Nikolai Wiebe (1877 – 1969) stammt aus der Kolonie Molotschna in der Ukraine. Er wurde am 21. Februar 1877 in Fischau geboren. Erst im Alter von 28 Jahren konnte er das Heil in Jesus Christus annehmen. Bald nach seiner Bekehrung und Taufe wählte ihn die Lichtenauer Mennonitengemeinde als Prediger. Die Hungersnot und die Typhusepidemie zu Beginn der 1920er Jahre führten zu einer tief gehenden Erweckung in den mennonitischen Gemeinden. Prediger Nikolai Wiebe schloss sich daraufhin der Molotschnaer Evangelisch Mennonitischen Bruderschaft an. Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand der MBG von Tiege befruchtete sein geistliches Leben und der beständige Einsatz im Predigtdienst förderte sein Rednertalent. Seine Bibelkenntnis war beneidenswert. Im Jahre 1929 gelang Prediger Wiebe die Flucht aus Russland. Er war einer der wenigen Gemeindeleiter, die dem russischen Geheimdienst entkamen.
Die Familie Wiebe kam mit dem dritten Transport am 18. Juni 1930 in den >Chaco und siedelte im Dorfe Schönwiese an.
Zu der schweren Ansiedlungsarbeit kam für den >Prediger die geistliche Betreuung der Siedler im Dorfe und auch darüber hinaus. Sein starkes Gottvertrauen war vielen ein Ansporn im Kampf ums Überleben und sein Zuspruch bei den vielen Begräbnissen vermittelte den Menschen Trost.
Als die Vertreter der anderen Gemeinden ihre Glieder gesammelt und Gemeinden organisiert hatten, rief auch Nikolai Wiebe die Glieder der Allianzgemeinden zusammen und die Gründung der paraguayischen Evangelisch Mennonitischen Bruderschaft (EMB) wurde unter seiner Leitung am 5. Oktober 1930 vollzogen. Nikolai Wiebe hatte Erfahrung in der Gemeindeleitung und auch in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden. Seine Predigten waren überzeugend. Sein an der Bibel orientiertes Unterscheidungsvermögen und sein Weitblick waren kennzeichnend für ihn. Das stellte er während der völkischen Bewegung und in anderen Krisenzeiten in Fernheim unter Beweis. Als Gemeindeleiter hat er wesentlich dazu beigetragen, dass die aus so verschiedenen Kolonien (Chortitza, Sagradowka, Molotschna und Krim) stammenden Gemeindeglieder der EMB erst einmal zu einer Gemeinde zusammenfanden. Durch die Aufnahme und Ordination von Predigern und Diakonen erhielt die Gemeinde einen starken Arbeiterstab. Mit dem Bau der Kirche in Waldesruh (1943) und dem dazugehörenden Hof erhielt die Gemeinde ein Zuhause, wo sie Gemeinschaft pflegen konnte. Die Gemeindearbeit konnte organisiert und verbessert werden. Seine Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinden kam durch die Mitarbeit in der KfK am besten zum Ausdruck. Dieses Gremium war am 6. März 1931 in Waldesruh gegründet worden. Noch in demselben Jahr wurde Prediger Nikolai Wiebe als Leiter dieser Kommission gewählt. Dank seiner Erfahrung in dieser Arbeit konnte er viel dazu beitragen, dass die >KfK das einigende Band für die Gemeinden Fernheims wurde. In den Jahren von 1932 bis 1941 war er Leiter der KfK
Prediger Nikolai Wiebe war für >Fernheim ein von Gott begnadeter geistlicher Führer. Er hat die Generation der Fernheimer Pioniere in geistlicher Hinsicht stark geprägt.
Am 13. März 1949 gab er die Leitung der Gemeinde aus Altersgründen ab. Im Jahre 1954 starb seine Frau und er wurde einsam. Er trat immer mehr aus dem öffentlichen Dienst zurück und lebte zurückgezogen auf seinem Hof in Schönwiese. Er starb am 10. März 1969 im Alter von 92 Jahren.
Klaus Löwen
Berichte von der 25-järhigen Jubiläumsfeier der E.M.B. 1955; Protokolle von K.f.K. Sitzungen 1932-1933; Peter Wiens: Die K.f.K. Fernheim – ein geschichtlicher Überblick 1931-1991. Hg. K.f.K. Fernheim. Filadelfia, 1992.