Bräul, Marga

Margarethe Bräul, langjährige Lehrerin und Künstlerin an der >Zentralschule in >Filadelfia, kam 1947 mit den >Flüchtlingen aus Südrussland über Deutschland und Holland nach >Paraguay. Marga Bräul, bis heute bekannt als Frl. Bräul, wurde am 2. April 1919 in Paulsheim bei Gnadenfeld geboren. Die Eltern waren Agathe, geb. Klassen, und Abram Bräul. Sie waren Bauern bis in die Zeit der russischen Revolution.
Trotz politischer Unruhen, Kommunismus und Deutschfeindlichkeit konnten die Eltern ihr eine gediegene Ausbildung in den Fächern Mathematik, Algebra, Geometrie, Physik und Chemie ermöglichen. Ihre Lehrerausbildung erhielt sie am Deutsch-Pädagogischen Institut – ein Jahr in Odessa in der Krim und ein Jahr in Berdjansk am Asowschen Meer. Das Institut war damals eine freie Staatsschule in deutscher Sprache mit Russisch als Fremdsprache. Bedingung war allerdings auch das Fach Militärkunde. So kam es, dass sie sogar das Fallschirmspringen erlernte, was ihr später bei Kollegen und Schülern viel Bewunderung einbrachte.
Eine christliche Erziehung war damals noch im Elternhaus möglich und auch die Sonntagsschule festigte ihren Glauben an Gott. Allerdings wäre sie beinahe von der Schule verwiesen worden, als man feststellte, dass sie ein Neues Testament bei sich hatte.
Nach zweijähriger Tätigkeit als Lehrerin für Physik und Chemie an einer russischen Schule bei Melitopel wurde das Unterrichten durch den Wechsel der Fronten unmöglich.
Während des Krieges arbeitete sie als Buchhalterin für die deutsche Besatzung. Der Rückzug der deutschen Truppen bestimmte ihren Fluchtweg von der Ukraine bis nach Deutschland. Ein Jahr verbrachte sie im Warthegau, wo sie ebenfalls unterrichtete. Sie kam bis Amsterdam in Holland – und hier gehörte sie zu den 400 Mennoniten, die von dem MCC-Beauftragten Peter >Dyck gesammelt und für die Reise nach Paraguay vorbereitet wurden. Paraguay musste es sein, weil der Gesundheitszustand des Vaters eine Einreise nach Kanada unmöglich machte.
Marga Bräul begann ihre Tätigkeit als Lehrerin an der >Zentralschule von Fernheim am 4. März 1947. Der Unterricht in Mathematik und Physik, aber auch in Chemie, erhielt seine Prägung durch ihre Fachkenntnisse. Entsprechende Unterrichtsbücher waren zu jener Zeit kaum zu beschaffen; so wurde der Unterrichtsstoff den Schülern diktiert oder an die Tafel geschrieben.
Über viele Jahre war sie die einzige Frau im Kollegium, was ihr auch zum Scherz den Namen “Bruder Bräul” einbrachte. Mit zwei Unterbrechungen hat sie hier etwa 45 Jahre unterrichtet. Die Aufsicht über das Mädchenheim und die freiwillige Anleitung in mancherlei Handarbeiten, sowohl der Mädchen wie auch der Jungen am Nachmittag, galten nicht als Unterricht und waren folglich unentgeltlich zu leisten. Ihre strenge Erziehung wurde gelegentlich als Härte empfunden, aber doch von der Schulleitung und den Eltern anerkannt und insgesamt unterstützt. Sie hat sich außerdem dafür eingesetzt, dass der Mädchensport, gegen den es sowohl in den Gemeinden wie auch bei manchen Eltern Bedenken gab, eingeführt wurde.
Am bekanntesten aber wurde Frl. Bräul durch den Kunstunterricht und die daraus resultierenden Ausstellungen am Schluss des Schuljahres. Für die Theateraufführungen entstanden Verkleidung und Bühnendekorationen, wie sie besser nicht hätten sein können. Das war zu der Zeit gewiss nicht leicht, denn es gab kaum entsprechendes Material zum Malen oder Basteln. Dabei hatte sie keine spezielle Ausbildung für diesen Bereich. Begabung, Interesse und eine nie ermüdende Schaffenskraft waren wohl die Triebfedern zu solchen Leistungen. Die Schüler wurden für alle Arbeiten mit herangezogen, selbst wenn ihre Hausaufgaben für andere Fächer später nachgeholt werden.
Um Neues kennen zu lernen und ihr Wissen zu aktualisieren, hat Frl. Bräul ein Jahr in Deutschland und ein weiteres in Kanada verbracht. Mit vielen neuen Techniken und Ideen bereicherte sie dadurch den Kunstunterricht an der Zentralschule. Es war bekannt, dass sie für alle öffentlichen Anlässe wie z. B. >Erntedankfeste, die künstlerische Gestaltung gerne übernahm. Ob es Bilder, die sie privat für Freunde und Bekannte malte, Gestecke für Silberhochzeiten und andere Ereignisse waren, Frl. Bräul half immer. Unentgeltlich.
Sie selber sagt: Es ist immer meine Absicht gewesen, meinen Pflichten nachzukommen, ob es mir Ärger oder Freuden einbrachte. Auch die Schüler kannten den Spruch: Tut eure Pflicht!
Ein richtiges “Zu Hause-Gefühl” konnte sich in der unruhigen Kindheit und den schweren Jahren der Flucht nicht entwickeln. Dafür waren sie zu stark von Angst überschattet. Aber wohl gefühlt hat Frl. Bräul sich in >Fernheim.
Gati Harder