Typhusepidemie

Typhus – auch Bauchtyphus – ist eine schwere Durchfallerkrankung (Bakterien-Infektion), die weltweit vor allem in warmen Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen und unsauberem Trinkwasser vorkommt. Am häufigsten sind Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren betroffen. Die schweren fieberhaften mit Durchfall verbundenen Erscheinungen sind unbehandelt gefährlich und können zum Tod führen. Der Erreger wird fäkal-oral übertragen, also durch verunreinigte Nahrungsmittel oder verschmutztes Wasser.
Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich zehn Tage. Mattigkeit, Kopfschmerzen, Verstopfung, niedriger Puls, Bewusstseinsstörungen, Milzschwellung, rötlich-fleckförmiger Hautausschlag am Oberkörper, und im Extremfall Darmperforation, Haarausfall, Knocheneiterungen und Hirnhautentzündung sind weitere Symptome. Während der langen Genesungsphase sinkt das Fieber dann wieder stufenweise ab. Am besten schützt man sich gegen Typhus durch Hygiene, Verzicht auf unzureichend gegarte Speisen und rohes Wasser. Die Schutzimpfung wirkt etwa 60 – 75 % und mildert die Krankheit.
Als die kanadischen Mennoniten 1927 in >Puerto Casado ankamen, wurden sie auf verschiedene Tropenkrankheiten aufmerksam gemacht, auch auf Typhus. Trotzdem brach 1927 eine Typhusepidemie unter ihnen aus. Hauptgrund war die mangelhafte Hygiene während der langen Wartezeiten in den >Siedlerlagern sowie die ungewohnten klimatischen Bedingungen und das ungewohnte Flusswasser. Die Rohre für die Wasserversorgung des Lagers reichten nur bis in die Randzonen des Flusses, wo oft verendete Tiere und Abfall zu finden waren.
Ärzte standen kaum zur Verfügung, und die Siedler wollten den fremden Helfern keinen Glauben schenken und befolgten zu selten deren Anordnungen wie zum Beispiel das Wasser abzukochen, bevor es getrunken wurde. In den ersten Monaten von 1927 waren es vor allem Kinder unter zwei Jahren, die starben, doch dann begann die Krankheit auch unter den Erwachsenen zu wüten. Im ganzen genommen war es aber eine trübe Zeit, schreibt Martin W. Friesen in Neue Heimat in der Chacowildnis, Seite 322. In 5 Familien starben beide Elternteile, in 25 Familien starb die Mutter und in 24 Familien der Vater. 54 Familien verloren einen Elternteil oder auch beide durch den Tod. Es gab weit über 100 Halbwaisen und eine Schar von Vollwaisen. Erst Mitte 1928 ließ die Typhusepidemie nach und hörte dann ganz auf. Schwer waren diese ersten Monate im >Chaco, als 121 Leute starben.
Es starb etwa jeder zehnte Einwanderer; in >Puerto Casado, >bei Pozo Azul, >Hoffnungsfeld, >Palo Blanco und >Loma Plata wurden sie begraben.
Als die Russlandmennoniten 1930 in den Chaco einwanderten, siedelten sie gleich in Dörfern an. Doch auch sie wurden bald von der Geißel der Typhusepidemie erfasst, und es starben innerhalb kurzer Zeit 94 Pioniere, davon 34 im Dorf Schönbrunn, wo jeder vierte Einwohner der Krankheit zum Opfer fiel und im ausgehöhlten Flaschenbaumsarg bestattet wurde. In Friedensruh starben 13 und in Schönwiese 16 Personen.
Es gab keinen Arzt, den man hätte zu Hilfe rufen können, und erst nachdem Militärärzte von der Regierung geschickt wurden, konnte die Epidemie durch Isolierung der Kranken und Impfung der Gesunden gebremst werden.
Das große Sterben in den drei Dörfern Friedensruh, Schönwiese und Schönbrunn wird wohl die dunkelste Seite der Geschichte der Ansiedlung Fernheims bilden. Der dritte Transport, aus dem die Einwohner der drei Dörfer zusammengestellt worden waren, brachte vom argentinischen Flussdampfer Durchfall mit. Die ungewohnte, stark einseitige Kost, die hastende Arbeit bei ungewohnter Hitze – alles schwächte die Körper und die Krankheit griff stärker um sich.
1930, das Jahr der Ansiedlung, war ein extremes Dürrejahr mit glühend heißen Nordwinden und Temperaturen bis zu 45º C. Die zahlreichen Kranken in den Zelten litten unsäglich unter der Hitze. Medizin und ärztliche Betreuung fehlten fast gänzlich. Im August gab es die ersten Sterbefälle. In wenigen Wochen stieg die Zahl der Toten auf 13. In manchen Familien starben zwei bis drei, auch sogar vier Personen. Eine Familie in Schönbrunn mit fünf Personen starb ganz aus.
Vom Kolonieamt wurde dann eine dringende Bitte um ärztliche Hilfe nach Asunción gesandt.
Nach einem tüchtigen Regen mit Wetterumschlag setzte das Sterben aus. Man atmete auf. Doch bald schlug die Krankheit mit neuer Heftigkeit zu. Bis zu sieben Personen in einer Woche musste man begraben, einmal sogar drei an einem Tag. Die Gesunden hatten ihre Mühe mit all den Särgen, weil man dazu Flaschenbäume aus dem Busch holen und dazu noch aushöhlen musste.
Inzwischen traf der aus Asunción entsandte Militärarzt ein und stellte Unterleibstyphus in äußerst starker Form fest. Die noch Gesunden erhielten Spritzen gegen Typhus, doch den schon Erkrankten konnte auch er nicht helfen. Endlich Anfang Dezember kam die Krankheit endgültig zum Stillstand. In den späteren Jahren ist sie nur noch ganz vereinzelt aufgetreten.
Uwe S. Friesen,/Agnes Balzer
Martin W. Friesen: Neue Heimat in der Chacowildnis. 2. Auflage. Asunción: Imprenta Modelo, 1997; Walter Quiring: Deutsche erschließen den Chaco. Karlsruhe: Heinrich Schneider, 1936, S. 144; Peter P. Klassen: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. 2. erweiterte Auflage. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V., 2001, S. 111-113; Wilhelm Kassen: Mennoblatt 1 (1930) 1. S. 2; Johann Regehr: Das Sterben in Schönbrunn. Private Aufzeichnung.