Neuhoffnung bei Horqueta

Etwa 50 km östlich von Concepción machten die Abwanderer der neu gegründeten >Kolonie >Fernheim in dem Zeitraum von 1931 bis 1941 die ersten Siedlungsversuche.
Wohl bei allen Ansiedlern der Kolonie Fernheim war der erste Eindruck von dem neuen Siedlungsland im Chaco nicht gerade Mut machend. Das Auftreten der >Typhusepidemie, die so viele hilflos sterben ließ, verstärkte diesen Eindruck noch mehr.
Als möglicher Ausweg aus dieser Situation galt eine Umsiedlung in das östliche Paraguay. Zuerst waren es Einzelne, dann ganze Dorfgemeinschaften, und zuletzt war es dann die ganze allgemeine Bürgerversammlung, die mehrheitlich den Beschluss fasste, zwei Delegaten auszusenden und die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen. Diese Aufgabe übernahmen die Bürger Gerhard Isaak und Kornelius Langemann (>Delegation Ostparaguay). Eine auch vom >MCC unterstützte Umsiedlung würde es aber nicht geben.
Bei einzelnen Bürgern war die Entscheidung zur Abwanderung jedoch schon gefallen. Unter sich hatten diese Interessenten keine Absprachen getroffen, um vielleicht auch gemeinschaftliche Einrichtungen wie Schulen, Kirchen usw. anzustreben.
Als mögliches Ziel ist dabei fast nur die Stadt Concepción und ihre nähere und auch weitere Umgebung erwogen worden. Die einheimische Bevölkerung war ausgesprochen freundlich zu den Neuankömmlingen. An den überall stehenden Apfelsinenbäumen durfte man sich immer nach Bedarf bedienen. Andere luden sie dazu ein, von ihrem Acker Mandioka zu holen. Die Chacras waren relativ leicht zu pachten, da viele der Männer in der Zeit wegen des >Chacokrieges zum Militär eingezogen wurden.
Sporadisch kamen weitere Familien nach Concepción. Bei den nun bereits bekannten ersten Umsiedlern fand man provisorische Unterkunft und Auskunft über bestehende Möglichkeiten. Sogar der damals dort ansässige deutsche Konsul R. Seifert war für Informationen, Ratschläge und auch Hilfe immer bereit.
Manche der Ankömmlinge blieben nur kurze Zeit, andere länger, meistens in der Stadt Concepción oder in der näheren Umgebung. Andere wählten die Gegend um das Städtchen Horqueta aus. Bis hierher ging damals die Eisenbahn zur Holzausbeutung. Hier hatten sich mehrere Familien mit schulpflichtigen Kindern relativ näher zusammen angesiedelt. Im Jahr 1936 wurde hier eine Volksschule geführt. Für einige Kinder war der tägliche Weg zur Schule aber doch recht lang. Lehrer war der erst 17 Jahre alte Martin Duerksen aus Fernheim.
Etwa 45 Familien haben dort im Zeitraum von 1931 bis 1941 sechs Monate oder länger gewohnt. Es waren durchweg recht stark ausgeprägte Individualisten, risikobereit, auch als Einzelne in eine absolut fremde Gegend zu ziehen.
Die Überlebenschancen waren hier im Vergleich zum >Chaco offensichtlich besser. Man hatte immer frische Lebensmittel aus dem Garten. Doch die kleinen Chacras ließen eine wirtschaftliche Entwicklung nach mennonitischem Verständnis nicht zu. Dazu brauchte man doch unbedingt größere Ackerflächen. Man fand große, unbewohnte Hochkämpe zwischen den Städtchen Horqueta und Belén. Es war Regierungsland und wurde den Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt.
Voller Hoffnung ging man an die Gründung eines Dorfes. Besonders Mais war für den Anbau geeignet und begehrt. Das Dorf bekam den Namen “Neu Hoffnung”. Für das Jahr 1937 stand schon ein Schulgebäude da. Als Lehrer hatte man Gerhard Klassen aus Fernheim angeworben. Die Milchproduktion war so gut, dass eine Zentrifuge gekauft wurde und die später selbst hergestellte Butter war sehr gut zu verkaufen, ebenso Hühnereier.
Zu den Dorfbewohnern gehörte auch ein >Prediger, Johann Bergmann sen. Er war schon älter und hat am Anfang gelegentlich den Gottesdienst gestaltet. Der Älteste Abram >Harder aus Fernheim kam zu Besuch in diese Neusiedlung. Er leitete einige organisatorische Maßnahmen für das Gemeindeleben ein, es wurden Predigerkandidaten gewählt, die dann in Zukunft die Gottesdienste leiten sollten. Die Beteiligung der Siedler an den Versammlungen außer gerade zu Weihnachten war schwach.
Die Uneinigkeit unter den Nachbarn, es gab heftige Streitigkeiten, ließ den Aufbau einer Dorfgemeinschaft letztlich nicht zustande kommen. In den verbalen Auseinandersetzungen wurden auch direkt lebensbedrohende Äußerungen gemacht, die offensichtlich ernst genommen wurden. Dabei waren die wirtschaftlichen Bedingungen und bisher erreichten Resultate für die meisten Bürger durchaus zufrieden stellend. Man konnte sämtliche Produkte gut und für Bargeld absetzen.
So kam es wieder zur Abwanderung. Es waren weder wirtschaftliche Bedingungen noch klimatische Probleme. Einige Familien zogen zurück nach Fernheim, manche zogen in die noch neue Siedlung >Friesland, andere gingen nach Asunción oder in den Norden Argentiniens. Im Laufe von zwei Jahren löste sich dieses Siedlungsunternehmen auf.
Rudolf Dyck