Kultur

Nach W. Bernsdorfs Wörterbuch der Soziologie umfasst Kultur die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert-Einstellungen.
Lange Zeit war die Kultur der >Mennoniten in Paraguay, besonders in der >Kolonie >Menno, fest gefügt und über längere Zeit gültig. Glaubensüberzeugungen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche wurden unreflektiert von der älteren auf die jüngere Generation übertragen. Seitdem die geographische, kulturelle und politische Isolierung der Mennoniten im >Chaco aufgebrochen bzw. bewusst aufgegeben worden ist, sind viele Veränderungen feststellbar. An dieser Stelle können nur einige der Konflikte genannt werden, in denen sich die Mennoniten zur Zeit befinden: – Neben dem viel gepriesenen Gemeinschaftssinn der Mennoniten machen sich in den Siedlungen in zunehmendem Maße Partikularinteressen bemerkbar. – Trotz der immer noch vorhandenen Frömmigkeit der Gemeindeglieder macht sich die Säkularisierung in vielen Bereichen der Kolonie immer stärker bemerkbar. – In Krisensituationen zeigt sich die Solidarität der Bürger nach wie vor, jedoch die Früchte des Individualismus sind im Alltag nicht mehr zu übersehen. – Die Mennoniten in Paraguay sind dabei, sich immer stärker in die paraguayische Gesellschaft zu integrieren, wollen dabei jedoch den Ethnozentrismus nicht aufgeben. – Der wirtschaftliche Fortschritt in den Mennonitensiedlungen in Paraguay ist nicht zu übersehen, das Interesse an Bildung und Kultur (im engeren Sinne) hält dabei jedoch nicht Schritt. – Nach dem politischen Umsturz in Paraguay im Jahre 1989 beteiligen sich die Mennoniten in Paraguay zunehmend an der Landespolitik, obwohl es immer noch Stimmen gibt, die betonen, man solle sich aus der >Politik fernhalten. – Die Mennoniten in Paraguay sind pragmatisch gesinnt, denn nur Pragmatik hat sie in Gegenden überleben lassen, in denen es zu Anfang keine Infrastruktur gab. Intellektuelle haben es daher in den Siedlungen schwer, sich ebenfalls Gehör und Anerkennung zu verschaffen. – Wer geschäftlich erfolgreich ist, wird anerkannt, künstlerische Fähigkeiten werden jedoch nicht hoch eingeschätzt. Künstlerische Gestaltung und künstlerischer Genuss sind Tugenden, die noch zu fördern sind.
Von der Schule aus erfolgen Kulturbeiträge in Form von Theateraufführungen und Musikdarbietungen. Hinzu kommen die jährlichen Ausstellungen am Schluss des Schuljahres, auf denen künstlerische und handwerkliche Schülerarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Jakob Warkentin
Jakob Warkentin: Zur Kultur der Mennoniten in Paraguay. In: Ders.: Erziehung und Bildung im Raum der Kolonie. Asunción, 2007, S. 194 ff.