Täufer

In Paraguay wie auch in anderen Teilen der Welt, berufen sich die Mennoniten immer wieder auf ihr “täuferisches Erbe”.
Die Täufer oder auch Taufgesinnten (von den Gegnern verächtlich Wiedertäufer genannt, um “rechtlich” verfolgt zu werden) sind die Vorläufer der Mennoniten. Ihr Ursprung ist auf den 25. Januar 1525 in Zürich zurückzuführen, als sich eine Anzahl Brüder (sie bezeichneten sich als “Brüder in Christo”) von dem Züricher Reformator Ulrich Zwingli trennten, weil sie meinten, dass er die Kirchenreform nicht radikal genug durchführte und sich von einigen biblischen Prinzipien, die er zunächst vertreten hatte, aus praktischen und politischen Gründen entfernt hätte. Dies betraf die Einführung des Abendmahls als eine symbolische Handlung anstatt der katholischen Messe, die eine mysteriöse Wiederholung des Opfertodes Jesu darstellte. Außerdem vertraten die “Brüder” die Glaubenstaufe an Erwachsenen nach Buße und Bekehrung und verwarfen den Eid und jede Form von Gewaltanwendung. Die Stellung der Schweizer Täufer in Glaubensfragen und ihrer praktischen Anwendung ist im >Schleitheimer Bekenntnis festgehalten, das am 24. Februar 1527 in Schleitheim, Schweiz, formuliert wurde und der sich auch Täufer aus Süddeutschland anschlossen.
Die Täuferbewegung breitete sich über weite Teile in Europa aus: Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien und die Niederlande. Doch nun sollte man nicht meinen, dass die Täufer eine einheitliche Front bildeten und einem “Leitbild” folgten, wie Harold S. >Bender es einmal dargestellt hat. In einem Punkt waren sich wohl alle Täufer einig, nämlich in der Anwendung der Glaubenstaufe. Darüber hinaus gab es große Meinungsverschiedenheiten auch unter den Täufern, die oft hart aufeinander prallten, so dass gelegentlich von einem “täuferischen Wildwuchs” gesprochen wird.
Das Täufertum in den Niederlanden entstand nicht durch eine täuferische Wanderung, sondern war eine eigenständige Bewegung, die der schwärmerisch und apokalyptisch ausgerichtete Melchior Hoffman (1495 – 1543) ab 1530 nach Norddeutschland und in die Niederlande brachte (Damals bestanden die heutigen politischen Grenzen noch nicht). Hier spaltete sich das Täufertum in zwei Strömungen, eine revolutionäre und eine friedliche. Die erste artete in das “Wiedertäuferreich in Münster” (1534 – 1535) aus und brachte auch die friedlichen Täufer in Misskredit, obwohl sich diese von ihr entschieden distanzierten. Der friedlichen Strömung schloss sich >Menno Simons 1536 an, zu einer Zeit, als die Täuferbewegung sich in einer äußerst schweren Notlage befand. Der friedliche Menno Simons war ihr Retter und nach ihm erhielten die friedlichen Täufer den Namen “Meniten”, “Mennisten”, “Mennonisten” und schließlich Mennoniten.
Die Entscheidung der Namensänderung trafen nicht die Täufer und auch nicht Menno Simons, sondern die politische Obrigkeit. Zum ersten Mal kommt der Name “Meniten” 1544 in den Vorarbeiten zur Polizeiordnung der Gräfin Ana von Ostfriesland und 1545 in der Polizeiordnung selbst vor. Hier werden die “Meniten” als friedlich gekennzeichnet, die nicht zu fürchten seien, d. h. man müsse sie nicht verfolgen, im Gegensatz zu den Anhängern der münsterischen Bewegung, den Wiedertäufern. So wurde der Name Mennonit zu einem Schutznamen, d. h. sie fielen nun nicht unter das Edikt von Speyer 1528/29, das die Landesherrn dazu verpflichtete, “Wiedertäufer” zu verfolgen und auszurotten. So wurde der Name “Mennonit” zur Bezeichnung für die Täufer Norddeutschlands und Preußens und später auf der ganzen Welt. Nur die holländischen Mennoniten sind bei dem Namen “Taufgesinnte” (“Doopsgezinde”) geblieben, weil dort “Mennonit” zum Parteinamen wurde.
Das russische Mennonitentum ist entscheidend durch Menno Simons geprägt worden und nicht durch die schweizerischen und süddeutschen Täufer. Ihre Geschichte führten sie auf Menno Simons zurück. Die Berufung auf die Täufer der Schweiz und Süddeutschlands unter Russlandmennoniten ist neueren Datums und zum Teil dem Einfluss der amerikanischen Mennoniten seit dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken.
Gerhard Ratzlaff
H. S. Bender: “Das täuferische Leitbild”. In: Guy F. Hershberger: Das Täufertum: Erbe und Verpflichtung. Stuttgart: Evangelisches Verlagswerk, 1963; Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Bremen: Carl Schünemann Verlag, 1962; Heinold Fast: “Wie sind die oberdeutschen Täufer ´Mennoniten´ geworden?” In: Mennonitische Geschichtsblätter, 1986/87, 80-104; Diether Götz Lichdi: “Aus Täufern wurden Mennoniten”. In: Paul Warkentin u. Diether Götz Lichdi: Typisch mennonitisch: miteinander, nebeneinander, zueinander. Arbeitsgemeinschaft der Mennonitengemeinden in Deutschland und der Bund der Europäischen Mennonitischen Brüdergemeinden [1993], S. 13-18; Hans-Jürgen Goertz (Hg.): Umstrittenes Täufertum 1525 – 1975: Neue Forschungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1975; Franklin H. Littel: Das Selbstverständnis der Täufer. Kassel: J.G Oncken Verlag, 1966.