Braun, Margarete

Margarete Braun (1908 – 1993) oder “unsere Tante Grete”, wie sie von ihren fünf Nichten und Neffen genannt wurde, wurde im Jahr 1908 noch in der “guten alten Zeit” in Gnadenfeld, Molotschnaja, Russland, geboren und verlebte dort eine glückliche Kindheit und Jugendzeit. Doch 1930 begann die Flucht ihrer Familie vor der sowjetischen NKWD (Geheimdienst), die sie zuerst in den Kaukasus und dann nach Kirow und Mokroje im nördlichen Russland führte. Trotzdem wurden in den Jahren 1937/8 alle Männer der Familie (Großvater, Vater und Onkel) von der NKWD verschleppt, und sie haben sie nicht mehr wieder gesehen.
Margarete Braun wurde nun der Haupternährer der großen Familie von neun Personen (Großmutter, die zwei Schwestern ihres Vaters, ihre eigene Schwester mit fünf Kindern). Sie hatte im Kaukasus einen Buchhalter-Kursus abgeschlossen und arbeitete jetzt als Buchhalterin in Kirow und später als Deutschlehrerin an der Sekundarschule in Mokroje. Ihre Mutter und ihre Schwester Suse nähten Kleider für andere Leute, um noch etwas hinzu zu verdienen.
Während des Zweiten Weltkrieges, im Januar 1942, begann dann mit dem Rückzug der deutschen Wehrmacht die Flucht nach Westen bis nach Polen. Spätestens während dieser Flucht in offenen Schlitten bei 50º Grad unter Null wäre die Familie ohne ihre Tante Grete wahrscheinlich umgekommen. Sie war es, die immer vorangehen musste: mit Unterstützung der Deutschen Wehrmacht neue Pferde und Schlitten besorgen, etwas zum Essen und Trinken beschaffen, und vor allem den Mut aufrecht erhalten.
Nach etwa vier Jahren und dem Aufenthalt an verschiedenen Wohnorten in Polen und Deutschland landete die Familie dann schließlich im MCC-Flüchtlingslager in Gronau/Westfalen. Hier begann die 40-jährige Arbeit von Margarete Braun beim MCC: zuerst in Gronau im Jahr 1947 und nach der Auswanderung nach >Paraguay dann beim MCC in Asunción. Ihr erster Chef in Gronau war Peter >Dyck. Als sie später mit 78 Jahren in den Ruhestand trat, hieß es in einem Artikel zu ihrem Abschied in der Mennonite Weekly Review u. a.: Für viele in Paraguay war Margarete ein Symbol für effiziente und ehrliche Verwaltungsarbeit. Sie ist selbstbewusst, zuverlässig, scheut keine harte Arbeit, ist aufrichtig und tüchtig. Ihre Arbeit bestand darin, die MCC-Gelder für Projekte in Paraguay zu verwalten und weiterzuleiten, Post zu befördern und die Bücher zu führen.
Peter >Dyck sagt in demselben Artikel: Mit ihren Fähigkeiten hätte Margarete viele andere Arbeitsangebote bekommen, aber sie traf die bewusste Entscheidung, armen Leuten durch die Gemeinden zu helfen. Kurz vor ihrem Ruhestand sagte sie: Obwohl die Arbeit hier abnimmt, habe ich das innere Gefühl, dass mein Leben nicht sinnlos gewesen ist. Elfrieda und Peter Dyck erwähnen in dem obigen Artikel auch Margaretes wunderbaren Sinn für Humor. Sie konnte lachen, auch wenn sie selbst dabei die komische Figur spielte. So hat sie vor vielen Jahren die nachstehende Geschichte selbst ans >Mennoblatt geschickt, weil sie diese so lustig fand. (gekürzt) Es war in unseren ersten Jahren in Paraguay. Wir mussten noch alle mit dem Bus oder der Straßenbahn zur Arbeit fahren, die hierzulande oft sehr plötzlich und ruckweise zu bremsen pflegen. Und bei einem solchen Ruck setzte sich die aus Platzmangel stehende Tante Grete mit einem leichten Plumps einem wildfremden Herrn auf den Schoß. In ihrem ersten Schrecken fiel ihr nicht gleich das richtige Wort für “Verzeihung” (perdón) ein, und so sagte sie stattdessen Con permiso (Mit Verlaub, gestatten Sie bitte!). Worauf der höfliche Herr sich beeilte, ihr zu versichern: Sí, sí, cómo no, con mucho gusto (Ja, ja, warum denn nicht, mit viel Vergnügen). Margarete Braun starb am 1. Juli 1993.
Elisabeth L. Wiens
Mennonite Weekley Review, 24. September 1987, S. 10; Elisabeth L. Wiens: Wir die Braunskinder. Filadelfia, Paraguay 1999 und 2000.