Humor

Humor im engeren Sinne ist eine menschliche Haltung, die sich der Übellaunigkeit verschließt und sich nicht von widerwärtigen Umständen der Zeit bestimmen lässt.
Obwohl man den Mennoniten schlechthin eher eine übertriebene “Zugeknöpftheit” nachsagt, die sich in einer bewusst aufgesetzten ernsten Miene äußert, haben sie doch, zumindest in den >Kolonien in >Paraguay, bei näherem Hinsehen ein gewisses Maß an Humor entwickelt. Die Art oder auch die Empfindsamkeit für den jeweiligen Humor unterscheidet sich aber von Kolonie zu Kolonie, weil ja die Erlebnisse der letzten 100 Jahre auch verschieden sind.
In der Kolonie >Menno kann man feststellen, dass die Menschen ein Thema wie auch ihre Mitmenschen bei humorvollen Beiträgen sehr direkt ansprechen. In >Fernheim und wohl auch in >Neuland entsteht Witz eher hinter vorgehaltener Hand.
Gesunder Humor entsteht hier, so wie wohl irgendwo auf der Welt, beim Zusammenleben und durch phantasievolle Vorstellungen über das Zusammenleben. Die Fahrten zur Bahnstation mit Ochsen- und Pferdewagen waren ein Raum der Begegnung verschiedener Siedler. Hier entstand im Laufe der Zeit eine reiche Ernte an humorvollen Anekdoten. Dabei werden viele Witze von Fernheimern über die Mennos genauso wie auch von den Mennos über die Fernheimer erzählt.
Die 1950er und 1960er Jahre waren wohl die Jahre, als man sich im Chaco mehr oder weniger mit der Armut und der Notdurft abgefunden hatte. Das verursachte eine gewisse Gelassenheit, die manch einen Witz über die eigene prekäre Situation oder gar Galgenhumor entstehen ließ. Wenn man in Fernheim über Humor redet, wäre es ungerecht, wenn man den verstorbenen Heinrich Enns (Uhle-Enns) nicht erwähnen würde. Enns, der seine erste Frau bei der >Flucht über den Amur verlor und in sehr ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie im >Chaco zu leben hatte, entwickelte seit den ersten Jahren und bis zu seinem Tod einen gesunden Sinn für Humor, der ihm und seinen Mitbürgern oft über das Elend der Ansiedlung hinweg geholfen hat. Er hat dabei immer eine reine, eindeutige Art der Anekdoten bewahrt, dabei aber doch auch manchmal eine unrühmliche Sachlage in der Gesellschaft direkt angesprochen.
Der größte Teil der Witze und Anakdoten unter den Mennoniten wird heutzutage im Tererékreis weitergegeben, aber auch Volksliederabende, Theater (Komödien und Sketche humorvollen Inhalts) dienen immer mehr dazu, anders nicht angesprochene Situationen und Probleme des Zusammenlebens zu erörtern und zu bewältigen.
Aus der Begegnung der Mennoniten mit ihren neuen Nachbarn im Chaco wie dem Militär, den Indianern und anderen Volksgruppen und dem Fehlen an sprachlicher Verständigung sind auch eine ganze Reihe der “Stammwitze” unserer Mennoniten entstanden.
Heinrich P. Ratzlaff, Filadelfia
Gerhard Ratzlaff: Humor auf mennonitische Art in Paraguay. Asunción 2009.