Wall, Jakob J.

Jakob Wall (1885 – 1958) wurde am 13. März 1885 in Ackermann, Taurien, Ukraine, geboren. Seine Eltern waren Jakob und Maria Wall, geborene Nachtigal. Da seine Mutter schon einige Tage nach der Geburt starb, wurde er von seiner Großmutter erzogen. Mit 17 Jahren verlor er durch einen Unfall beim Dreschen die vier Finger seiner linken Hand. Dieses Ereignis beeinflusste sowohl seine Entscheidung zur Christusnachfolge als auch zum Verkündigungsdienst. Mit 25 Jahren wurde er vom Ältesten Gerhard Wiens zum >Prediger ordiniert. Der Bitte der Gemeinde, auf die im Jahr 1905 in Berlin gegründete Bibelschule für innere und äußere Mission (ab 1919 in Wiedenest) zu gehen, konnte er wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht nachkommen.
Sein Beruf als Prediger sowie auch die sozial-politischen Umstände führten dazu, dass er häufig seinen Wohnort wechselte. Mit 15 Jahren zog er nach Ufa am Ural. Als 20-Jähriger heiratete er seine “zusammengebrachte Schwester” (Tochter seiner Stiefmutter) Maria Penner und sie zogen bald darauf mit ihren zwei kleinen Kindern zu den Großeltern auf deren Chutor “Birkenwald” in die Nähe von Issilkul, im Omsker Kreis. Der nächste Wohnort war Alexeifeld im Orloffer Wolost, etwa 60 km von Slawgorod entfernt. Zweimal ist er dann wieder für je zwei Jahre zurück zu seinen Eltern gezogen. Von Alexeifeld zog die Familie schließlich 1929 zum Amur, wo er sich bis zur Flucht nach China im März 1931 in einem russischen Dorf versteckt hielt. Am 22. Februar 1932 begann die dreimonatige Reise nach Paraguay, wo sie am 13. Mai ankamen und im Dorf Schönau Nr. 17 ansiedelten. Von 1941 bis 1952 ist Jakob Wall in verschieden langen Zeitabschnitten dreimal bei den russischen Baptisten-Gemeinden in Fram, Carmen, Encarnación und dem argentinischen Misiones tätig gewesen. Das gab ihm auch die Gelegenheit, mit seinem jüngsten Sohn einige Jahre zusammen im Gemeindedienst zu arbeiten. Im Jahre 1947 erlitt er einen Anfall, durch den er beinah ganz sein Hörvermögen verlor. Mit 73 Jahren starb er am 30. Juni 1958 im Krankenhaus von Filadelfia.
Das Leben von Jakob Wall lässt sich am besten mit folgenden vier Stichworten beschreiben: Reiseprediger, Evangelist, Bibelkolporteur, Ausleger des Heilsplans. Das Predigtthema bei seiner Ordinationsfeier “Hast du mich lieb?” hat ihn sein ganzes Leben lang begleitet. Als er sich selbst nach 50-jährigem Dienst Rechenschaft ablegte, stand diese Frage seines Herrn immer noch im Zentrum seines Denkens. Da er keine theologische Ausbildung hatte machen können, wurde er gezwungenermaßen ein Autodidakt. Theologisch haben ihn Spurgeon, Erich Sauer und Vertreter der Auslegung nach dem so genannten “Heilsplan” beeinflusst.
Jakob Wall war mit Leib und Seele evangelistischer Reiseprediger. Dank seiner Kontakte zu den Baptisten in Moskau erhielt er von der Bibelgesellschaft aus London eine Einladung, ihr Kolporteur zu werden. Auch erwirkten die russischen Baptistenprediger aus Moskau ihm von der Zarenregierung einen Gratis-Schein für die Benutzung aller russischen Züge (außer Schnellzügen). Sehr geschickt verband er Evangelisation mit Bibelverbreitung. Seine vieljährige Erfahrung als Bibelverkäufer hat seinen Verkündigungsdienst außerordentlich bereichert. Aber nicht nur die deutsch-mennonitischen Gemeinden West-Sibiriens bereiste er; darüber hinaus hat er in vielen russischen Gemeinden Evangelisationen und Predigerschulungen durchgeführt. Als er sich in den späten zwanziger Jahren vor den Regierungsbeamten versteckte, hielt er sich mit der Familie in einem russischen Dorf auf. Der älteste Sohn musste auf Arbeit gehen. Doch er evangelisierte, anstatt sich versteckt zu halten.
Auch in Harbin, China, war er unterwegs, einmal, um die religiöse Sachlage in der Stadt zu erfassen (in einem Schreiben an Dein Reich Komme erwähnt er Baptisten, Methodisten, Adventisten und Pfingstler Gemeinden, die er in Harbin entdeckte) und dann auch, um Kontakte zu knüpfen. Er schreibt sogar von einer Missionsreise (12 Std. Zugfahrt) ins Landesinnere, wo aber wegen der begrenzten Mittel keine weitere Arbeit angefangen werden konnte.
In >Fernheim, Paraguay, reiste er mit Ochsenwagen, zu Fuß oder zu Pferd von Dorf zu Dorf. Der Indianermission schenkte er auch großes Interesse, obwohl er dann doch bald der Einladung in die russischen Kolonien in Südost-Paraguay folgte.
Der evangelistische Ruf hatte seinen Blick für Familie und Gemeinde aber nicht getrübt. Darauf weisen die vielen Trauungen hin, die er in Sibirien, Harbin (China) und in Paraguay durchgeführt hat (insgesamt 71), einschließlich die seiner vier jüngsten Söhne. Häufig leitete er auch Begräbnisfeiern, um die Hinterbliebenen zu trösten.
Man nannte ihn “schrieenda Waul”, schreiender Wall. Was er an Gehör einbüßen musste, das hat er an seiner Stimme zurückerhalten. Und wenn er nicht ein hervorragender Landwirt war, so doch ein dienstbereiter und geschätzter Verkündiger. Peter Klassen schreibt über den Abschlussgottesdienst eines Predigerkursus im August 1955: … Dann betrat der greise Prediger Jakob Wall, der bereits über 50 Jahre im Dienste des Meisters steht, die Kanzel und hielt nach Mt. 4, 18 ff. eine Ansprache über das Thema: ‚Wie werde ich ein Menschenfischer?’ Viele wichtige Wahrheiten wurden den Predigern und der ganzen Versammlung mit großem Ernst zugerufen; denn auf der Kanzel ist Br. Wall ‚jung wie ein Adler’, trotz seines hohen Alters (Zionsbote).
Victor Wall