlacht- oder auch Fleischring organisiert wurde, schreibt Martha Friesen aus der Kolonie >Bergthal an ihre Freunde in Kanada am 22. März 1957: Ein Fleischring wurde hier organisiert und funktioniert gut: Ein Ring besteht aus 24 Mitgliedern und jeder muss im Laufe des Jahres einen Stier von einem gewissen Gewicht liefern. Der Stier wird an einem festgelegten Tag zum Schlachtort gebracht und der Schlachter zerteilt das Tier in 24 Teile. In 24 Wochen erhält jeder das Fleisch eines Ochsen und hat somit jede Woche frisches Fleisch. Die Männer machen die Fleischverteilung der Reihe nach, so dass der Einzelne weniger Arbeit hat. Andere Dörfer planen nun das Gleiche zu tun.
Edwin Neufeld/Gerhard Ratzlaff