Zurechtmacher

Bis heute werden Zurechtmacher (>Knochenarzt) in den >Mennonitenkolonien sehr geschätzt und von vielen Leuten gerne aufgesucht. Sie werden plattdeutsch Trajchtmoaka oder Knoakedokta genannt. Es sind Laien, Männer oder Frauen, die es verstehen, ausgekugelte Gelenke einzurenken, verschobene Sehnen oder Muskeln, früher auch Knochenbrüche, zurechtzurücken, so dass die Verletzung wieder in Ordnung gebracht wird, – trajcht – zurechtgemacht wird.
Die Gesundheitsfürsorge unter den Mennoniten bestand in den Ansiedlungsjahren im >Chaco zum großen Teil in den verschiedensten >Hausmitteln, die in jeder Familie mehr oder weniger bekannt waren. Es gab Laienhebammen, – manchmal auch ausgebildete – die bei Geburten und sonstigen Notfällen gerufen wurden, und Zurechtmacher, die aufgesucht wurden und die bereit waren, jedem zu helfen, der medizinische Hilfe nötig hatte, wenn Kräutertees nicht weiterhalfen. In vielen Fällen war kein Krankenhaus in erreichbarer Nähe. Aber auch heute noch werden Zurechtmacher gerne aufgesucht, wenn ein bestimmter Körperteil “tonicht” ist.
Diese Zurechtmacher haben ihre Arbeit meistens aus eigenem Interesse begonnen und entwickeln häufig eine beachtliche Geschicklichkeit, was sich an ihrem Erfolg erkennen lässt. Oftmals haben sie Bücher oder Abbildungen des menschlichen Skeletts, dazu eine Beschreibung, wie man in bestimmten Fällen zu handeln habe. Ansonsten handeln sie nach ihrer Intuition und gesundem Menschenverstand. Mit den feinfühligen Händen spüren sie, was nicht in Ordnung ist, um es dann zurecht zu stellen. Sie beobachten genau die Reaktion der behandelten Person und können sich so am Gesichtsausdruck, an Mimik und Gestik ein Bild vom Leiden derselben machen. Es gibt Zurechtmacher, die vorsichtig und schonend vorgehen, andere sind etwas gröber und packen handfester zu nach dem Motto: je mehr Schmerzen, um so wirkungsvoller die Behandlung.
Zu den am meisten benutzten Mitteln gehörte Alkohol, um die zu behandelnden Stellen einzureiben. Es gibt Berichte von erstaunlichen Erfolgen der Zurechtmacher, zum Beispiel dass Kinder, die stotterten, geheilt wurden. Manchmal muss eine Behandlung mehrmals durchgeführt werden, bis ein bleibender Erfolg zu verzeichnen ist.
Zurechtmacher sind oftmals geschickte Masseure, die durch Massagen an der Fußsohle die verschiedensten inneren Organe des menschlichen Körpers beeinflussen.
Es ist nicht zu bestreiten, dass Zurechtmacher in den Jahren der Ansiedlung im paraguayischen Chaco sehr wertvolle Dienste geleistet haben. Aber auch heute noch suchen viele Menschen mit Rücken- und Kreuzschmerzen, Knochenbrüche, oder durch Verspannung hervorgerufene Schulter- und Armschmerzen die Zurechtmacher auf und finden dort Hilfe. Erst wenn der Zurechtmacher nicht helfen kann, gehen sie zur Behandlung auch ins Krankenhaus.
Uwe S. Friesen
Martin W. Friesen: Neue Heimat in der Chacowildnis. 2. Auflage. Asunción: Imprenta Modelo, 1997, S. 297-298; Regine Breuninger de Guenther: Geschichte des Gesundheitswesens der Kolonie >Menno von 1927 – 1980. [Masch. Schrift] 2006.