Bibel

Wie schon im frühen Täufertum (>Täufer), so nimmt auch im paraguayischen Mennonitentum die Bibel in den verschiedenen Glaubensgruppen einen bedeutsamen Platz ein. Im Schulsystem der kanadischen Einwanderer war das Neue Testament und dann die Bibel Teil des Textbuches, mit dem man Lesen und Schreiben lernte. Die Bibelkenntnis wurde durch den >Katechismus und den Taufunterricht anschließend vertieft, wenn auch gelegentlich in etwas mechanischer Form.
Die Einwanderer und Flüchtlinge aus Russland brachten meist eine besondere Wertschätzung der Bibel mit, kannten Bibelstunden, Bibelbesprechungen und persönliche stille Zeit der Bibellese und der Familienandacht.
Für die indianisch-mennonitischen Gemeinden war die Übersetzung der Bibel in ihre Sprachen ein langwieriger Prozess, dann aber auch eine sehr bedeutsame Errungenschaft in Verkündigung, Gemeindearbeit und biblischer Unterweisung. In der Übersetzungsarbeit haben sich besonders die Missionare G. B. Giesbrecht, Dietrich Lepp, Gerhard und Irma Hein mit ihren jeweiligen indianischen Helfern verdient gemacht (>Bibelübersetzung).
Die spanisch-mennonitischen Gemeinden, die vielfach aus einem volkskatholischen Hintergrund mit schwachem Bibelbezug kamen, haben das Bibellesen in systematischem Bibelunterricht für Erwachsene an den Sonntagen sowie das Mitbringen der Bibel zu den Gottesdiensten in besonderer Weise gepflegt. Sie benutzen bis heute fast ausschließlich die Reina Valera Übersetzung.
Im deutsch-mennonitischen Raum hat die Luther-Übersetzung im Heim und auf der Kanzel die bedeutendste Rolle gespielt. Elberfelder, Schlachter, Menge, später die Übertragungen von Bruns und die ‘Gute Nachricht’, neuerdings die ‘Hoffnung für alle’ und die Jerusalemer Bibel werden gerne und vielfach neben der Lu-therübersetzung benutzt.
Die systematische Bibelkenntnis wird in Sonntagsschulen, aber auch im regulären Religionsunterricht der Primar- und Sekundarschulen sowie neuerdings durch Radiosendungen gefördert. Dazu gehörte früher auch das Auswendiglernen von Bibeltexten. Der Sonntagsschulabschluss wird bis heute noch mit der Übergabe eines ‘Spruches’ gefeiert. Schon Anfang der 30er Jahre entstand im >Chaco die Wander-Bibelschule, gegründet von >Nikolai Siemens. Später kamen verschiedene elementare Bibelschulen in den Kolonien dazu. Bedeutsam sind auch Programme von Gemeindebibelschulung, insbesondere das so genannte >FLET Programm. Die mennonitisch theologischen Seminare >CEMTA und >IBA, die seit 1995 in der gemeinsamen theologischen Fakultät der Evangelischen Universität (>Universidad Evangélica) zusammengeschlossen sind, führen in die systematische Bibelwissenschaft, Exegese, Textkritik, biblische Theologie sowie in die Bibelsprachen Hebräisch und Griechisch ein.
Die so genannte Bibelkritik, die im 19. und 20. Jahrhundert vielfach die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift hinterfragte, hat in Paraguay bisher kaum wirklichen Einfluss gehabt. Allerdings scheint das praktische Bibelwissen sowie die bewusste geistliche Nahrung aus der Bibel schwächer zu werden. Aber neuerdings sind die meisten Gemeinden bestrebt, das Bibellesen und die Bibelkenntnis durch neue Formen zu fördern und zu motivieren.
Alfred Neufeld