Gemeindedisziplin

Gemeindedisziplin bzw. Gemeindezucht war seit der Entstehung der >Täufer eine der wichtigen Forderungen zum Bau der Gemeinde.
Dabei geht es darum, Mittel anzuwenden, um die Reinheit der christlichen Gemeinde zu bewahren. Die mennonitischen Gemeinden stützen sich dabei auf Matthäus 18, 15 – 18: Sündigt aber ein Bruder… Hier werden vier Schritte erwähnt, wie mit Gemeindegeschwistern umgegangen werden soll, wenn sie auf Abwege geraten. 1. Das seelsorgerliche persönliche Gespräch, wobei das Gemeindeglied auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden soll, mit dem Ziel der Besserung. Es ist der einzige Schritt, wo mit dem Bruder/der Schwester einzeln, d. h. ohne Zeugen gesprochen wird. 2. Mit dem zweiten Schritt tritt das Problem schon in einen breiteren Rahmen, und er dient schon der Zurechtweisung, indem zwei oder mehr Gemeindegeschwister mit dem Sünder reden. 3. Dann geht es darum, die ganze Gemeinde mit einzubeziehen. Schritt zwei und drei sind nicht nur zur Besserung gedacht, sondern auch zur Erziehung des Gemeindegliedes und als Schutz gegen eine Abstumpfung der Gemeinde (zur Erhaltung der Reinheit der Gemeinde). 4. Wenn keine Besserung erfolgt, dann ist die Gemeinde aufgefordert, Stellung zu nehmen durch die Absonderung (Ausschluss) des in Sünde lebenden Gemeindegliedes. Durch den Ausschluss erlöschen alle Rechte und Pflichten des Betroffenen der Gemeinde gegenüber und umgekehrt.
Diese Schritte werden in verschiedenen Gemeinden in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. >Menno Simons schon befasste sich intensiv mit dem Thema, und er hob hervor, dass es nicht darum gehe, schwache Glieder zu strafen, durch Härte Missbrauch zu treiben, sondern um Gemeindegeschwister, die absichtlich ein verdorbenes Leben in Sünde führten, abzusondern und so die Gemeinde vor dem Verderben zu bewahren.
Heute gehen Gemeinden noch immer nach diesen Schritten vor. Besonders die traditionsgebundenen Gemeinden besiegeln Disziplinarmaßnahmen schnell mit dem Ausschluss oder mit dem Bann (der Bann schließt als eine striktere Maßnahme auch eine soziale Isolierung mit ein); offenere Gemeinden hingegen gehen nach den in Matthäus 18 angegebenen Schritten vor und verhandeln bzw. arbeiten mehr oder weniger lange mit dem/r sündigenden Bruder/Schwester, um diese(n) vielleicht doch zur Einsicht zu bringen, bevor der Ausschluss erfolgt.
In allen Gemeinden, sowohl in den >traditionellen wie auch in den offeneren, ist man offen dafür, reumütigen, ausgeschlossenen oder in den Bann gesetzten Gemeindegliedern den Weg zurück in die Gemeinde zu ermöglichen.
Die rechte Gemeindezucht oder Gemeindedisziplin ist auch heute noch ein erforderlicher Teil der christlichen Mennonitengemeinde, weil Jesus sie fordert, und um die Gemeinde rein zu halten und gegen eine Verflachung und Verweltlichung zu schützen (>Schleitheimer Bekenntnis).
Eduard T. Friesen/Uwe S. Friesen
Stichwort “Gemeindezucht” in: Christian Hege u. Christian Neff (Hg.): Mennonitisches Lexikon. Zweiter Band. Weierhof [Selbstverlag] 1937, S. 61-65; Gerhard Ratzlaff: Ein Leib – viele Glieder. Die mennonitischen Gemeinden in Paraguay. Hg. Gemeindekomitee. Asunción: Makrografic, 2001, S. 161 – 164; Franz Wiebe: Mennoblatt 42 (1971) 5, S. 2 u. 42 (1971) 7, S. 2; Paul Hollingsgead: Mennoblatt 55 (1984) 21, S.7; Peter P. Klassen: Mennoblatt 57 (1986) 17, S. 4; Peter K. Neufeld: Mennoblatt 57 (1986) 21, S. 3; Andreas Friesen: Mennoblatt 62 (1991) 19, S. 1.