Jakob Unger (1894 – 1959) wurde am 23. Februar 1894 in Podolsk, Gouvernement Cherson im Uralgebiet geboren. Nach dem Abschluss der Volksschule besuchte er die Fortbildungsschule in New York im Bachmuter Kreis und dann die Fortbildungsschule in Nikolaipol, 25 km von Chortitza entfernt.
Danach wurde er Lehrer, noch bevor er eine spezielle Ausbildung dafür gemacht hatte.
1913/14 siedelte er nach Sibirien um und übernahm auch dort eine Schule. Für etwa ein- oder eineinhalb Jahre arbeitete er im Forsteidienst nördlich von Omsk.
Danach übernahm er wieder eine Schule und erwarb auch nach Absolvierung einiger Kurse das staatlich anerkannte Lehrerdiplom. Als Staatsangestellter verdiente man damals sehr wenig, und da Unger schon während seiner Studienzeit in Nikolaipol von einem seiner Lehrer das Präparieren von Tierbälgen erlernt hatte, wurde das ein lohnender Nebenverdienst. Schon damals hat Unger für ein deutsches Museum gearbeitet. Jagdreisen bis in den hohen Norden Russlands waren dafür erforderlich.
Es kam noch etwas hinzu: Das Schrot war auf dem Markt nicht mehr zu haben. Da musste man sich selber helfen. Unger verließ kurzerhand den Schuldienst und eröffnete eine Art Schrotfabrik. Wer es probieren will, nehme einen Tiegel zum Schmelzen von Blei und ein Gefäß mit kaltem Wasser, auf das man eine Schicht Öl gießt. Mit Hilfe eines Röhrchens tropft man geschmolzenes Blei hinein, das Öl verhindert, dass der Tropfen sich verformt. Sinkt er ab ins kühlere Wasser, wird er hart und kann danach in einer Sortiermaschine zu gleich großen Tropfen eingesammelt werden.
Seine Erfindung erweckte Aufsehen in einer Moskauer Ausstellung; aber David Boschmann schreibt:
um den Erlös wurde er betrogen.
Es folgte 1927 die Übersiedlung an die chinesische Grenze und 1930 die >Flucht über den Amur. In >Fernheim siedelte die Familie im Dorf Orloff an, und hier arbeitete er zunächst wieder in der Schule.
Es gab kein Unterrichtsmaterial außer der Schiefertafel mit dem Griffel und so mussten alle Rechen- oder Schreibaufgaben für jeden Tag neu darauf gemacht werden. Unger hatte von Leuten, die über Deutschland nach Paraguay gekommen waren, ein Lesebuch, eine Grammatik von Schaade und eine Leselust-Fibel bekommen. Das Rechenbuch erarbeitete er sich selber; es enthielt u. a. das ganze Einmaleins, dazu viele Rechenaufgaben.
Auch sonst wusste er aus seiner früheren Lehrertätigkeit manches aus dem Gedächtnis zu reproduzieren.
Lehrer Unger konnte singen und Geige spielen; er soll sogar ein Gedicht vertont und mit seinen Schülern gesungen haben. Gedichte – auch russische – wurden gelernt, auch Diktate geschrieben. Er verwendete das grüne Lesebuch und den berühmten Richard Lange schon. In besonders guter Erinnerung sind die Ausflüge geblieben, auf denen Unger seinen Schülern Tiere und besonders Vögel zeigte bzw. viel von ihnen erzählte.
Auch wusste er, wie man Hunde dressiert. Wie sollten ihm da die Herzen der Jungen nicht sicher sein! Vom Blei schmelzen nicht zu reden.
Lehrer Unger war für die Schüler in der Schule eine Respektsperson; Grüßen war gefordert; aber außerhalb des Klassenzimmers galt er als Freund. Abends lud er die Schüler oft zum Spielen auf seinen Hof ein.
Als Bezahlung sollte er vom Dorf im Jahr einen Sack Mehl bekommen. Aber damit gab es Probleme – und da war dann die Jagd sicherer.
Unger als Naturfreund, Forscher und Sammler:
Als Peter P. >Klassen das Senkenberg-Museum in Frankfurt besuchte, zeigte man ihm dort Tierbälge, hauptsächlich von Vögeln, von Unger präpariert und man lobte die saubere Arbeit. Seine sehr exakten Beschreibungen haben ihm den Titel eines Professors eingebracht (so sein Sohn Heinrich).
Im Dorf kannte man ihn als Jäger, der oft für mehrere Wochen seine Familie zurückließ und zu den großen Kämpen (>Kamp) in den Süden fuhr.
Davon wusste er dann viel zu erzählen; aber stets ist er ein bescheidener, jedoch selbstbewusster Mann geblieben. Unger starb am 22. Juni 1959 an einer Arsenvergiftung, die er sich beim Präparieren von Tieren zugezogen hatte.
Peter P. Klassen hat wohl recht, wenn er schreibt: Er war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Ansiedlergemeinschaft.
Jakob Unger war ein Lehrer, der fähig war, bei seinen Schülern Interesse zu wecken oder weiter zu geben an Kinder und Großkinder. Er war bester Kenner der Chaconatur seiner Zeit unter den Mennoniten. Sein Wissen hat er aufgrund von Erfahrungen und Beobachtungen erworben. Er war ein international anerkannter Forscher, menschlich und menschenfreundlich. Entgegen den oft unfreundlichen Gegebenheiten der Ansiedlerzeit hat er seinen Optimismus behalten, denn sein Interesse war größer als die Hindernisse.
Lily August
David Boschmann: Pionierlehrer der Kolonie Fernheim 1030- 1932. Hillsboro, Kansas, 1989.