Am 11. März 1944 kam es in >Filadelfia, >Kolonie >Fernheim, zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Anhängern des >Oberschulzen Julius >Legiehn und seinen Gegnern, obwohl der Oberschulze vorher vor Auseinandersetzungen gewarnt hatte. Das Datum ist emotionsgeladen und wird meist im Zusammenhang mit der so genannten >deutsch-völkischen Zeit in der Kolonie Fernheim genannt, obwohl es sich im Wesentlichen um eine bürgerliche Angelegenheit der Genossenschaft handelte. Die damaligen internen Verhältnisse der Kolonie waren allerdings so miteinander verzahnt, dass es schwierig war zu differenzieren.
Der Fernheimer Bürger Abram Martens, der einen Laden in López de Filipis (heute Mcal. Estigarribia) hatte, fühlte sich von der Fernheimer Kooperative, die dort ebenfalls einen Laden hatte, durch die Konkurrenz bedrängt. Er machte seinem Groll durch einen Aufruf Luft, den er in alle Dörfer schickte. Das Pamphlet enthielt schwere Angriffe und Verleumdungen gegen den Oberschulzen. Auf einer Koloniesitzung am 3. März kam der Aufruf von Martens im Zusammenhang mit einem neuen Verwaltungsstatut, das der Oberschulze von einem Rechtsanwalt in Asunción hatte entwerfen lassen, zur Diskussion. Die Spannungen und Meinungsverschiedenheiten waren in den Kolonie, vor allem auch wegen der Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der völkischen Bewegung und ihrer Gegner so groß, dass es zu keiner Einigung kommen konnte. Die Sitzung beschloss deshalb, die Angelegenheit von einer Revisionskommission untersuchen zu lassen. Dem Oberschulzen ging es dabei vor allem um die Vertrauensfrage. Die Revisionskommission hatte bis zum 10. März aber noch kein zufrieden stellendes Ergebnis eingebracht. Der Oberschulze hielt die Tätigkeit der Kommission für zu wenig entschieden. So traten er und seine Mitarbeiter aus diesem Grund am 11. März von ihrem Posten zurück.
Der Rücktritt löste sowohl bei den Anhängern des Oberschulzen, die meist auch Anhänger der völkischen Bewegung in der Kolonie waren, als auch bei seinen Gegnern große Erregung aus. Das war der Anlass dafür, dass sich am Abend des 11. März eine größere Gruppe von Bürgern aus Filadelfia und den Dörfern in Filadelfia versammelte, um dem Oberschulzen dadurch ihre Solidarität zu bekunden. Sie gingen auf Abram Martens Hof und forderten ihn auf, seine Wühlarbeit gegen den Oberschulzen, wie man es nannte, zu unterlassen. Als es dann bald darauf zu einer Gegendemonstration von Gegnern des Oberschulzen kam – Martens hatte sie wohl informiert – kam es zu tätlichen Übergriffen. Mehrere Gegner des Oberschulzen wurden auf der Straße und dann auch auf ihren Höfen mit Reitpeitschen geschlagen, immer mit der Anklage, Wühlarbeit gegen das Kolonieamt betrieben zu haben.
Diese Tat zog dann immer weitere Kreise. Sie erhöhte die Spannungen zwischen den so genannten Völkischen und den Wehrlosen, zwei Parteien, die sich durch die so genannte völkische Bewegung gebildet hatten, und in der Brüdergemeinde kam es zu einer Spaltung. Auf weiteren turbulenten Koloniesitzungen wurde einerseits Abram Martens seiner verleumderischen Tätigkeit wegen aus der Kolonie gewiesen, andererseits wurden die für die Ausschreitungen am 11. März für hauptschuldig Gehaltenen mit Strafen belegt. Auf der Sitzung am 14. März schalteten sich auch die vom MCC vermittelten Ärzte Dr. Gerhard Klassen und Dr. John >Schmidt ein. Sie forderten, dass der Oberschulze Julius >Legiehn und der Schulleiter Dr. Fritz >Kliewer die >Kolonie verlassen sollten. Auf Druck der Gesandtschaft der Vereinigten Staaten in Asunción wurden die beiden Männer von der paraguayi-schen Regierung aus der Kolonie Fernheim ausgewiesen.
Peter P. Klassen
Peter P. Klassen: Die deutsch-völkische Zeit in der Kolonie Fernheim 1933-1945. Bolanden-Weierhof, 1990; Hans (Juan) Neufeld: Die Affäre Dr. Fritz Kliewer, 1940-1944. Wie es war. Asunción, 1988; J. S. Postma: Fernheim fernes Heim. [Masch. Schrift], 1948; Gerhard Ratzlaff: An historical-political study of the Mennonites in Paraguay a thesis [Masch. Schrift], Fresno, Kalifornien, 1974; John D. Thiesen: Mennonite and Nazi. Attitudes among Mennonite Colonies in Latin America, 1933-1945, Wichita 1998.