Hermanos Libres, auf Deutsch Freie Brüder oder Offene Brüder, nennt sich eine Bewegung, die in England im Jahre 1826 begann. Nach einem ihrer Theologen, John Nelson Darby (1800 – 1882), der die Bewegung stark geprägt hat, werden sie auch Darbysten genannt oder auch Plymouth Brüder nach dem Ort ihrer Versammlungen. Sie selber lehnen diese Bezeichnungen ab. Einer ihrer einflussreichen Vertreter, der auch unter den Mennoniten sehr bekannt war, ist der Waisenvater Georg Müller.
Nach Deutschland kam die Bewegung als der Freie Brüderkreis 1894 und eines ihrer Zentren ist die Bibelschule in Wiedenest im Rheinland. Sie wurde von Mennoniten aus Russland, Kanada und Südamerika gerne besucht. Aus Paraguay besuchte Hans Legiehn (Russlanddeutscher) diese Schule, deren Lehrer er später wurde. Im Jahr 1954 veröffentlichte Hans Legiehn eine biblische Glaubenslehre für die Mennoniten in Südamerika unter dem Titel Unser Glaube ist der Sieg. Geprägt wurden die Mennoniten Paraguays in ihrem theologischen Denken durch die Bücher von Erich Sauer, langzeitiger Lehrer (1919 – 1959) und dann Leiter dieser Bibelschule. Der Dispensationalismus (>Heilsplan) drang durch die Offenen Brüder zu den Mennoniten und die Elberfelder Bibel wurde als wortgetreue Übersetzung bei den Mennoniten in Paraguay gerne gebraucht. Viel christliche Lektüre beziehen die Mennoniten in Paraguay heute noch aus dem bekannten christlichen Verlag R. Brockhaus, Wuppertal.
Einige besondere Merkmale der Freien Brüder, die sie von den Mennoniten unterscheiden, sind: Es gibt kein für die Gemeinden verbindliches Glaubensbekenntnis und keine übergemeindlich verbindlichen Gemeindezusammenschlüsse. Die Autonomie der Lokalgemeinden wird stark betont. Weiter unterscheiden sie sich von den Mennoniten durch ihre Lehre von der ewigen Sicherstellung der Gläubigen und in ihrer zustimmenden Stellung zum Kriegsdienst. Dies trifft besonders auf die Hermanos Libres in Paraguay zu.
Nach Paraguay wurde die Bewegung der Offenen Brüder oder Hermanos Libres im Jahre 1908 durch Missionare aus Neuseeland gebracht. Diese steht jedoch in keiner Beziehung zu den Offenen Brüdern in Deutschland. Sie zeichnen sich durch starke evangelistische Arbeit und Verbreitung der Bibel aus. Große Aufmerksamkeit gewannen sie durch ihr Missionsschiff, das den Río Paraguay entlang fuhr und in allen Häfen missionarische Einsätze organisierte. So entstanden viele Gemeinden der Hermanos Libres. Eine ihrer bekanntesten Persönlichkeiten ist Dr. Reinaldo Julian Decoud Larrosa, bekannt als Experte der Guaranísprache und zeitweiliger Berater des Präsidenten General Alfredo Stroessner. Von ihm haben sich auch die ersten mennonitischen Missionare in Asunción vielfach beraten lassen. Ihre Kirche auf der Rodríguez de Francia und Independencia Nacional stellten sie den Mennoniten, als diese in Asunción noch keine eigene Kirche hatten, großzügig für ihre Gottesdienste an den Sonntagnachmittagen zur Verfügung. Als die Mennoniten begannen, Missionsschulen in Asunción zu gründen, haben eine große Anzahl Lehrer aus den Gemeinden der Hermanos Libres (neben >Baptisten) hier unterrichtet.
Gerhard Ratzlaff
Roberto Cabrera Coenes und Esther Harris de Dacoud: Como un Diamante: Reseña biográfica y pensamientos de Reinaldo Julian Decoud Larrosa. Asunción: Publicaciones Aguila, 1996; Amado R. Torres E.: Agua, Tierra y Gloria. Asunción: Fundación Evangélica Misionera del Paraguay, 2008; Rogelio Duarte: El desafio del protestantismo en el Paraguay. Asunción, 1994; Guillermo Milován: La Biblia en el Paraguay. Montevideo – Asunción, 1980; Rodolfo Plett: El Protestantismo en el Paraguay: Su aporte cultural, económico y espiritual. Asunción: Facultad Latinoamericana de Estudios Teológicos, 1988; Ulrich Kunz (Hg.): Viele Glieder Ein Leib: Das Buch der Freikirchen. Stuttgart: Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft, 1961, S. 266-282.