Viehzucht

Als die kanadischen Einwanderer in den Jahren 1927/1928 auf ihren Grundstücken ansiedelten, erhielten die Familien eine Kuh und ein Paar Zugochsen. Die Rinder wurden von der Casado-Gesellschaft erworben. Die Kuh sollte die notwendige Milch zur Ernährung der Familien liefern, und die Zugochsen waren unentbehrlich für den Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Nahrungsmitteln und Personen von der Bahn zu den >Kolonien und umgekehrt. Außerdem waren sie für die Feldarbeit nützliche Helfer, auch wenn sie manchmal richtig störrisch wurden und einfach den Schatten aufsuchten, um unterwegs eine ungeplante Rast einzulegen.
Nach und nach wurde dieses Transport- und Arbeitstier ersetzt, zuerst durch Pferde, später durch motorisierte Fahrzeuge. Rinder blieben jedoch wichtig, denn man fand einen neuen Nutzen in der Haltung der Viehherden. Im August 1939 beschloss das >Chortitzer Komitee, eine Bestandsaufnahme der Ochsen zu machen, die von der Kolonie nach Puerto Sastre oder an das Militär verkauft werden könnten. Der Verkaufspreis beim Koloniegeschäft lag im Jahre 1942 zwischen 9 und 10 Pesos pro Kilogramm.
Das vorhandene Vieh ließ man einfach frei auf den Naturweiden innerhalb des Koloniegebietes und in dessen unmittelbarer Nähe grasen. Um Verwechslungen zwischen Rindern von Koloniebürgern mit denen verschiedener Nachbarn zu vermeiden, verpflichtete man die Bürger der Kolonie Menno, alle Tiere mit der Brandmarke CM (Colonia Menno) zu versehen. Diese Brennmarke ließ man dann 1949 ins nationale Register eintragen.
Im Jahr 1943 wurde ein Landstück gekauft, auf dem es viel Naturweideland gab. Bürger der Kolonie konnten ihr Vieh auf der im Südosten der Kolonie gelegenen Viehstation Großweide (Campo León) auf die Weide geben. Die Naturgräser brachten nicht die Resultate, wie es die modernen Kunstweiden tun. So wurde Ende der vierziger Jahre beschlossen, maximal ein Rind auf 5 ha Weide zu halten.
Die Wasserversorgung, bis heute eine tägliche Sorge der Viehzüchter im >Chaco, wurde verbessert, indem die Niederungen abgedämmt wurden, um über eine Wasserreserve auch bis weit in die trockenen Wintermonate hinein zu verfügen. An eine Versalzung der natürlichen Gewässer dachte damals noch niemand.
Das Vieh wurde von Zeit zu Zeit an die Lateinparaguayer aus der Nachbarschaft verkauft, aber auch für den eigenen Bedarf geschlachtet. Da immer mehr Bürger die Viehzucht als alternativen Lebensunterhalt zum Ackerbau wählten, kaufte die Verwaltung von Menno mehr Weideland im Südosten und Süden der Siedlung hinzu. So kaufte man 1945 von Rudolf Linnert die Viehstation Marienkamp (>Campo María). Auch im südlichen Teil der Kolonie gründete man 1948 eine Viehstation, Río Verde. Hier waren große Kämpe mit Weideflächen, die aber auch eingezäunt werden mussten, um nicht die Kontrolle über die Viehherden zu verlieren. Campo León, etwas näher zur Kolonie gelegen als Marienkamp, wurde 1953 eingerichtet, um die natürlichen Grasflächen der Zone zu nutzen.
Um das Vieh zu schützen, wurden zwei Maßnahmen ergriffen: Es wurde eine Viehimpfung durchgeführt, und den Raubtieren Puma und Jaguar wurde der Kampf angesagt, wozu man den Viehbesitzern Strychnin anbot und zusätzlich eine Prämie für die Felle erlegter Tiere zahlte.
Für das Vieh, welches auf die Stationen der Kolonie gebracht wurde, mussten die Besitzer Weidegeld zahlen. Die ständig steigende Nachfrage hatte zur Folge, dass von der Casado-Gesellschaft viele Kühe gekauft und an die interessierten Bürger der Kolonie vermittelt wurden. Zahlungsmittel waren nicht nur das knappe Geld, sondern auch landwirtschaftliche Produkte wie z. B. Sorghum.
Da es noch keine größeren gerodeten Flächen gab, waren anfänglich auch nicht viele Zäune notwendig. Diese wurden erst im Zuge der Einrichtung der privaten Viehweiden notwendig, um die Herden der verschiedenen Besitzer getrennt zu halten. Die Viehstation der Kolonie Campo León wurde erstmals 1960 teilweise eingezäunt und man ging nun von der extensiven zur intensiven Viehzucht über.
In dieser Phase spielte die Beratung von außen schon eine beachtliche Rolle. Aufgrund der Beratung durch den Agronomen Robert >Unruh wurden zunehmend Kunstweiden angelegt. Dank der neuen Gräser, unter denen sich besonders das Buffel-Gras durch gute Erträge und schnelle Verbreitung unter den Viehzüchtern hervortat, konnte die Viehzucht sehr intensiviert werden. Die erhöhte Leistung der Kunstweiden im Vergleich zu den Naturgräsern führte dazu, dass der Viehbestand beachtlich anstieg.
Herr Unruh importierte auch Rassentiere aus den USA, so dass man ein Rassenvieh-Projekt mit den Rinderrassen Holländer, Santa Gertrudis, Schweizer Braun und Charolais begann.
Die Weideflächen wurden größer durch die Einführung des Bulldozers, der erstmals 1953 zum allgemeinen Gebrauch und zur Rodung von Busch zur Gewinnung von Weideflächen sowie zur Verbesserung von Wegen gekauft wurde. Dadurch konnten immer mehr Waldflächen gerodet und nutzbar gemacht werden.
Als die Bürger im zentralen Chaco in den siebziger und achtziger Jahren feststellten, dass die Viehzucht sehr gute Resultate zeigte und dass die Abhängigkeit vom Wetter, die beim Ackerbau ein hohes wirtschaftliches Risiko darstellte, viel geringer war, konzentrierte sich das Hauptinteresse stärker auf diesen Bereich. Obwohl sich Dürreperioden auch heute negativ auf die Viehzucht auswirken, haben die vielen Erfahrungen und Versuche doch dazu geführt, dass man sich gut auf längere Zeiten ohne ausreichende Niederschläge vorbereiten kann.
Die moderne Versuchs- und Zuchtfarm >TAMYCA Laguna Capitán diente dazu, verschiedene Arbeitsweisen in der Rassenviehhaltung zu testen und sie darauf an die interessierten Viehzüchter weiter zu vermitteln. Hier konnte, mit Unterstützung des BID, ein Modell aufgebaut werden, mit dem die Haltung der verschiedenen Viehrassen und ihre Leistung im Chaco erprobt wurden. Andererseits wurde durch die Anlage von Laguna Capitán auch einmal mehr bestätigt, dass der Chaco ein sehr empfindliches Ökosystem bildet, denn durch den Kahlschlag von Flächen sind auch wunderschöne Süßwasserlagunen versalzt und für die wirtschaftliche Nutzung untauglich geworden.
Die Viehzucht, durch die Erfahrungen der Vergangenheit sehr stark verbessert sowie durch die Beratung von Fachkräften unterstützt, entwickelt sich immer mehr zu einem hochmodernen Unternehmen, denn man hat festgestellt, dass auch auf diesem Gebiet eine fachgerechte und sachverständige Arbeit dazu beiträgt, dass die Leistung steigt und die Produktion sowohl in Quantität als auch in Qualität verbessert werden kann.
Um die Viehproduktion rentabler zu machen, das Fleisch in eigener Regie zu verarbeiten und zu exportieren, haben die Kooperativen der Chacokolonien jeweils eigene Schlachthöfe aufgebaut, >Menno den >Schlachthof >FrigoChorti im Chaco, >Fernheim (FRIGOCHACO) und >Neuland (Frigorífico Neuland).
Uwe S. Friesen
Geschichtskomitee der Kolonie Menno (Hg.): Jacob A. Braun – Im Gedenken an jene Zeit, Mitteilungen zur Entstehungsgeschichte der Kolonie Menno. Asunción: Grafitec, 2001; Geschichtskomitee der Kolonie Menno (Hg.): Unter der heißen Sonne des Südens, 75 Jahre Kolonie Menno – Erste mennonitische Siedlung in Südamerika, 1927 – 2002. 2002. S. 73; Abram W. Hiebert u. Jacob T. Friesen: …eine bewegte Geschichte… die zu uns spricht – Materialien zur Entwicklungsgeschichte der Kolonie Menno – Ein Beitrag zur 75. Gedenkfeier. Hg. Chortitzer Komitee, Colonia Menno. Loma Plata, 2002; Peter P. Klassen: Mennoblatt 61 (1990) 6, S. 6.