Ratzlaff, Heinrich

Heinrich Ratzlaff (1927 – 2009) wurde am 29. Juni 1927 in Deutsch Wymyschle, Kreis Gostynin, Woiwodschaft Masowien bei Warschau in Polen geboren. Seine Eltern waren David Ratzlaff und Wilhelmine, geb. Schmidt. In der Zeit von 1934 bis 1941 besuchte er sieben Jahre die deutsch-polnische Volksschule.
Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges von Ende 1941 bis April 1944 machte er mit Unterbrechungen eine kaufmännische Lehre bei einer reichsdeutschen Firma. Außerdem wurde er in das Kriegsgeschehen verwickelt, indem er verschiedene Vorbereitungskurse absolvierte, Hilfsdienste verrichtete und auch in den aktiven Wehrdienst eintrat und an der Ostfront zum Einsatz kam.
Am 12. Mai 1945 kam Ratzlaff in britische Gefangenschaft. Am 28. Juni 1945 erfolgte die Entlassung aus der deutschen Wehrmacht und er kam zu einer verwandten Familie in Westfalen. Von 1945 bis 1947 arbeitete er an verschiedenen Stellen als Knecht auf einem Bauernhof, in der Holzindustrie und bei einer Tiefbaufirma.
Am 16. Mai 1948 fuhr er von Bremerhaven mit dem dritten mennonitischen Flüchtlingstransport auf dem Schiff >Charlton Monarch in Richtung Südamerika. Nach einer Schiffsreise mit vielen Problemen kam er über Brasilien nach Paraguay. Die ersten drei Monate in Paraguay wohnte er in Neu-Moelln bei Benjamin Balzer. Von da aus wurde die Ansiedlung in Waldrode, Kolonie Neuland, vorbereitet.
Der Studiengeist trieb ihn seit der Kindheit, und in den schweren Ansiedlungsjahren (1949 – 1950) besuchte er die Zentralschule in Filadelfia, Fernheim, um dann ein Jahr im Dorf Wüstenfelde in derselben Kolonie als Lehrer zu arbeiten, bevor er in den Sommerferien 1951 und 1952 die pädagogischen Fächer der 1. Klasse im Selbststudium belegte und 1952 die 2. Klasse im Lehrerseminar Filadelfia erfolgreich abschloss. Bis 1957 war er in Neuland in den Dörfern Gnadental und Waldrode Lehrer.
Er hat immer an Jesus als seinen persönlichen Erretter geglaubt. Im September 1952 ließ er sich in Gnadental, Neuland, auf seinen Glauben an Jesus Christus taufen und in die Brüdergemeinde aufnehmen.
1953 heiratete Heinrich Ratzlaff Elsie Ratzlaff aus Einlage, Kolonie Neuland. Im Mai 1958 wanderte er mit der Familie nach Kanada aus. In Calgary, Alberta, beschäftigte er sich 1958 – 1967 mit dem Häuserbau, und besuchte nebenbei die Abendschule mit den Fächern Englisch und Sozialkunde; zusätzlich belegte er einen Fernkursus in Biologie.
1968 folgte er einer Einladung, um an der Zentralschule in Loma Plata, Kolonie Menno, als Lehrer zu arbeiten. Es war für Ratzlaff eine ganz neue Herausforderung, in die in Menno aufblühende Schulbildung einzusteigen. Er erhielt bald nach der Ankunft in Loma Plata Besuch vom Ältesten Martin C. Friesen. Der hatte ihm u. a. gesagt: Dee Mennos send bietsch. Mehr als zehn Jahre habe er dazu gebraucht, diesen Ausdruck recht zu verstehen, meinte Ratzlaff später. Er war bis 1974 Lehrer, davon gleichzeitig fünf Jahre Schulleiter (1970 – 1974). Von 1975 bis 1988 arbeitete er als Schulinspektor der Primarschulen in Menno. Ebenfalls in dieser Zeit war er sechs Jahre (1977 – 1982) Schulrat. Führend war er ganz besonders in der Zentralisierung der Primarschulen Mennos, welche ohne seinen unermüdlichen und aus Überzeugung verrichteten Einsatz wohl kaum zustande gekommen wäre. In dieser Zeit war er auch maßgeblich an der Planung und dem Aufbau der Landwirtschaftsschule (Berufsschule) in Loma Plata beteiligt.
Nachdem er sich im Jahr 1989 als Schulrat von Menno zurückgezogen hatte, arbeitete Heinrich Ratzlaff im Büro der Schulverwaltung von Menno. Seine Hauptaufgaben waren Statistik und Planung im Schulbereich sowie die Verantwortung für den Buchhandel, die Bibliothek von Menno und das Geschichtsarchiv. In den Jahren 2000 – 2007 war er Mitglied im Geschichtskomitee der Kolonie Menno; er hat auch einige Bücher verfasst und in Zusammenarbeit mit dem Geschichtskomitee von Menno herausgegeben: Das Schulwesen der Kolonie Menno, Loma Plata; Waldrode – Siedlungserlebnisse im paraguayischen Chaco (Deutsch und Englisch); Martin C. Friesen – Ein Mann, den Gott brauchen konnte; Im Gedenken an jene Zeit – Leben des Jacob A. Braun; Tagebuch meines Lebens – Expedition 1921 – von Bernhard Toews; Unser Leben in Paraguay, u.a.
Seine Arbeit zeigt, dass er sich ganz für Menno und seine Kultur eingesetzt hat.
Schon als Kind galt sein Hauptinteresse den Büchern. Er hat sein Leben lang sehr viel gelesen, um sich über Wissenschaft, Politik, Theologie und Literatur zu informieren. Im Laufe der Jahre hatte er eine Privatbibliothek von einigen tausend Büchern aufgebaut.
Ratzlaff war in seinem Beruf bis zum 80. Lebensjahr aktiv. Pünktlichkeit, Fleiß und Ausdauer kennzeichneten seine Arbeit. Er hatte eine klare Sicht von einer Sache, um danach mit Bedacht und gezielt bei der Arbeit vorzugehen. Ratzlaff sagte, dass er Gott oft gedankt habe, dass er in Menno immer und so lange geduldet wurde. Seine Frau Elsie Ratzlaff starb am 31. Oktober 2006 im Hospital von Loma Plata. Seitdem wünschte er sich nichts sehnlicher, als auch zu seinem Erlöser und Herrn Jesus Christus heimzugehen. Er starb am 2. Januar 2009 nach fünf Monaten Aufenthalt im Pflegeheim im Alter von 81 Jahren.
Uwe S. Friesen