Der Eid (Schwur) ist die Bestätigung oder Bekräftigung einer Aussage durch die Anrufung Gottes als Zeugen. Der Eid ist uralt und unter den ältesten Kulturvölkern zu finden. Der Bruch eines Eides war strafbar, nicht jedoch ein Versprechen oder eine Zusage ohne zusätzliche Bekräftigung oder Beteuerung. Der Eid in Gottes Namen ist im Alten Testament geboten (2. Mose 22, 10). Die gebräuchlichste Eidformel lautete: So wahr der Herr lebt (Richter 8, 19; 1. Samuel 14, 39 u. a.). Die Scheu, den Namen Gottes auszurufen und zu missbrauchen und damit gegen das 3. Gebot zu verstoßen, führte dazu, bei Dingen zu schwören, die mit Gott in Beziehung standen: beim Himmel, bei den Engeln, bei der Erde, beim Tempel usw. Dadurch wurde der Eid in Kategorien eingeteilt und die Wahrheit nicht ernst genommen, d. h. man war verpflichtet, nur den Eid zu halten, den man unter Anrufung des Namens Gottes geleistet hatte. Jesus lehnte den Gebrauch des Eides in jeder Form ab, forderte aber von seinen Jüngern, in allen Fällen bei der Wahrheit zu bleiben (Matthäus 5, 33-37). Damit wird der Eid überflüssig. Daran haben sich die Christen bis auf die Zeit Kaiser Konstantins gehalten. Als das Christentum Staatsreligion wurde, hat die Gemeinde als gehorsame Dienerin des Staates auch den Eid eingeführt.
Die >Täufer des 16. Jahrhunderts kehrten zur Regel Jesu und des Urchristentums zurück: die Wahrheit ohne Eid oder Bekräftigung in allen Lagen des Lebens aufrecht zu erhalten. Im 7. Artikel des >Schleitheimer Bekenntnisses von 1527 wird der Eid aufgrund der Aussagen Jesu entschieden abgelehnt. >Menno Simons scheint in einigen Fällen offen für einen Eid gewesen zu sein, empfiehlt aber doch, nicht zu schwören, sondern in allen Fällen bei der Wahrheit zu bleiben und dein Ja und Nein deinen Eid sein zu lassen.
Das Verbot des Eides – sowie das Prinzip der Wehrlosigkeit – hat die Täufer und später die Mennoniten oft in schwierige Situationen versetzt. Das Verbot des Eides findet sich wohl in allen mennonitischen Glaubensbekenntnissen bis auf den heutigen Tag.
Als die ersten Mennoniten aus Kanada nach >Paraguay einwanderten, erhielten sie laut >Gesetz 514 das Recht, den Eid nicht leisten zu müssen, sondern die Wahrheit durch ein einfaches JA oder NEIN vor Gericht an Eides statt zu bezeugen. Es ist in Paraguay wegen der Eidesverweigerung der Mennoniten nie zu Konflikten mit der Obrigkeit gekommen. In der Staatsverfassung von 1992 wird die Verweigerung des Eides aus Gewissensgründen allen Untertanen zugestanden. Jeder darf wählen, ob er bei horizontal ausgestreckter Hand Ich schwöre (juro) oder Ich verspreche es (prometo) sagt. Als am 20. Mai 2005 der Mennonit Ernst Bergen als Finanzminister und der Politiker Ruben Candia Amarilla als Minister für Justiz und Arbeit vereidigt wurden, hieß es im Regierungsprotokoll: Don Ernst Ferdinand Bergen Schmidt, Ruben Candia Amarilla schwören beziehungsweise versprechen vor Gott und dem Vaterland, das Amt des Finanzministers beziehungsweise des Ministers für Justiz und Arbeit, … entsprechend der Verfassung und der Gesetze zu führen. Don Ernst Ferdinand Bergen Schmidt tat dies mit der Formel: Ja, ich verspreche es.
Juristisch ist der Eid in Paraguay allerdings kaum von Bedeutung. Niemand wird auf Grund eines gebrochenen Eides oder Versprechens verurteilt. Gesetzlich wird der Meineid nicht verfolgt. Bei der studierenden mennonitischen Jugend in Asunción wird die Frage aufgeworfen, ob der Eid überhaupt nur noch von symbolischer Bedeutung ist, weil bei so vielen Gelegenheiten pro forma ohne Anrufung Gottes (Juro, ich schwöre) geschworen bzw. versprochen werden muss. Allerdings sollte nach biblischen Prinzipien jeder Christ die Wahrheit leben, ob er sein Versprechen beschwört, bekräftigt, mit einer Unterschrift bestätigt oder ein mündliches Versprechen abgibt.
Gerhard Ratzlaff
Stichwort Eid in: Christian Hege u. Christian Neff: Mennonitisches Lexikon, Erster Band. [Selbstverlag] Frankfurt am Main und Weierhof, 1913, S. 535-546.