Im >Chaco waren die Mennoniten seit der Gründung der Siedlungen auf sich selbst gestellt und mussten für ihre ärztliche Versorgung aufkommen. Es gab in der weiteren Umgebung keine Möglichkeiten zur Behandlung in Krankheitsfällen. Um die gemeinschaftlichen Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten, bezahlte die Bevölkerung gewisse Auflagen, aber auch, um Kranken behilflich zu sein. Weiter ging ein Teil des Umsatzes aus dem Kooperativladen in die Koloniekasse, um das Krankenhaus zu subventionieren. So wurde ein solides Gesundheitssystem aufgrund der Bereitwilligkeit der Gemeinschaft zur gegenseitigen Hilfeleistung aufgebaut, besonders, um schwer betroffene Familien nicht hilflos sich selbst zu überlassen.
In den ersten Siedlungsjahren wurden manche kranken Menschen von Militärärzten behandelt; sie bezahlten ihre Rechnung (besonders Kost, Quartier und Fahrten) selber, erhielten aber auch nach Möglichkeit Beihilfen von der Gemeinschaft.
Als das Krankenhaus in >Filadelfia eröffnet wurde und Mennobürger zur Behandlung dorthin fuhren, musste ebenfalls jeder Patient für seine Kosten aufkommen. Die Kooperative >Fernheim schickte die Rechnung an die Kooperative in >Menno, diese beglich die Rechnung und verlangte das Geld vom Behandelten wieder zurück.
Nach dem Bau des Krankenhauses in >Loma Plata wurden die Krankenhausrechnungen der Mennobürger ebenfalls über das Kooperativkonto beglichen. Die Krankenhauseinnahmen deckten meistens nicht die Betriebsausgaben und deshalb musste das Krankenhaus von der Gemeinschaft über ein dafür eröffnetes Konto subventioniert werden.
In den Krankenhäusern der Chacokolonien sind die Behandlungskosten festgesetzt und sollen für die Versicherten erschwinglich sein. Wo dies nicht der Fall ist, werden die Ausgaben von einer Krankenhilfskasse bezahlt. Jedoch nicht immer kam im Notfall die >Kolonie für Behandlungskosten auf. In manchen Fällen trat auch die Gemeindekasse für Personen ein, die durch Behandlungskosten in Not geraten waren, und beglich die Schulden.
Da im Chaco die Behandlungsmöglichkeiten lange Zeit sehr begrenzt waren, kam es immer wieder vor, dass Patienten nach Asunción geschickt wurden. Deshalb wurde 1952 in einer Chortitzer Komitee-Sitzung besprochen, eine Armenkasse zu gründen, indem man Rinder sammelte; auch wurde gleich bestimmt, zehn Kühe vom Kolonievieh dazu zu geben. Diese Kühe sollten unentgeltlich auf der Viehstation in Weide genommen werden. Der Ertrag von dieser Herde diente zur Armenunterstützung und wurde vom Chortitzer Komitee aus verwaltet.
Anfang der 1970er Jahre arbeitete man im Chaco an einer Veränderung des Abgabensystems und der Einführung einer Arbeiterversicherung. Die >Mennonitenkolonien im Chaco bemühten sich um die Einführung einer formellen Krankenversicherung, weil in Paraguay ein Gesetz galt, das alle Angestellten verpflichtete, in die staatliche Krankenversicherung (IPS – Instituto de Previsión Social – Nationales Fürsorgeinstitut) einzuzahlen. In den Kolonien gab es mittlerweile viele Angestellte, die vom Gesetz her eigentlich verpflichtet gewesen wären, im IPS versichert zu sein. Jährlich kamen Vertreter des IPS und verlangten Zahlungen an diese Kasse, obwohl die Menschen kaum die Möglichkeit hatten, diese Versicherung zu nutzen, da das IPS in der Umgebung der Chacokolonien keine Dienstleistungen anbot. Somit hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer doppelt für ihre Sozialleistungen bezahlen müssen: Für die eigene Gesundheitsfürsorge und zusätzlich die Zahlung an die staatliche Versicherung.
Mit dem IPS wurde ab 1977 direkt durch eine Kommission verhandelt. Über die nordamerikanische Organisation Volunteer Development Corps von Washington DC in den USA kam J. Collins, der sich in Versicherungsfragen sehr gut auskannte, und dem auch die besondere Situation der Mennonitenkolonien nicht fremd war, und half, einen Vorschlag zur Gestaltung der neuen Sozialversicherung zu erarbeiten.
Auf der Sitzung des Chortitzer Komitees am 7. Oktober 1977 wird ein Bericht über den bisherigen Verlauf der Entwicklungen zu einer offiziellen Sozialversicherung gegeben. Darin erwägt man, dass die Kosten für die eigene Krankenversicherung niedriger sein würden als die Zahlungen an IPS, und gleichzeitig hätte man die Dienstleistungen in den Händen und könnte die eigenen Einrichtungen nutzen. Es wurde auch über das Einkassieren der Einkommensteuer diskutiert, da die Finanzierung der Versicherung entweder durch diese Steuer oder durch Auflagen gemacht werden sollte.
Am 3. Januar 1978 wurde vom Staatspräsidenten Alfredo >Stroessner das Dekret Nr. 36.203 unterzeichnet, welches den Mennonitenkolonien im Chaco ab sofort offiziell ihre eigene Sozialversicherung zuerkannte. Es beinhaltet, dass das Gesundheits- und soziale Versicherungssystem der mennonitischen Kolonien seit vielen Jahren ununterbrochen, gut und sehr wirksam funktioniert habe; dass das Arbeitssystem in den Kolonien gut laufe und somit auch die organisierte Krankenversicherung alle Krankheitsfälle abdecke, und dass das Gesundheitsministerium die Überwachung des Gesundheits- und Hospitaldienstes übernehme.
Nun mussten die Details der Versicherung vorbereitet und anerkannt werden, und schon bald konnte sie ihren Dienst aufnehmen. Die Bevölkerung wurde auf besonderen Versammlungen über die Versicherung informiert. Alle Bürger (Arbeiter, Bauern, Unternehmer) waren in die Versicherung eingeschlossen, 75 % der Hospitalkosten und der vom Arzt verschriebenen Medikamente wurden von der Versicherung gedeckt.
Es ging vorrangig darum, den Dienst an den Kranken im Gebiet der drei Kolonien zu verbessern, zentral zu leiten, den Ärzten die Möglichkeit zu geben, sich mehr auf ihrem jeweiligen Fachgebiet zu betätigen, und den Patienten zu ermöglichen, nach ihrer Wahl einen Arzt der drei Kolonien zu konsultieren. Die Auflagen wurden an die Höhe des Einkommens gebunden nach dem Motto: Wer mehr einnimmt, bezahlt mehr, und: Gesunde bezahlen für Kranke.
Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Veränderungen in Detailfragen, doch die Krankenversicherung ist ein bedeutender Bestandteil der sozialen Absicherung der Mitglieder geblieben, die auch kostspielige Behandlungen und moderne medizinische Untersuchungen möglich macht.
Friesland und Volendam haben dasselbe System der Krankenversicherung.
Uwe S. Friesen
Regine Breuninger de Guenther: Geschichte des Gesundheitswesens der Kolonie Menno von 1927 – 1980. [Masch. Schrift]; Peter P. Klassen: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. 2. erweiterte Auflage. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V., 2001, S. 357-359 u. 367-368; Walter Quiring: Deutsche erschließen den Chaco. Karlsruhe: Heinrich Schneider, 1936, S. 166 u. 168; Dr. Dollinger: Mennoblatt 31 (1960) 6, S. 4.