Mennonitische Frau

Die Frau hat in der mennonitischen Gesellschaft durch die Verhältnisse während der Ansiedlung eine besondere Stellung eingenommen. Einerseits war sie für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig, andererseits musste sie auf dem Feld mithelfen, ob es nun das Pflügen, Pflanzen, Unkraut Jäten oder Ernten war. Es gab weder Maschinen noch irgendwelche Geräte im Haushalt, die ihr die körperliche Anstrengung hätten erleichtern können. Dazu kam in der Regel eine große Kinderzahl. Für private Interessen wie z. B. Körperpflege hatte sie weder Zeit noch Geld.
Diese Rolle hat sie akzeptiert als ihre Aufgabe; es gab ja auch gar keine andere Möglichkeit. Allerdings haben einzelne Frauen diesen Rahmen gesprengt; sie wurden dann dafür von der Gesellschaft geächtet. Viele Vorstellungen über die Aufgaben einer Frau werden aus der Bibel abgeleitet, jedoch sind die Interpretationen unterschiedlich.
Die gesellschaftlichen Strukturen, in denen Männer die führende Rolle einnehmen, wenn es um Fragen geht, die die >Kolonie oder die Gemeinde betreffen, haben sich nur allmählich verändert. So darf eine Frau inzwischen in der Gemeinde mitsprechen, sie hat auch Stimmrecht und übernimmt Aufgaben wie die einer Chorleiterin; aber führende Posten hat sie nicht inne. In der Verwaltung der Kolonie ist ihre Position unterschiedlich: In >Fernheim hat sie noch kein Wahlrecht, in >Menno und >Neuland wählt sie gleichberechtigt. Verantwortliche Posten mit Entscheidungsbefugnis werden ihr kaum oder gar nicht übertragen. So sind fast alle öffentlichen Ämter von Männern besetzt. Allerdings gab es in >Neuland schon eine Schulrätin. Von der Frau wird erwartet, dass sie den Haushalt, den Garten und auch den größten Teil der Erziehung übernimmt. Das führen die meisten Frauen auch mit viel Liebe und Fantasie aus; sie nehmen sich auch die Zeit, sich um das Wohlergehen anderer zu kümmern. Mit dem wachsenden Lebensstandard hat sich die Rolle der Frau wenigstens teilweise geändert. Dank der vielen Küchengeräte und einer (voll)automatischen Waschmaschine spart sie Zeit und Kraft und unter der Anleitung verantwortlicher Frauen aus den Frauenvereinen werden viele diakonische Dienste unentgeltlich geleistet. Auch kann sich manche Hausfrau eine Angestellte leisten, und so hat sie Zeit für Hobbys, Körperpflege – und auch für eine Tereré-Pause mit der Freundin.
Es gibt inzwischen merkliche Unterschiede in gesellschaftlicher Hinsicht, und so wird auch die Rolle der Frau unterschiedlich beurteilt. Das kann vom Bildungsstand oder auch von der finanziellen Situation der Familie abhängig sein. Immer noch gibt es abfällige Urteile über modern ausgerichtete Frauen; andererseits wächst das Verständnis dafür, dass für sie Schulbildung und Beruf genauso wichtig sind wie für den Mann. In vielen Fällen begleitet die Frau ihren Mann auf Geschäftsreisen oder die ganze Familie besucht Verwandte im Ausland.
Berufstätigkeit ist ein vielschichtiges Thema, obwohl es schon immer Lehrerinnen gegeben hat; das waren aber in der Regel unverheiratete Frauen. Eine höhere Bildung und ein wachsendes Selbstbewusstsein führen dazu, dass Frauen, wenn sie heiraten, einen Beruf wie den einer Sekretärin oder Ärztin weiter ausüben. Auch Laborantin, Krankenschwester, Friseurin, Physiotherapeutin u. a. Berufe sind beliebt.
Das Kochen hat sich ebenfalls wesentlich vereinfacht: Im Supermarkt gibt es Gemüse zu jeder Jahreszeit, man kann Fertigmahlzeiten kaufen. Die Vorbereitung der Mahlzeit für große Familienfeste wie eine Hochzeit übergibt man eingeübten Teams; auch viele andere Dienstleistungen werden angeboten.
Die moderne Familie hat drei bis fünf Kinder. Eine Kindertagesstätte ermöglicht es einer allein stehenden Frau, eine Arbeitsstelle zu übernehmen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. So verringert sich das Abhängigkeitsverhältnis von der Sozialhilfe.
Nicht von allen Einwohnern der Kolonien werden diese Veränderungen positiv bewertet und unterstützt. Die wachsende Selbstständigkeit der Frau wird auch für manche Familienprobleme verantwortlich gemacht.
Es gibt demnach sowohl die Frau mit eigenem Einkommen durch ihre Berufstätigkeit, die sich einen Platz in der Öffentlichkeit verschafft, die von ihrem Mann anerkannt und unterstützt wird, wie auch die eher traditionell orientierte Frau, die ihre Hauptaufgabe zu Hause im Bereich ihrer Familie sieht; auch das wird von der Familie und Gesellschaft anerkannt. Aus beiden Bereichen gibt es neben sich traditionell eher unauffällig haltenden Frauen auch solche, die auch gerne modebewusst und auf ihre Figur bedacht sind, Sport treiben und in den gesellschaftlichen Bereichen durchaus selbstbewusst auftreten.
Gati Harder/ Lily August