Ovando, Guillermo

Guillermo Ovando (1918 – 2005) wurde 1918 in Macharety, Bolivien geboren. Er ist Nachkomme jener Guaraní-Indianer, die im 15. Jahrhundert ihre Heimat im nördlichen Ostparaguay verließen und sich auf eine Westwanderung begaben, um das “Land ohne Übel” zu suchen. Dabei stießen sie bis an den Rand des Inkareiches vor, wurden von diesen aber in heftigen Kämpfen zurückgedrängt und ließen sich schließlich in der Gegend des heutigen Santa Cruz nieder. Dort wohnten schon die Ackerbau treibenden Chané-Indianer, die von den Guaraní, auch als Chiriguanos bekannt, erobert und in ihr Wirtschaftssystem integriert wurden. Als Folge der Expansion der weißen Eroberer wurden die Guaraní in den späteren Jahrhunderten oft in bitteren Kriegen dann aber immer weiter nach Süden abgedrängt, bis sie von Franziskanermissionaren “befriedet” und in Missionen erfasst wurden.
Eine dieser Missionsstationen war Macharety, in der Guillermo Ovando zur Welt kam. Da sich seine Eltern nach seiner Geburt trennten, wuchs er bei seinen Großeltern auf, von denen er schon früh die Gartenarbeit erlernte. Mit sechs Jahren kam er in die Missionsschule und als er 14 Jahre alt war, brach der Krieg zwischen Bolivien und Paraguay aus (>Chacokrieg). Da die Guaraní der Militärführung ihres Landes misstrauten, hielten sich die meisten während der Kämpfe versteckt; so auch Guillermos Großeltern. Erst als Macharety vom paraguayischen Heer besetzt worden war, kamen sie zurück in ihr Dorf und schlossen mit den Eroberern einen Freundschaftspakt.
Der junge Ovando wurde nun von den Paraguayern als LKW-Beifahrer eingestellt und lernte so den >Chaco-Großraum zwischen Villa Montes und Mcal. Estigarribia kennen. Als Bezahlung erhielt er Militärrationen, von denen er monatlich einen Teil seinen Großeltern brachte. Als sich das paraguayische Heer nach Friedensschluss aus dem bolivianischen Chaco zurückzog, wurden auch die meisten Bewohner von Macharety auf die paraguayische Seite der Grenze umgesiedelt. In einem Gewaltmarsch von dreißig Tagen kam die Gruppe mit ihrer gesamten Habe einschließlich den Haustieren zum heutigen P. P. Peña. Viele Kinder und Alte starben auf der Strecke.
Ovando blieb noch kurze Zeit im Dienst des Militärs. Währenddessen wurde eifrig nach einer Lösung der wirtschaftlichen Probleme für seine Großeltern und die anderen Mitglieder der Gruppe gesucht. Gutes Ackerland war ihnen versprochen worden; das war aber schwer zu finden. Ein Teil der Gruppe blieb in P. P. Peña; der größte Teil zog weiter nach >Mariscal Estigarribia, von wo aus Versuche unternommen wurden, in Toledo und in >Isla Poí eine landwirtschaftliche Siedlung zu gründen. Beide Pläne schlugen fehl, und die Einwanderer suchten weiter nach einer Subsistenz. Ein Teil zog weiter nach >Puerto Casado, darunter auch Guillermo Ovando. In der Tanninfabrik erhielt er eine Anstellung. Hier heiratete er eine Stammesgenossin und gründete mit ihr eine kinderreiche Familie.
Die Wanderungen und steten Neuanfänge sollten aber für Guillermo Ovando und seine Familie noch nicht zu Ende sein. 1960 unterbrach die Tanninfabrik ihre Produktion, und die Gruppe begab sich erneut auf Wanderschaft. Vorübergehend machte sie sich in Sta. Teresita bei Mariscal Estigarribia sesshaft. Da es dort aber kaum Verdienstmöglichkeiten gab und der Traum von einer landwirtschaftlichen Siedlung schon aufgegeben worden war, zogen die meisten Familien weiter ins Gebiet der >Mennonitenkolonien. In >Filadelfia fand Ovando Arbeit in einer Ziegelei und übte sich als Maurer.
Die in Filadelfia zusammengezogenen Guaraní, hier als Guarayos oder Guaraní Occidentales bekannt, gründeten ein neues Dorf mit dem Namen Yvopey, in dem heute rund 700 Personen wohnen. Für einen Teil der Gruppe erfüllte sich auch der Traum einer landwirtschaftlichen Siedlung bei Laguna Negra, die sie Macharety nennen. Guillermo Ovando hatte in Yvopey nun sein letztes Zuhause gefunden, nachdem auch seine verheirateten Töchter sich dort niedergelassen hatten und er im Kreis seiner Großfamilie eine gesicherte Existenz für sein Alter erreicht hatte. Dort verstarb er im Jahre 2005.
Wilmar Stahl
Dörte Dittmer u. Ulrike Fullriede: Zum Verhältnis von Mennoniten und Indígenas in der multiethnischen Gesellschaft im paraguayischen Chaco – Como agua y aceite. Berlin, 1995; Georg u. Friedl Grünberg: Informe sobre los Guaraní Occidentales del Chaco Central Paraguayo. Asunción, 1972; ASCIM (Hg.): Indígenas del Chaco Central Paraguayo – Etnohistoria e Identidad Contemporánea. Filadelfia, 2005.