Knochenarzt

Knochenarzt oder Trajchtmoaka (>Zurechtmacher) nennt man die typischen mennonitischen Laienheiler. Es gibt Männer und Frauen, die diese Tätigkeit ausübten. Sie sind in jeder >Kolonie Teil der mennonitischen Kultur. Die Heilmethode basiert vorrangig auf manueller Manipulation von Knochen, Gelenken und Bindegeweben, die je nach Heiler von stark grob bis zart variieren kann, begleitet von Worten mit stark psychologischer Wirkung. Während seine Hände am Hilfesuchenden arbeiten, stellt der Heiler Diagnosen (manchmal fantastische), macht Prognosen (oft recht drastische), verspricht Heilung (oft dramatische) und vermittelt Hoffnung, – genau das Wunschpaket jedes Kranken. Der Prozess gipfelt und wird getragen von zwei magischen plattdeutschen Worten: “tonicht senne” und “trajcht senne”. (Die direkte hochdeutsche Übersetzung “nicht in Ordnung sein” und “zurecht sein” sagt bei weitem nicht dasselbe aus). Trajchtmoake hat für die plattdeutsche Seele eine tiefe heilende Bedeutung.
Wo nimmt der Knochenarzt sein Wissen her? Die meisten haben sich ihr Wissen durch eigene Erfahrung angeeignet. Manche haben auch ein gewisses medizinisches Vorstudium, manche haben versucht, sich weiterzubilden. Oft hat es Spannungen zwischen Ärzten und Knochenärzten gegeben, hauptsächlich weil erstens ungeschulte Volksheiler doch manchmal grobe medizinische Fehler begehen, und zweitens weil die Ärzte die Heildynamik bei den Volksheilern wenig verstehen.
Wenn einfühlsame, gewissenhafte Trajchtmoakasch neben ihren Patienten sitzen, ihnen den Nacken und den Rücken massieren, dabei sanft auf sie einsprechen, ihnen Ratschläge für ihre Familienprobleme geben, ihnen Mut zusprechen, vielleicht auch noch still für sie beten, dann sind sie Physiotherapeut, Psychotherapeut und Seelsorger in einem. Der Mensch fühlt sich ernst genommen und fährt getröstet nach Hause. Viele Trajchtmoakasch erfreuen sich großer Beliebtheit im Volk. (>Epp, Katharina)
Hans E. Epp