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Puerto Casado (Hafenstädtchen und Tanninfabrik)
Puerto Casado ist ein Hafenstädtchen am Río Paraguay im >Chaco Paraguays, das im April 2008 4.700 Einwohner zählte. Im Jahre 2000 waren es noch 6.000 Einwohner. Das Hafenstädtchen Casado entstand 1889, als der Industrielle Carlos Casado del Alisal (16. März 1833 – 29. Juni 1899) an diesen Ort gekommen war und hier eine Fabrik, die den Gerbstoff Tannin aus dem harten Quebrachoholz des Chaco herstellte. Es war dieses die erste Fabrik in Südamerika, in der man aus dem Quebrachoholz (Schinopsis balansae) >Tannin gewann.
Der Begründer wurde in Villada, Palencia (Spanien), geboren und ging als junger Mann zur See. 1857 kam er nach Buenos Aires, Argentinien, und einige Jahre später zog er ins Städtchen Rosario, Provinz Santa Fe, wo er in einem Import- und Exportunternehmen tätig war. 1865 heiratete er Ramona Sastre und gründete die Banco Carlos Casado, die sich der Münzherstellung widmete. Er verkaufte sie kurze Zeit später, um von dem Gewinn Land zu kaufen, danach wandte er sich der Urbarmachung der Gegend und dem Eisenbahnbau zu, wodurch er reich wurde. Er gründete 1874 die Banco Provincial de Santa Fe und 1879 exportierte er Weizen nach Europa.
Im paraguayischen Chaco erwarb er nach dem Dreibundkrieg (1864 – 1870, Paraguay gegen Argentinien, Brasilien und Uruguay) riesige Ländereien; die Firma der Casados erwarb im Chaco rund 7.500.000 ha, 3.000 Quadratleguas Land, um das Quebrachoholz für die Produktion von Tannin zu schlagen und zum Flusshafen zu bringen, wo es verarbeitet wurde. Dazu gründeten die Casados das Unternehmen La Hispano-Paraguaya, das später S.A. Carlos Casado Ltda. genannt wurde. Der Generalverwalter des Unternehmens war von 1891 bis 1941 José Casado y Sastre. Nach 1899 wurde die Fabrik in Puerto Casado bedeutend vergrößert. Die dazu erforderlichen Maschinen kamen aus Deutschland. Auch das Material und die Maschinen für die Schmalspurbahn, wie Schienen, Lokomotiven u. a. m. wurden aus Deutschland bezogen.
Das Hafenstädtchen Casado entwickelte sich schnell und verfügte schon bald über einen eigenen Stromerzeuger von 800 kW/h, Reparaturwerkstätten, Schmiede, Sägewerk, Schreinerei, Eisenbahnwerkstätten, Waggonfabrik und sowie Läden, Eisfabrik, Fleischerei und Schulen, um eine Gesamtbevölkerung von mehr als 10.000 Leuten zu betreuen. Als die Mennoniten 1927 in den Chaco kamen, war Puerto Casado ein blühendes Städtchen, an dessen Rand die Einwanderer in einem provisorischen >Siedlerlager untergebracht wurden.
Die Casadogesellschaft beschäftigte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts 700 bis 1.200 Arbeiter, die zum größten Teil in der Fabrik und auf dem Fabrikhof arbeiteten. Eine große Anzahl von ihnen arbeitete auch im Inneren des Chaco entlang der Eisenbahnlinie. In der Umgebung des Schienenstrangs wurden die Quebrachostämme gefällt, mit Ochsenkarretten zusammengeholt bis zur Bahnlinie befördert, wo sie auf die Loren des Zuges geladen wurden.
Außerdem befasste sich die Casado-Gesellschaft mit der Viehwirtschaft. Im Jahr 1920 betrug der Viehbestand etwa 22.500 Rinder, später erhöhte er sich auf 75.000 Rinder. Als die kanadischen Landsucher 1921 in den Chaco kamen, fuhren sie die bestehenden 60 km Eisenbahnlinie entlang und besichtigten die Einrichtungen entlang der Bahn: Milchwirtschaft, Schweinezucht und Anpflanzungen von Zitrusfrüchten und Gemüse.
Als das Geschäft mit dem Tannin nicht mehr rentabel war, weil die Quebracho-Reserven abnahmen und der Gerbstoff durch preisgünstigere Chemikalien ersetzt werden konnte, wurde der Betrieb Mitte der 1990er Jahre eingestellt, und die Firma entschloss sich, große Landstücke – einschließlich des am Fluss Paraguay gelegenen Städtchens – zu verkaufen. Nachdem die argentinische Firma ihren Besitz, inklusive Fabrikeinrichtungen und Städtchen, an das Unternehmen La Victoria S.A. der koreanischen Sekte Moon verkauft hat, leben die meisten Bewohner, die Landwirtschaft und Fischerei betreiben, in großer Armut.
Uwe S. Friesen
Martin W. Friesen: Kanadische Mennoniten bezwingen eine Wildnis, 50 Jahre Kolonie Menno – erste mennonitische Ansiedlung in Südamerika. Neu überarbeitete Ausgabe. Loma Plata: Druckerei Friesen, 2004; Martin W. Friesen: Neue Heimat in der Chacowildnis. 2. Auflage. Asunción: Imprenta Modelo, 1997, S. 102 – 114 u. 207 – 222; David H Zook: La Conducción de la Guerra del Chaco. Buenos Aires: Editorial LITO, 1962; Uwe Friesen: Menno Aktuell 6 (2003) 78, S. 16-18; Uwe Friesen: Menno Aktuell 6 (2003) 79, S. 12-13; Uwe Friesen: Menno Aktuell 6 (2003) 80, S. 13.