Das Hospital Neuropsiquiátrico wurde im Jahre 1895 von der nationalen Regierung als ein Asyl für Kranke und Bettler (Asilo de Enfermos y Mendigos) gegründet. 1917 wurden die Bettler von den Nervenkranken gesondert, zurück blieben nur die Nervenkranken, und die Anstalt erhielt offiziell den Namen Manicomio Nacional (wörtlich: Irrenhaus). Im Jahre 1927 wurde die Anstalt der Facultad de Ciencias Médicas (Medizinischen Fakultät) unterstellt und galt als das erste Psychiatrische Krankenhaus (Centro de Salud Mental) in Paraguay. Doch die fachgerechte Behandlung der seelisch Kranken ließ noch lange auf sich warten. In den siebziger Jahren wurde in Paraguay die psychologische Fakultät gegründet und das Manicomio dem Departamento de Salud Mental (Abteilung für seelische Gesundheit) unterstellt. Im Jahr 1975 wurde das Manicomio Nacional offiziell in Hospital Neuropsiquiátrico unbenannt. Am 19. April 1997 wurde die Anstalt direkt dem Gesundheitsministerium unterstellt.
Die mennonitische Arbeit im Hospital Psiquiátrico begann als Privatinitiative von Heinrich Bergen, einem jungen Mann aus Filadelfia. Auf eigene Verantwortung und Kosten ging er im Jahr 1956 ins Manicomio Nacional, um dort einen einjährigen Dienst an den Ärmsten der Armen zu tun. Zusammen mit den Patienten begann Bergen Gemüse anzubauen, um dadurch die Kost der Patienten aufzubessern und außerdem durch die in Gemeinschaft verrichtete Arbeit eine Heil bringende Beschäftigungstherapie einzuführen. Die Anstalt hatte damals 420 Insassen. Noch vor Ablauf des Jahres wurde der Gemüseanbau im Manicomio als ein Zweig in das Programm des >Christlichen Dienstes (CD) der mennonitischen Gemeinden aufgenommen.
Über Jahre blieb der Gemüseanbau der wichtigste Arbeitszweig im Manicomio, in dem Maße, dass Gemüse und CD gleichgesetzt wurden. (Heinz Dück, Gemüse und christlicher Dienst, Jugendblatt, Beilage zum >Mennoblatt, 16. Oktober 1967).
Doch im Laufe der Zeit kamen andere Arbeitszweige dazu. Eine Hühnerzucht wurde begonnen, eine Schreinerei entstand, in der die Patienten unter Anleitung Möbel verschiedener Art herstellten. Die Frauen wurden mit Näharbeiten, Sport und verschiedenen Handarbeiten regelmäßig beschäftigt. Begeistert waren sie auch für Haar- und Schönheitspflege.
Diese gesammelten Erfahrungen führten zu der Überlegung, einen konzentrierten Versuch zur Heilung der Patienten zu unternehmen. So entstand ein Projekt, das unter dem Namen Pabellón de Rehabilitación de Hombres (Rehabilitationsheim für Männer) bekannt wurde und ganz unter mennonitischer Verwaltung stand. >Mennonite Mental Health Service, eine Dienstorganisation des >MCC, bot seine Hilfe in der Beschäftigungstherapie an. Am 10. Juli 1985 fand in Anwesenheit des Staatspräsidenten General Alfredo Stroessner die Einweihung des für diesen Zweck bestimmten neuen Gebäudes statt.
Das konkrete Ziel war, der Leitung des Hospitals zu zeigen, dass es effektive Wege und Mittel gibt, die Kranken zu heilen, um ihr dann nach Abschluss des Experiments die Leitung dieses Programms zu übergeben – ein Programm, das schließlich aufs ganze Land erweitert werden würde.
Das Resultat des Projektes selbst war erfolgreich. Von insgesamt 200 behandelten Patienten, (davon 77 chronisch Kranke) die in der neuen Abteilung interniert und behandelt wurden, konnten 111 als endgültig geheilt entlassen und in die Gesellschaft integriert werden, eine Erfolgsziffer von 55,5 %.
Im Jahre 1989 stattete der Staatspräsident Andrés Rodríguez dem Hospital einen Besuch ab. Als er von dem Erfolg im Pabellón Mennonita hörte, ordnete er auf der Stelle an, noch fünf solcher Pavillons nach mennonitischem Muster aufzubauen, die leider in der Behandlung der Patienten aus Mangel an entsprechendem Personal und Fachkräften nicht den gewünschten Erfolg brachten. 1991 sahen die Mennoniten ihre Arbeit in ihrem Pavillon als abgeschlossen an und übergaben ihn an die Leitung des Hospitals. Doch leider konnte die Pflege der Patienten wegen Mangel an Personal und Erfahrung nicht im Sinne der Mennoniten weitergeführt werden. Trotzdem ist ein begrenzter positiver Einfluss geblieben.
Die Zusammenarbeit des CD mit dem Verwaltungspersonal des Gesundheitsministeriums funktioniert nicht immer reibungslos. Zu Anfang des Jahres 2000 arbeiteten im Hospital Neuropsiquiátrico 21 Personen unter der Verwaltung des CD. Sieben davon waren freiwillige CD-Arbeiter, elf (davon zehn aus spanischsprachigen evangelischen Gemeinden) arbeiteten unter Anleitung des CD, sind jedoch von der Verwaltung des Hospitals angestellt und werden von dieser entlohnt, drei Personen sind vom CD angestellt und verantwortlich für die Leitung verschiedener Abteilungen.
Im Jahre 2000 betrug die Zahl der Dauerpatienten ungefähr 300. 25 Jahre zuvor hatte die Anstalt eine Höchstzahl von 800 Patienten. Die Zahl der internierten Patienten hat sich folglich stark verringert. Die Lebensbedingungen haben sich ebenfalls trotz mancher noch bestehender Mängel sehr verbessert und es werden, auf Grund internationalen Drucks, weitere Anstrengungen unternommen. Neuerdings bemüht sich der CD auch um eine gezielte Bewusstseinsbildung über den Umgang mit psychisch Kranken unter der Bevölkerung, besonders mit Familienangehörigen und denen, die sonst irgendeine Beziehung zu den Kranken haben.
Gerhard Ratzlaff
Gerhard Ratzlaff: Ein Leib – viele Glieder. Die mennonitischen Gemeinden in Paraguay. Hg. Gemeindekomitee. Asunción: Makrografic, 2001, S. 285-299.