Chortitzer Waisenamt

Der Ursprung des Brand- und Waisenamts der Mennoniten liegt in Preußen, wo dieses Amt von zwei Ältesten auf Lebzeiten verwaltet wurde. Es wurde geschaffen, um den Witwen und Waisen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und das Erbschaftsgeld gerecht zu verteilen.
Das >Waisenamt ist eine Einrichtung der Mennoniten zur Unterstützung der Witwen und Waisen, älteren Menschen oder für jedermann, der Hilfe im Bereich einer Kapitalanlage, in Vormundschaftsfragen und in der Beratung benötigt. Das Waisenamt entwickelte sich zu einer Treuhandanstalt ähnlich einer Bank. Es wurde von einem Komitee verwaltet, das normalerweise aus zwei oder drei kompetenten und erfahrenen Männern, Waisenmänner genannt, bestand. In den traditionellen Waisenregeln ist kein Vorsitzender vorgesehen, sondern die Waisenmänner (Waisenälteste, Waisenvorsteher) sind gleichberechtigt und haben die gleichen Pflichten. Da die Geldanlagen beträchtliche Größen erreichten, wurde es notwendig, das Kapital in Form von Darlehen an andere Siedlungsmitglieder auszuleihen, um den Wert der Einlagen durch Zinsen zu sichern; folglich entwickelte sich eine Art Bankgeschäft.
Das erste Waisenamt der Mennoniten in Russland wurde am 31. August 1792 in der Kolonie Chortitza gegründet. Die Notwendigkeit ergab sich besonders daraus, dass ausreichende russische Regierungsbestimmungen diesbezüglich fehlten sowie aufgrund der großen Unterschiede in Erbschaftsangelegenheiten zwischen den lokalen russischen Gewohnheiten und denen der Mennoniten. Da die Gefahr bestand, dass die Erbschaften von Kindern verschwendet wurden, wurden diese mittels spezieller Regelungen geschützt. 1807 wurden in 17 Punkten die Erbschaftsrechte und die Aufteilung der Hinterlassenschaften geregelt. Diese Erbschaftsregelungen wurden 1814 auf 27 Punkte erweitert und in den späteren Jahrzehnten wiederholt überarbeitet. Auch das Kapital von älteren Witwen und Witwern sowie aller Personen, die nicht imstande waren, ihre Angelegenheiten selber zu regeln, wurde von den Waisenvorstehern verwaltet.
Das Bergthaler Waisenamt entstand am 2. Oktober 1842. Es war lebenswichtig für die Auswanderung nach Kanada, weil dadurch auch den Armen die Auswanderung ermöglicht werden konnte. Es wurde 1874 auf Manitoba übertragen, wo sich fünf Waisenamtsanstalten bildeten: Die Altkolonier- und die Fürstenländergruppe, die Kleine Gemeinde, die Chortitzer der Bergthalgruppe in der Ostreserve und die Sommerfelder der Westreserve. Der Kirchenälteste musste jeden Erbschaftsvertrag unterzeichnen. Obwohl die Regelungen in Manitoba durch die Provinz-Regierung (sie waren immer anerkannt, jedoch nicht rechtsverbindlich) genehmigt werden mussten, wurden sie als kirchliche Regelungen behandelt.
In Paraguay erlaubt das >Gesetz 514 den Mennoniten, die Erbschafts-, Witwen- und Waisenangelegenheiten selber zu regeln, so dass das Chortitzer Waisenamt in den >Kolonien Menno, Bergthal und Sommerfeld seinen Bestimmungen gemäß handeln kann. (>Brand- und Waisenamt)
Uwe S. Friesen
Peter P. Klassen: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. 2. erweiterte Auflage. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V., 2001, S. 359 – 362; Walter Quiring: Deutsche erschließen den Chaco. Karlsruhe: Heinrich Schneider, 1936, S. 166; http://www. mennonitechurch.ca.