Kliewer, Friedrich

Friedrich Kliewer (1905 – 1956) wurde 1905 in Polen geboren und starb 1956 in Witmarsum, Brasilien. In Polen hatte er seine Lehrerausbildung erhalten, kam dann aber Anfang der dreißiger Jahre in die >Kolonie >Fernheim, wo er zunächst in der Dorfschule in Lichtfelde und später in der Sekundarschule in Schönwiese unterrichtet hat.
1934 fuhr er auf Empfehlung der Fernheimer Kolonieverwaltung nach Deutschland, wo er mit finanzieller Unterstützung des VDA zunächst in Marburg an der Lahn und dann in Berlin studierte. 1939 schloss er sein Studium mit der Dissertation “Die deutsche Volksgruppe in Paraguay. Eine siedlungsgeschichtliche, volkskundliche und volkspolitische Untersuchung” ab. Obwohl er die Promotion erfolgreich abgeschlossen hatte, bekam er noch nicht das Doktordiplom, das in Deutschland nur vergeben wird, wenn die Dissertation veröffentlicht worden ist. Im Kriegsjahr 1941 wurde dieses Werk auch veröffentlicht, doch das Doktordiplom erhielt er auch nach dem Krieg nicht, da die Humboldt-Universität sich weigerte, eine Dissertation, die während der NS-Zeit geschrieben worden war, nachträglich anzuerkennen.
Fritz Kliewer war ein begabter und überzeugter Pädagoge, der seine Fähigkeiten voll in den Dienst der Kolonie >Fernheim stellte. So wurde er bereits 1939 Leiter der >Zentralschule und im Jahr 1940 gründete er zusammen mit seiner Frau Margarete den “Pädagogischen Kursus” und begann damit die Lehrerbildung im >Chaco. Anfänglich war Kliewer überzeugt, dass die Mennoniten im paraguayischen Chaco eine religiöse und kulturpolitische Aufgabe hätten. Während seines Deutschlandaufenthaltes änderte er diesbezüglich seine Meinung, da er nun überzeugt war, dass die Europäer aus klimatischen und anderen Gründen auf die Dauer sich nicht im Chaco würden behaupten können.
In Deutschland war seine Sympathie für Hitler und den Nationalsozialismus gewachsen. Daher griff er Hitlers Parole “Heim ins Reich” freudig auf und machte große Anstrengungen, die Fernheimer Bürger auf die Rückkehr nach Deutschland vorzubereiten. Als Vorsitzender der Bundes Deutscher Mennoniten in Paraguay (BDMP) förderte er die völkische Arbeit in der Kolonie, um die russlanddeutschen Mennoniten wieder in die deutsche Volksgemeinschaft zurückzuführen. Das brachte ihm auf der einen Seite viele Sympathisanten, auf der anderen Seite aber auch erbitterte Gegner ein. Vor allem verübelte man ihm, dass er mit seiner Werbung für Deutschland gegen das Missionsgebot und gegen die mennonitische Wehrlosigkeit verstieß, da es auf der Hand lag, dass die Mennoniten in Deutschland auf jeden Fall zum Waffendienst herangezogen werden würden. Die Auseinandersetzung zwischen der so genannten >“deutsch-völkischen Bewegung” und den >“Wehrlosen” eskalierte dermaßen, dass er nicht nur seines Amtes enthoben wurde, sondern gezwungen wurde, die Kolonie zu verlassen. Das war für ihn besonders schmerzlich, zumal seine Frau inzwischen verstorben war und er mehrere kleine Kinder zu versorgen hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er zeitweilig Leiter des mennonitischen Schülerheims in Asunción und ging dann 1952 mit seiner zweiten Frau Melita, geb. Legiehn, nach Witmarsum, Brasilien, um dort für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen. Auch dort war er pädagogisch unermüdlich tätig. “Die Fritz Kliewer-Schule” in Witmarsum erinnert noch heute an seinen bildungspolitischen Einsatz. Er war auch ein begabter Schriftsteller. Das zeigen seine vielen Aufsätze und Artikel, die nicht nur in mennonitischen Zeitschriften erschienen. Im Auftrag des mennonitischen Lehrerverbandes in Paraguay hat er auch ein Lesebuch herausgegeben, das noch heute lesenswerte Lesestücke enthält.
Da er sich stets rastlos für die Mennonitengemeinschaft einsetzte, ist er bereits 1956 an Herzversagen gestorben. Er hinterließ im Bildungs- und Kulturbereich eine große Lücke, doch seine ehemaligen Schüler und Studenten haben seine pädagogischen Zielsetzungen in Schule und Kolonie gemäß eigener Überzeugung umgesetzt. Kliewer stand zeitlebens zu seinen Überzeugungen. Wie viele andere hatte er sich in seinem Engagement für den Nationalsozialismus geirrt, seine christlich-mennonitische Überzeugung ließ er sich jedoch von niemandem absprechen. (>Elfter März)
Jakob Warkentin
Friedrich Kliewer: Die deutsche Volksgruppe in Paraguay. Eine Siedlungsgeschichtliche, volkskundliche und volkspolitische Untersuchung. Hamburg, 1941; Peter P. Klassen: Die deutsch-völkische Zeit in der Kolonie Fernheim, Chaco, Paraguay 1933-1945. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V. 1990; Jakob Warkentin: Die deutschsprachigen Siedlerschulen in Paraguay im Spannungsfeld staatlicher Kultur- und Entwicklungspolitik. Münster u. a.: Waxmann Verlag, 1998.