Seminario Evangélico Mennonita de Teología

Nachdem in den dreißiger und vierziger Jahren mennonitische Siedlungen in den Ländern Paraguay, Brasilien, Uruguay, Argentinien und Bolivien entstanden waren, deren Bewohner sofort auch Gemeinden gründeten, erkannte man sehr bald die Notwendigkeit, über besser ausgebildete Kräfte für Gemeinden und Missionsarbeit zu verfügen. Einige Jugendliche erhielten Stipendien, um in den USA oder in Kanada zu studieren. Dies befriedigte auf die Länge nicht, da durch die lange Abwesenheit eine gewisse Entfremdung entstand. Zudem war die englische Sprache in einem lateinamerikanischen, spanischsprachigen Kontext im täglichen Umgang mit der Landesbevölkerung nicht anwendbar.
Durch die Missionsarbeit der Altmennoniten in Argentinien seit 1917 waren dort bereits 22 spanischsprachige Gemeinden entstanden, die bald im Bibelinstitut in Bragado nationale Gemeindearbeiter für die Missionsarbeit ausbildeten. Da in Paraguay zu jener Zeit nur eine Wanderbibelschule existierte, gingen auch vereinzelt Studenten nach Bragado, Argentinien, z. B. Martin Dürksen, Albert >Enns und Hans >Wiens. Dadurch entstanden wertvolle Kontakte zwischen der Mission der Altmennoniten in Argentinien und den deutschsprachigen >Mennonitengemeinden in Paraguay. Besonders war es der Bischof Nelson >Litwiller, der bereits die >Kolonien kennen gelernt hatte und auch an den Hilfsdiensten während der Ankunft der Flüchtlingstransporte in den Jahren 1947 – 1952 mitgewirkt hatte, der im Anblick Hunderter von Jugendlichen der deutschsprachigen mennonitischen Siedler ein riesiges Potential für die Zukunft der Missionsarbeit in Südamerika sah. In zäher Arbeit gelang es ihm, in anderen Gemeinden die Vision zu wecken, ein gemeinsames Bibelinstitut ins Leben zu rufen.
Obwohl das Bibelinstitut in Bragado ein viel versprechender Ansatz für die Ausbildung von Gemeindearbeitern und Missionaren für die jungen und aufstrebenden Missionsgemeinden war, würde es wohl für die Gesamtheit der Mennonitengemeinden in Südamerika kaum Anziehungskraft entfalten können, die eine gemeinsame Bildungsanstalt gewährleisten könnte. Es müsste ein gleichermaßen neutraler wie auch zentral gelegener Standort gefunden werden, der als Integrationszentrum sowohl für Studentinnen wie Studenten aus dem Kontext der eingewanderten Gemeinden als auch für den lateinamerikanischen Hintergrund attraktiv wäre.
Im Blick auf diese Situation öffnete dann im April 1956 das Seminario Mennonita de Teología (SEMT) in Montevideo, Uruguay, für die ersten zwölf Studenten die Türen. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der theologischen Bildung unter den Mennoniten im Cono Sur.
Nachdem das Bibelinstitut von Bragado im Jahre 1959 voll in das Bibelseminar in Montevideo integriert worden war, besuchten bis zu 45 Studenten aus Argentinien, Paraguay, Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Mexiko, Belgien und Spanien jährlich das Seminar.
Eine Welle von Freiheitsbewegungen ergoss sich in den sechziger Jahren über Lateinamerika und bestimmte das politische und soziale Leben für Jahrzehnte. Uruguay wurde Ende der sechziger Jahre auch davon erfasst. Die Anfänge dieser Bewegung verliefen friedlich. Als die Bewegung jedoch mit militärischer Gewalt unterdrückt wurde, entgegnete sie auch mit Gewaltmaßnahmen. Die evangelische Kirche in Uruguay blieb nicht unberührt von dieser politischen Unruhe. Auch die mennonitische Glaubensgemeinschaft wurde stark davon beeinflusst und somit schlugen die Wellen auch auf das SEMT über. Die Auswirkungen dieser sozialen Unruhen machten sich unter Studenten und Dozenten des SEMT bemerkbar. Aufgrund von Missverständnissen wurden sogar ein Lehrer und ein Student aus der SEMT-Familie verhaftet.
Der politische, soziale und wirtschaftliche Druck, unter dem Dozenten und Studenten des SEMT arbeiten mussten, führte zu einer Neubesinnung über die Wirklichkeit der Gemeinde Jesu in einer von Gewalt und Ungerechtigkeit gezeichneten Umgebung. Die so genannte re-lectura (aus neuer Perspektive lesen) der Bibel, wie sie vom Direktor und Professor des SEMT, John Driver, formuliert wurde, brachte sehr fruchtbare Ansätze einer Neubesinnung auf das anabaptistische Erbe. Alle diese sehr positiven Ansätze, die bis heute in verschiedenen Publikationen, insbesondere von Dr. John Driver, über ganz Lateinamerika und Spanien ihren fruchtbaren Widerhall gefunden haben, konnten das langsame Abkühlen des Verhältnisses der Mehrheit der deutschsprachigen Mennoniten in Paraguay dem SEMT gegenüber nicht aufhalten. Die politischen und sozialen Komponenten in Paraguay unterschieden sich zu sehr von denen, die in Uruguay maßgebend waren. Die theologischen Einschätzungen der Mehrheit der geistlichen Führungskräfte, besonders in Paraguay, lagen weit entfernt von dem, was in Uruguay die Wirklichkeit gebot. Schließlich wurde das SEMT in Montevideo in der Gestalt, wie es durch 18 Jahre gearbeitet hatte, geschlossen. Eine so genannte Neuauflage begann 1977 in Asunción, Paraguay, die sich zu der Institution entwickelte, die heute mit dem Namen >CEMTA bezeichnet wird.
Die Bedeutung des SEMT war viel weitreichender, als anfänglich gesehen. Eine Neuorientierung der Missionsarbeit in Paraguay war eine der unmittelbaren Folgen. Ex-Studenten aus der Mennonitengemeinde, der Mennoniten Brüdergemeinde und der Evangelisch Mennonitischen Bruderschaft waren federführend in der aufblühenden Missionsarbeit in Paraguay. Im Bereich der Erziehungs- und Gemeindearbeit waren überall Ex-Studenten des SEMT zu finden, sowohl in der Leitung als auch auf anderen Ebenen. Ein neues Verständnis der kulturellen, politischen und sozialen Verhältnisse der lateinamerikanischen Wirklichkeit machte sich bemerkbar. Von großer Wichtigkeit waren die Kontakte zu den spanischsprachigen Gemeinden in Argentinien und Uruguay, zum Teil bedingt durch den persönlichen Einsatz deutschsprachiger Studenten während ihres praktischen Jahres. Kontakte zu Ländern wie Argentinien, Kolumbien, Mexiko und Chile sind Folgen persönlicher Bekanntschaften. Offenheit und Toleranz anderen Kulturen gegenüber waren schöne Blüten dieses Frühlings. Die Frage bleibt: Wer unterhält diese Kontakte, wenn die SEMT-Generation die öffentliche Bühne verlässt?
Walter Thielmann