Zentralschule

Zentralschule wurde in Russland die Fortbildungsschule, die auf die Dorfschulausbildung aufbaute, genannt und sie umfasste die 7. bis 10 Klasse. In der Kolonie Chortitza wurde die Zentralschule im Jahr 1842 gegründet. Sie hatte damals die Aufgabe, Lehrer für die Dorfschulen des Chortitzer Schulbezirks heranzubilden. Das Gebietsamt, der landwirtschaftliche Verein und der Kirchenkonvent arbeiteten gemeinsam einen Plan zur Gründung dieser Schule aus und stellten einen Kostenvoranschlag und Bauplan vor. Die Gemeinde lieferte die Mittel zum Unterhalt eines Lehrers und zum Bau des Schulgebäudes. Heinrich Heese war der erste Lehrer der Chortitzer Zentralschule (1842 – 1846).
In die Zentralschule wurden Knaben und Mädchen mit 10 Jahren aufgenommen, die etwas lesen, schreiben und rechnen konnten. Einen festgelegten Lehrplan gab es anfänglich nicht; er wurde jedoch im Laufe der Zeit eingeführt, verbessert und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst. 1920 gab es in Russland 23 vierklassige Zentralschulen unter den Mennoniten.
Als die Russlandmennoniten 1930 in den >Chaco kamen, kam auch die Zentralschule mit. In >Fernheim wurde die Zentralschule als vierjährige Fortbildungsschule schon 1931 eingeführt und bis 1935 im Dorf Schönwiese geführt. Im Jahr 1936 wurde sie nach >Filadelfia verlegt, wo sie bis heute weiter besteht. Lange Jahre war dieser Schule auch ein Lehrerseminar angegliedert.
In der >Kolonie Menno, wo die Schulbildung dem Modell der alten Schule entsprach, entwickelte sich seit 1951 eine Fortbildungsschule, die sich nach und nach zu einer Zentralschule im mennonitischen Sinn entwickelte.
Die Zentralschulen der >Mennonitenkolonien sind von Deutschland aus großzügig gefördert worden; sowohl durch die Spenden zur Ausrüstung mit Lehrmitteln wie auch durch die Entsendung von Deutschlehrern.
Um 1960 gab es in den Mennonitenkolonien >Fernheim, >Menno, >Friesland, >Neuland und >Volendam jeweils eine Zentralschule. Wenn die Absolventen an nationalen Hochschulen weiterstudieren wollten, bekamen sie jedoch große Schwierigkeiten. Nach einem Antrag der Kolonien gab es ab 1963 die Anerkennung der vierjährigen Zentralschule als Ciclo Básico. Man arbeitete gemeinsam weiter an der Verbesserung und Anerkennung des ganzen Ciclo Bachillerato, die 1972 in Fernheim und 1973 in Menno erreicht wurde. Die anderen Zentralschulen in den Mennonitenkolonien erhielten später die Anerkennung ihres Bachilleratos. So haben heute Schüler aus allen genannten Kolonien die Möglichkeit, das Abitur “zu Hause” zu machen und dadurch den direkten Zugang zu höheren Bildungsanstalten zu bekommen.
Der Name Zentralschule ist nach und nach im alltäglichen Sprachgebrauch durch das spanische Colegio bzw. die Sekundaria ersetzt worden, fällt jedoch noch immer wieder im Zusammenhang mit der Fortbildungsschule der Mennoniten.
Uwe S. Friesen
Martin W. Friesen: Kanadische Mennoniten bezwingen eine Wildnis, 50 Jahre Kolonie Menno – erste mennonitische Ansiedlung in Südamerika. Neu überarbeitete Ausgabe. Loma Plata: Druckerei Friesen, 2004, S. 131-136; 50 Jahre Kolonie Fernheim: Ein Beitrag in der Entwicklung Paraguays. Hg. Kolonie Fernheim. Asunción: Imprenta Modelo, 1980, S. 171-191; Heinrich Ratzlaff: Das Schulwesen der Kolonie Menno. Vom Anfang der Siedlung bis zur Übergabe der Vereinsschule an die Kolonie. Hg. Geschichtskomitee der Kolonie Menno im Auftrage der Schulverwaltung; 2003; Walter Thielmann, Mennoblatt 57 (1986) 18, S. 3; Peter Neufeld: Mennoblatt 49 (1978) 14, S. 5; Heinrich Ratzlaff: Im Dienste der Gemeinschaft (1974) 9, S.3.