Tschumaken (russ. Fuhrdienste leisten) bezeichnet die Fuhrdienste, mit denen viele Friesländer in der Zeit von 1946 bis 1956 ihren Lebensunterhalt verdienten.
Seit der Gründung 1937 hatten die Friesländer auf immer weniger tragenden Baumwollfeldern sich abgequält, innerhalb von acht Jahren ihre Landschuld bezahlt und dabei in der >deutsch-völkischen Zeit sehnsüchtig nach Deutschland ausgeschaut. In großer Einigkeit erklärten sie: Wir wollen heim ins Reich! Mit dem Kriegsende zerbrachen das Reich und alle Träume.
Baumwolle wollte niemand mehr anpflanzen. Der Kolonist hatte den Ackerbau, abgesehen von etwas für den Eigenbedarf und Futter für die Pferde, praktisch aufgegeben. Das Bargeld versuchte er jetzt durch Fuhrwerksdienste (Tschumaken) auf der Landstraße zu verdienen.
Das große Ziel der Verwaltung Frieslands war damals, eine moderne Zuckerfabrik aufzubauen, um durch den Zuckerrohranbau nicht nur eine landwirtschaftliche Grundlage, sondern gleichzeitig eine verarbeitende Industrie zu schaffen. Die Verwirklichung des Projekts verzögerte sich immer weiter. Die Fuhrwerksdienste aber nahmen immer mehr zu. Die Friesländer hatten bald das gesamte Transportwesen der Zone in ihrer Hand. Sie fuhren hauptsächlich auf der Strecke Pto. >Rosario, General Aquino, Itacurubí, Friesland, Vaca-hú nach San Estanislao, insgesamt etwa 100 km. Während die Carretas für die etwa 100 km vier, sechs oder acht Tage brauchten auf Wegen, die oft nicht als solche zu erkennen waren, brachten die Tschumaker nicht nur Personen und Waren in der Rekordzeit von knapp zwei Tagen sicher zu ihrem Bestimmungsort, sondern auch – man war stark beeindruckt und voll des Lobes – sogar jegliche Geldbeträge. Dabei wurden in den großen Regenperioden immer wieder Strecken grundlos. Half es dann nichts, weitere Pferde vorzuspannen, musste halt alles abgeladen, ja manchmal selbst der Wagen noch auseinander genommen und alles bis auf festes Land geschleppt werden.
So fuhren dann die mennonitas am Wochenanfang immer wieder einzeln, in kleinen Gruppen oder auch in ganzen Trecks aus ihren Dörfern. Höfe, Frauen und Kinder sich selbst überlassend, kehrten sie manchmal erst am Wochenende heim. Dabei hatten sie dann, wenn ihre Transportwege es erlaubten, bei ihren Überlandfahrten einmal ihre Höfe als Zwischenstation einschalten können.
Alte und junge Männer waren bei jedem Wetter zu jeder Tageszeit auf der Landstraße. Einige konnten die Strecke schon schlafend fah-ren, nicht nur nachts. Im Übrigen war es bei stockdunkler Nacht ratsam, die Leine locker zu lassen und die Pferde nicht zu stören. Einmal sahen sie besser und konnten so das Fahrzeug vor dem Umstürzen bewahren, zum andern kannten sie den Weg, besonders nach Hause, auch allein. So kam es dann mitunter vor, dass Hausfrauen frühmorgens die geduldig vor dem Hoftor haltenden Pferde samt dem fest schlafenden Wagenlenker hereingelassen haben. Allerhand Spaß konnte es beim Fuhrwerken geben, und die Jungen setzten ihren Ehrgeiz daran – und quälten ihre Eltern damit – möglichst früh auf einem Fuhrwerk ein freier Mensch zu sein. Die Eltern aber dachten mit Sorgen: Unsere Kinder werden sich immer mehr an dieses Leben gewöhnen, werden zufrieden auf ihren Wagen – bei Mate oder Tereré – schwatzen, singen, schreien; bei Regen und Sturm unter ihrem nassen Kuhleder manchmal auch fluchen – und doch noch glauben, dass sie Herren sind: barfüßig oder mit Schlorren und mit verschwitzten Strohhüten!
Immer mehr willensstarke, fähige und verantwortungsbewusste Eltern gaben auf und wanderten aus. 1953 wurde das Zuckerrohrprojekt endgültig aufgegeben. Die erhoffte Finanzierung über das >MCC konnte nicht erreicht werden. Die Folge war eine verstärkte Abwanderung.
Für den Fortbestand der >Kolonie >Friesland gab es nur ein Rezept: Tschumaker müssen schnellstens wieder Bauern werden! Die Alternative wäre gewesen, die Kolonie geordnet aufzulösen und auszuwandern. Mit Mais, Rizinus und Weizen konnte diese erste Auswanderungswelle der Kolonie gebremst und 1959/60 sogar so weit gestoppt werden, dass die Personenzahl wieder anstieg: Friesländer waren wieder Bauern! Die Kosten waren: Von 1947 bis 1959 verlor die Kolonie über 400 Personen durch Auswanderung. Für die Gemeinschaft ein schwerer Aderlass und eine negative Auslese.
Alfred Fast sen.
Gerhard Ratzlaff (Hg.): Auf den Spuren der Väter: Eine Jubiläumsschrift der Kolonie Friesland in Ostparaguay: 1937 – 1987. Asunción, 1987, S. 194-198.