Weltabgewandtheit

Die Mennoniten gehörten nach ihrem traditionellen Selbstverständnis zum Reich Gottes, das klar geschieden ist vom Reich dieser Welt.
Welt war dabei der Inbegriff aller diesseitigen Maßstäbe: Mode, Reichtum, politische Macht, Kunst und Kultur, Sport, moderne Technik, Streben nach Anerkennung, übertriebene Lebensfreude u. v. a. Man war also darauf bedacht, sich nicht vom Himmelreich durch die Verlockungen der Welt abbringen zu lassen. Für viele Gläubige wurde allerdings oft die Frage, was weltlich und ein Anzeichen persönlichen Hochmutes ist, zum kleinlichen Zankapfel. So gab es den Streit um die Benutzung von Knöpfen statt Haken und Ösen, um ein- oder mehrstimmigen Gesang, die dialektal gefärbte Aussprache der hochdeutschen Laute (Alphabet: Au, Bej, Cej statt A, Be, Ce) oder die Nutzung von Errungenschaften der modernen Technik wie elektrisches Licht, Radio oder Autos.
In manchen Kolonien der Alt-Kolonier (>traditionelle Mennoniten) ist die Diskussion über die Nutzung privater Autos noch in vollem Gange und in manchen werden aus diesem Grund Traktoren nur mit Eisenreifen zugelassen.
In den aufgeschlosseneren Kolonien (>Mennoniten in Paraguay) sind nur noch wenige Spuren dieser Tradition zu erkennen. Dazu hat wohl vor allem der materielle Wohlstand beigetragen. Dieser führt insgesamt zu einer verstärkten Diesseitsorientierung: Man strebt nach möglichst großem wirtschaftlichen Erfolg in Landwirtschaft oder Handel. Man zeigt gerne seinen Besitz in Form großer Häuser und Autos. Kunst und Kultur finden mittlerweile bei einer kleinen, aber wachsenden Gruppe Anklang. Feste mit reichhaltigen Mahlzeiten, Ausflüge und Reisen werden gerne organisiert. Eine konsumkritische Haltung hat die ursprüngliche Weltabgewandtheit allerdings nicht begünstigt.
Die mit der Weltabgewandtheit oft auch spürbare Verschlossenheit der Menschen ist einer gewachsenen Offenheit gewichen. (>Absonderung)
Michael Rudolph