Sommerfelder Evangelische Mennonitengemeinde

Bis zum Jahr 1994 gab es in >Sommerfeld nur eine Gemeinde, die Sommerfelder Mennonitengemeinde (>traditionelle Mennoniten). Seit 1994 gibt es die EMG, die nicht mehr zu den traditionellen Mennoniten gezählt werden kann.
Die Gründung dieser Gemeinde fand am 27. März 1994 (Palmsonntag) im Speicher von Hein Neufeld in Dorf Nr. 2 statt, nachdem sich ein Teil der Glieder der Sommerfelder Gemeinde unter der Leitung ihres >Ältesten Jakob J. Heinrichs von der großen Gemeinde gelöst hatte. Ähnliche Erscheinungen hat es mehrfach in der Geschichte der Mennoniten gegeben.
Es hatte schon immer einzelne Personen in der Sommerfelder Gemeinde gegeben, die mit der traditionellen Gemeindeform und dem alten Schulsystem nicht mehr ganz einverstanden waren. Zu denen, die sich nach einer Erneuerung des geistlichen Lebens sehnten, gehörte der Älteste der Gemeinde Jakob J. Heinrichs. Auf verschiedene Art und Weise war er bemüht, das geistliche Leben der Glieder der Gemeinde zu fördern. Er selber ging mit gutem Beispiel vor-an. So begann er mit regelmäßigen Bibelstunden in seinem Heim. In den Schulen sollte der Mennoniten- und Kirchengeschichtsunterricht eingeführt und die Jugendarbeit gefördert werden. Mit diesen gut gemeinten Absichten stieß er jedoch auf den Widerstand der Lehrer in den Schulen. Weiter entwarf er einen Plan für die Missionsarbeit unter den in der Nachbarschaft der Siedlung lebenden Indianern. Heinrichs ging bei allem vorsichtig und langsam voran, um die Unterstützung der Gemeinde nicht zu verlieren. Doch für manche Gemeindeglieder war Heinrichs, ihr Ältester, schon einige Schritte zu weit gegangen. Es bildete sich eine Opposition. An einem Abend erschienen bei Heinrichs 30 Gemeindebrüder mit der Aufforderung, das vorgeschlagene Missionsprojekt abzubrechen. Die Aufforderung kam einer Drohung gleich. Trotz starker Opposition hielt Heinrichs an seinem Plan, die Gemeindestruktur zu reformieren und das geistliche Leben zu aktivieren, fest. Mehr noch, er fertigte einen “Acht-Punkte-Plan” an, in dem die folgenden Gemeindeaktivitäten vorgesehen waren: Eine Leihbibliothek für Jugendliche, Erwachsene und Lateinparaguayer, die Gründung eines Jugendzentrums, die Förderung des Gesangs in der Gemeinde und gezielte Vorträge für die Gemeinde, ein Zentrum für Gemeinde- und Familienfeste, Einführung von Spanischunterricht, Einführung von Bibelstunden in der Gemeinde, Verbesserung des Schulcurriculums, die Anstellung eines Jugendleiters. Die Abstimmung über diesen Plan, die an Hand eines Fragebogens durchgeführt wurde, ergab 80 % der Stimmen gegen und nur 20 % für Heinrichs Vorschläge. Das brachte den Ältesten, der sich für eine Reform in der Gemeinde einsetzte, in eine sehr schwierige Situation. Sollte er mit den Reformbemühungen weiter machen, auch wenn der größte Teil der Gemeinde ihn nicht unterstützte? Würden dadurch nicht viele Spannungen, Beschuldigungen und Streit in der Gemeinde hervorgerufen und Unfrieden angerichtet werden? Konnte er andererseits als Hirte der Gemeinde es verantworten, auf den alten Strukturen der Gemeinde zu beharren, wenn dadurch seinen Gemeindegliedern die notwendige geistliche Entwicklung vorenthalten wurde? War es recht von ihm, das Recht der Minderheit außer Acht zu lassen? Würde er dadurch nicht seinem von Gott und von der Gemeinde empfangenen Auftrag untreu werden, wenn er seinen aus der Bibel gewonnenen Einsichten nicht folgte? Heinrichs suchte einen Ausweg aus diesem Dilemma. Tage, ja Wochen beschäftigten ihn diese Fragen. In schlaflosen Nächten und in ernsthaftem Gebet rang er um eine friedliche Lösung, die zum Wohle der ganzen Gemeinde gereichen und die Gemeinde nicht spalten würde. Eine Anzahl Brüder unterstützte ihn in den Reformbemühungen, doch die Kritik wurde immer schärfer.
Oft dachte er wohl wie Luther auf dem Reichstag in Worms: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Er sah sich von Gott in diese Situation hinein versetzt, und mit ihm wollte er in Liebe und Geduld der Opposition gegenüber mit der Reformarbeit in der Gemeinde fortfahren. Von Gott erbat er sich die Kraft dazu. Die Gegenseite meinte ihrerseits, Gott und die Tradition ebenfalls auf ihrer Seite zu haben. Dagegen stand dann wiederum das Wort Jesu: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen (Matthäus 7,16).
Auf der Jahresbruderschaft am 8. Februar 1994 stellte Heinrichs den versammelten Brüdern das Resultat der Befragung über den “Acht-Punkte-Plan” vor, wodurch die schon eingeleiteten Veränderungen rückgängig gemacht werden sollten. Er wies die Opposition auf die Intoleranz in ihrer Entscheidung hin. Dann zitierte er Offenbarung 3, 17 – 18: Du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts! Und weißt nicht, dass du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das mit Feuer durchläutert ist, dass du dich antust und nicht offenbar werde die Schande deiner Blöße; und salbe deine Augen mit Augensalbe, dass du sehen mögest. Anschließend las er auch einige Briefe vor, die in einem gehässigen Ton gegen ihn gerichtet worden waren. Darauf kam es zu harten Auseinandersetzungen.
Nun sah sich Heinrichs zu einer Entscheidung herausgefordert. Er gestand der Gemeinde das Recht zu, seine Vorschläge abzulehnen, doch habe auch die Minderheit das Recht, Bibelstunden zu halten und Jugend- und Missionsarbeit zu tun, betonte Heinrichs mit gelassener und entschlossener Stimme. Und da er wusste, wie Nebensachen und Äußerlichkeiten die Haltung vieler Glieder bestimmten, und dass das Tragen des schwarzen Predigerrockes für viele zu einem “Abgott” geworden war, erklärte er, dass er seinen “Rock” nicht mehr anziehen werde, um auf die Kanzel zu steigen. Darauf verließen viele aus Protest den Raum.
Tief geschlagen ging Heinrichs heim, doch andererseits mit der Gewissheit, biblisch gehandelt zu haben. Nun würden sich die Geister scheiden.
In den folgenden Wochen gärte es in Sommerfeld. An drei Sonntagen predigte Heinrichs vor fast leeren Kirchen. Der ganze >Lehrdienst, das heißt, alle >Prediger und Diakone der Gemeinde distanzierten sich von ihm. Zum 22. März 1994 beriefen diese eine >Bruderschaft ein und wählten einen neuen Ältesten. Damit war die Trennung innerhalb der traditionellen Sommerfelder Gemeinde vollzogen. Am 27. März 1994 versammelte sich Heinrichs mit Gleichgesinnten. Etwa 140 von insgesamt 822 Gemeindegliedern waren erschienen. Seit diesem Datum besteht die Sommerfelder Evangelische Mennonitengemeinde, wie sie sich etwas später nannte, als eigenständige Gemeinde.
Nun ging die neue Gemeinde daran, sich zu organisieren. Dabei ergaben sich mancherlei Schwierigkeiten. Es gab Glieder, die auf eine radikale Reform drängten, während andere ein mäßiges, langsames Vorgehen vorschlugen. Doch Besonnenheit und Brüderlichkeit haben die weiteren Reformen der Gemeinde charakterisiert. Zunächst versammelte sich die Gemeinde in Scheunen, die für die Sonntage zu diesem Zweck hergerichtet wurden, bis ein eigener Versammlungsraum gebaut wurde. Für die Kinder errichteten sie eine Schule, die von der Primaria bis zur Sekundarstufe nach nationalem Programm aufgestockt wurde.
Die Evangelische Mennonitengemeinde ist eine Missionsgemeinde. Das bezeugen ihre vielen Missionsfelder: eine Kindertagesstätte und ein christlicher Buchhandel auf Campo 9, Unterstützung des Radiosenders >Radio Mensajero in >Tres Palmas. Im Jahr 2000 wurde das >Hospital Luz y Vida eröffnet.
Einzelne Glieder der Gemeinde beteiligen sich außer an den genannten Gemeindeprojekten an der Gefängnismission in Coronel Oviedo und Villarrica, an Bibelverteilung mit den >Gideons und dem Aufbau und der Führung der beiden Mandiokastärkefabriken (CODIPSA) für paraguayische Bauern (>MEDA).
Zu Anfang des Jahres 2007 hatte die Gemeinde 347 Gemeindeglieder und der Älteste der Gemeinde ist seit ihrer Gründung Jakob J. Heinrichs.
Gerhard Ratzlaff