Nikolai Siemens (1895 – 1958) gehört als Gründer des >Mennoblatts, dessen Schriftleiter er 25 Jahre (1930 – 1955) lang war, zu den bedeutenden Pionieren der >Kolonie Fernheim und der russlanddeutschen Einwanderer in Paraguay. In der Krim geboren und schon früh zum Prediger und Gemeindeleiter gewählt, hat er sich als Autodidakt sowie als Bibelschüler der Lehranstalt in dem mennonitischen Dorf Tschongraw, Krim, eine den Verhältnissen entsprechend gute Allgemeinbildung erworben. Verheiratet mit Anna Wosnjak Fessner, einer polnisch-deutschen Baptistin, hat das Ehepaar gemeinsam zehn Kinder großgezogen.
In den Flüchtlingslagern Europas wurde er zum Gruppenleiter der 3. Gruppe gewählt, die die Dörfer Schönwiese (Nr. 7), Schönbrunn (Nr. 8) in Fernheim anlegten. Die in der Ausrüstung mitgebrachte Handdruckerei wurde der Familie Siemens anvertraut und auf Ermutigung der Gemeinschaft das Mennoblatt gegründet. Das Mennoblatt war in den schweren und finanziell knappen Jahren eine Mischung aus Familienbetrieb und Kolonieblatt und erfreute sich großer Beliebtheit durch das breite Spektrum von Informationen, geistlicher und wirtschaftlicher Orientierung sowie als Diskussionsforum. Nikolai Siemens verfasste einen ganz großen Teil der Beiträge selber und unternahm verschiedenste Reisen im Auftrag von Gemeinde, Kolonie und wohl auch aus Privatinteresse, um interessanten Lesestoff für das Blatt zu produzieren.
Das in der Bibelschule erworbene Wissen suchte Nikolai Siemens sehr bald durch Wanderbibelschule, Bibelbesprechungen und Predigerkonferenzen an andere weiterzugeben. Die Bibelschulbewegung in den Kolonien, später unterstützt durch Hilfe der nordamerikanischen Konferenzen, ist auf seine Initiative zurückzuführen.
Nikolai Siemens war ein Liebhaber des Deutschtums und der deutschen Sprache und hatte während des kurzen Aufenthalts in Deutschland 1929 manche Freundschaften geschlossen. Sein anfänglicher Optimismus anlässlich der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde zunehmend gedämpft durch die Nachrichten über Judenhass, Militarisierung und nicht zuletzt durch Warnungen von Seiten des >MCC und der Eberhard Arnold Bruderhöfe, die aus dem neuen Deutschland ausgewiesen worden waren und vorübergehend 1940 in Filadelfia Zuflucht suchten. Siemens machte seine Kritik deutlich bemerkbar, verlor sehr bald sein Amt als Sekretär des deutschen Volksbundes und wurde schließlich einer der Hauptsprecher der so genannten wehrlosen Partei, die sich für ein Bleiben im >Chaco und den Rückzug aus jeglicher nationalsozialistischen Politik einsetzte. Nach Kriegsende war er gemeinsam mit B. B. >Janz, Ältesten Jakob >Isaak u. a. entscheidend daran beteiligt, dass die Vergangenheit aufgearbeitet wurde und Versöhnung in Gemeinden und Kolonie angestrebt wurden.
Die Leutseligkeit von Nikolai Siemens, sein Einsatz in der frühen Indianermission, seine Gutgläubigkeit, die Liebe zur Chaconatur, zu Kindern und Familie, sein ökumenischer Geist, seine vielseitigen Kontakte zur ,weltweiten Bruderschaft – all das ist für die ersten 25 Jahre der Kolonie Fernheim von prägender Bedeutung gewesen.
Alfred Neufeld