Alte Schule

Alte Schule nennt man das Schulsystem nach “alt hergebrachtem System” aus der >Kolonie Bergthal in Russland. Sie wurde über Kanada nach >Paraguay mitverpflanzt und wird heute noch in verschiedenen Kolonien wie >Nueva Durango, >Sommerfeld, >Bergthal, >Río Verde, >Nuevo Mexiko, >Manitoba und >Santa Clara (>Altkolonier Mennoniten) beibehalten.
Die größeren Schüler sitzen hinten, die kleineren vorne, die besseren zur Mitte hin am Gang nach folgenden Kategorien: Fibler, Katechismer, Testamentler und Bibler. Besonders gute Schüler der einzelnen Stufen rücken auf zum mittleren Gang, der Jungen und Mädchen voneinander trennen soll. Das Fächerpensum besteht aus Religion, Rechnen, Schönschreiben, Rechtschreiben, Singen und einigen anderen Fächern.
Diese alte Schule funktioniert nach folgendem Schema: Am Vormittag wird nach dem Morgenlied aus dem alten Gesangbuch gesungen und das Gebet stehend und mit geneigtem Haupt gesprochen: das Vaterunser oder auch ein anderes auswendig gelerntes. Den Schluss der Besinnung bildet ein Lied aus dem Gesangbuch.
Als nächstes werden die Schulregeln aufgesagt. Darauf folgt der Abriss einer Biblischen Geschichte, woraufhin das Apostolische Glaubensbekenntnis aufgesagt wird.
Dann erfolgt der Befehl des Lehrers: “Bücher nehmen!” Fibler, Katechismer, Neutestamentler und Bibler werden tätig. Die Fibler dürfen das ABC kennen lernen, zuerst das gotische (Sütterlin), dann das lateinische. Sie buchstabieren zuerst Silben, dann Wörter und sagen Verschen auf. Beim Aufsagen der Schulregeln, Gedichte oder Verschen stehen die Schüler immer gerade und halten die Hände gefaltet. Mit der Fibel lernen sie lesen. Die Fibler werden auch mit dem lateinischen ABC bekannt gemacht.
Die Katechismer buchstabieren und lesen, die Testamentler und Bibler lesen laut oder still, je nachdem mit welcher Gruppe der Lehrer arbeitet.
Richtige Pausen gibt es nicht, aber die Knaben dürfen irgendwann zwischendurch hinausgehen. Wenn sie alle wieder drinnen sind, dürfen auch die Mädchen den Klassenraum verlassen.
In den Schreibstunden werden verschiedene Aufgaben ausgeführt: Die Fibler und Katechismer schreiben mit dem Griffel auf Schiefertafeln, die Testamentler und Bibler mit Tinte auf Blättern oder im Heft und machen weitere Übungen an der Tafel. Es wird abwechselnd an einem Tag die deutsche Schrift (gotisch) und am anderen Tag die lateinische Schrift geübt.
Am Schluss des Vormittags wird wieder ein Danklied gesungen wie zum Beispiel: “Aller Augen warten auf dich…”
Am Nachmittag singt man zuerst ein Danklied oder spricht ein Gebet, zum Beispiel: “Danket dem Herrn, denn er ist freundlich…” Danach wird wieder gelesen, geschrieben und gerechnet. Den Schluss des Nachmittags bildet das Abendlied und ein Gebet: “Lass mich diese Nacht …” oder “Gott, unter deinem Segen geh ich der Ruh entgegen…”
Uwe S. Friesen
Martin W. Friesen: Kanadische Mennoniten bezwingen eine Wildnis, 50 Jahre Kolonie Menno – erste mennonitische Ansiedlung in Südamerika. Neu überarbeitete Ausgabe. Loma Plata: Druckerei Friesen, 2004; Martin W. Friesen: Neue Heimat in der Chacowildnis. 2. Auflage. Asunción: Imprenta Modelo, 1997; Verein für Geschichte und Kultur der Mennoniten in Paraguay (Hg.): Jahrbuch für Geschichte und Kultur der Mennoniten in Paraguay, Jahrgang 6. Im Dienste der Gemeinschaft: Personen, die Verantwortung übernahmen. Dezember 2005; Peter P. Klassen: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. 2. erweiterte Auflage. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V., 2001; Geschichtskomitee der Kolonie Menno (Hg.): Glaube und Schule unserer Väter – Ein Beitrag zum 80. Jubiläum der Kolonie Menno im paraguayischen Chaco. 2007.