Wall, Bernhard

Bernhard Wall (1902 – 1975) wurde am 5. Oktober 1902 in Ebenfeld geboren. Die Krim war seine Heimat. Nach der Grundschule erhielt er in der >Zentralschule von Gnadenheim, Molotschna, seine Weiterbildung. In der Krimer EMB fand er nach Bekehrung und Taufe sein geistliches Zuhause. Am 8. November 1925 trat er mit Lena Wall in den Ehestand. Die Jahre in der Krimer Ansiedlung waren für Bernhard Wall wohl die schönsten seines Lebens.
Im November 1929 begab sich die junge Familie Wall auf die Flucht. Am 18. Juni 1930 kam sie mit dem dritten Transport in den paraguayi-schen >Chaco und siedelte im Dorfe Friedensruh Nr. 6 an. Die vielseitige Mitarbeit im Leben der Dorfgemeinschaft beanspruchte neben dem Aufbau der eigenen Wirtschaft viel Zeit und Energie. Bernhard Wall hat der Gemeinschaft auch als Lehrer und Kolonieschulrat gedient.
Als die EMB Fernheims am 5. Oktober 1930 gegründet wurde, wählte man Wall zum Gemeindeschreiber. Am 19. November 1932 wurde er von der Gemeinde als Prediger ordiniert. Er hat diese Dienste in Treue und Hingabe bis zum 5. Januar 1969 ausgeführt. Die vielen Protokolle im Gemeindearchiv und die Eintragungen im Gemeindebuch weisen seinen Einsatz nach.
Auf der Koloniesitzung am 25. April 1944 wurde Bernhard Wall zum >Oberschulzen gewählt. Die Fernheimer Gemeinschaft war nach der >deutsch-völkischen Zeit in zwei Lager geteilt und sehr zerstritten. Die völkische Gruppe (etwa 80 %) wollte “heim ins Reich” und hatte das mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Wehrlosengruppe (etwa 20 %) wollte im >Chaco weiter leben und arbeiten. Da die Teilung quer durch die Dorfgemeinschaften, Familien und Ehen ging, brachte sie das Gemeinschaftsleben und den Zusammenhalt der >Kolonie fast zum Erliegen.
Für den Oberschulzen Wall, der aus der Wehrlosengruppe kam, war es überaus schwierig, wieder mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit beim Aufbau der Kolonie zu wecken. Viele Familien waren nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches so enttäuscht, dass sie nach Asunción, Argentinien oder Brasilien auswanderten.
Die Erweiterung des Siedlungsraumes durch die Gründung neuer Dörfer gab den Bürgern wieder neuen Auftrieb. Am 12. Oktober 1944 wurde das Dorf Landskrone angelegt. Am 17. Oktober 1946 war es das Dorf Hohenau. 1949 wurde das Dorf Blumental gegründet. Auf den großen Kämpen konnten die Wirtschaften mit einer Breite von 200 m angelegt werden. Das ermöglichte größere Ackerflächen in der Nähe der Höfe.
Am 20. November 1944 wurde das Statut der Sociedad Cooperativa Colonizadora Fernheim von der Regierung offiziell anerkannt. Nach den vorhandenen Möglichkeiten wurden Molkerei, Ölpresse, Entkernungsanlage, die Kolonieviehstation Laguna Porá u. a. Kooperativzweige weiter ausgebaut. Im Dezember 1948 landete das erste Flugzeug auf der neu errichteten Flugpiste in >Filadelfia. In die erste Amtszeit des Oberschulzen Wall fällt auch die Ankunft der Immigranten 1947 und die damit verbundene Mithilfe und Unterstützung bei der Gründung der Kolonie >Neuland.
Während seiner zweiten Amtszeit als Oberschulze (1958 – 1962) hat Wall das Siedlungsgebiet der Fernheimer durch den Landkauf und die Gründung neuer Dörfer noch mehr erweitert (Valencia – Neuwiese). Der Bau und die Fertigstellung der >Ruta Transchaco 1961 brachte der Kolonieverwaltung viele neue Herausforderungen.
In den letzten Jahren seines Lebens hat Bernhard Wall an Parkinson gelitten. Er starb am 16. Oktober 1975 und wurde auf dem Friedhof in Filadelfia begraben.
Durch sein Bemühen, die Fernheimer Gemeinschaft zu versöhnen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit beim Aufbau der Kolonie zu fördern, hat Bernhard Wall einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Klaus Löwen
Protokolle vom Gemeindearchiv der EMB; Peter P. Klassen: Die deutsch-völkische Zeit in der Kolonie Fernheim, Chaco, Paraguay 1933-1945. Bolanden-Weierhof, 1990; 50 Jahre Kolonie Fernheim: Ein Beitrag in der Entwicklung Paraguays. Hg. Kolonie Fernheim. Asunción: Imprenta Modelo, 1980, S. 39-60; Jakob Wiens: Mennoblatt 46 (1975) 22, S. 3.