Ruta Transchaco

Ruta Transchaco heißt im Volksmund die Straße, die von Asunción ausgehend den >Chaco und die mennonitischen Siedlungen durchquert (Ruta 9, Carlos Antonio López ) und weiter die Verbindung mit Bolivien herstellt. Dass die Ruta Transchaco zu einer Zeit gebaut wurde, als es im östlichen Paraguay selbst, wo sich der größte Teil der Bevölkerung befand, noch kaum Straßen gab, ist der Präsenz der Mennoniten im Chaco zuzuschreiben. Sie waren maßgeblich an der Planung und dem Bau der Straße mitbeteiligt. Entscheidend wichtig war dabei der Einsatz des MCC (>Mennonite Central Committee). Dieser mennonitischen Hilfsorganisation aus den USA und Kanada ist es zu verdanken, dass die Mennoniten aus Russland überhaupt nach Paraguay kommen konnten. Sie hatten enorme Summen in die Ansiedlungsprojekte der Mennoniten in Paraguay investiert. Ein Teil dieses Geldes war von den Gemeinden gespendet worden, ein anderer Teil war von den Gemeinden geliehen und musste wieder zurückgezahlt werden. Dieses Geld mussten sie wiederum von den Mennoniten in Paraguay kassieren. Die führenden Leute im MCC setzten gleichzeitig große Erwartungen in die Mennoniten in Paraguay. Harold S. >Bender vom MCC berichtete 1930 auf der mennonitischen Welthilfskonferenz in Danzig im Blick auf die erste russland-mennonitische Ansiedlung in Paraguay, Fernheim: Uns schwebte ein zukünftiger Mennonitenstaat vor, wo, wenn möglich, sämtliche russische Mennoniten in unbeschränkter Freiheit ihr Leben und ihre Kultur neu gründen und weiterentwickeln könnten. Es sollte also ein Mennonitenstaat in Paraguay nach russischem Muster entstehen. Dieser Traum von einem Mennonitenstaat wäre zusammengebrochen, hätten die Mennoniten Paraguay verlassen. Dabei muss man bedenken, dass die Mennoniten in >Fernheim und >Neuland nur notgedrungen in den Chaco gezogen waren, weil kein anderes Land bereit war sie aufzunehmen. Als sich die Möglichkeit ergab, nach Deutschland oder Kanada auszuwandern, haben sie diese in Scharen wahrgenommen.
Doch ging es nicht nur darum, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Das MCC war auch aufrichtig bemüht, den Mennoniten in ihrer Ausweglosigkeit im Chaco zu helfen. Nach anfänglichen Versuchen mit verschiedenen Projekten, etwa eine Textilfabrik im Chaco zu errichten, festigte sich immer stärker der Gedanke, dass die Mennoniten eine Straße von den >Kolonien bis nach Asunción, dem Absatzmarkt, brauchten, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.
Mit der Vision einer “biblisch orientierten Entwicklungshilfe” gingen die Brüder des MCC an die Planung für den Bau einer Straße von Asunción bis in die Kolonien. In Friesland und Volendam im östlichen Paraguay hatten die Mennoniten mit Hilfe des MCC und unter dem persönlichen Einsatz von Harry >Harder Straßen bis an den Río Paraguay, dem wichtigsten Verkehrsweg jener Zeit, mit Erfolg gebaut. Dann baute Vernon >Buller 1954 – 1956 Verbindungswege für die mennonitischen Kolonien im abgelegenen Chaco.
General Alfredo >Stroessner, der 1954 an die Regierung gekommen war, überflog gelegentlich dieses Gebiet und war von dem Fortschritt des Straßenbaus im Chaco so beeindruckt, dass er Vernon Buller bat, nach >Filadelfia zu kommen, um ihm für seine Arbeit zu gratulieren. Dann sagte er zu ihm: Buller, du hast uns bewiesen, dass mit wenigen Maschinen große Wege gebaut werden können. Wir werden mehr Maschinen erwerben und dann bauen wir die Ruta Transchaco. Dadurch wurden neue Hoffnungen unter den Mennoniten im Chaco geweckt.
Am 12. November 1954 stattete >Stroessner den Mennoniten einen offiziellen Besuch ab. Tausende Besucher aus den drei Chacokolonien kamen aus diesem Anlass nach Filadelfia, um den neuen Präsidenten zu sehen und zu hören. Er versprach den Mennoniten, die Straße zu bauen. Durch die Presse rückten nun auch die Mennoniten stärker ins nationale Blickfeld. Doch die Planung des Projektes Ruta Transchaco wurde den Mennoniten, vor allem dem MCC überlassen, das zielbewusst an dem Projekt arbeitete und um nationale und internationale Unterstützung warb. Zu diesem Zweck hatte der MCC-Vertreter in Paraguay C. L. >Graber eine groß angelegte Reise in den Chaco geplant. Diese fand am 22. November 1954 statt. Beteiligt daran waren mehrere paraguayische Minister, die Botschafter der USA, Deutschlands, Englands und eine Anzahl von Ingenieuren und Technikern und andere Begleitpersonen, die mit mehreren Flugzeugen in den Chaco geflogen wurden. Im Mittelpunkt des Besuches stand der Straßenbau von Vernon Buller. Die Besucher waren beeindruckt. Durch die Presse rückten die Mennoniten und die riesigen Möglichkeiten, die der Chaco bot, für einige Tage in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Doch der Bau einer Straße von etwa 500 Kilometern Länge brauchte viel Geld. Dieses Geld konnte weder das MCC noch die paraguayische Regierung aufbringen. Das MCC nahm daher die Verbindung mit der amerikanischen Regierung in Washington auf, und nach langen und ermüdenden Verhandlungen kam es schließlich zu einer “seltsamen Koalition”: die paraguayische Regierung, die amerikanische Regierung, das MCC (mit den Mennoniten im Chaco) und die Viehzüchter des Chaco. Dem MCC wurde vertraglich der Bau der Ruta Transchaco übertragen. Harry >Harder, der die ersten Wegbaumaschinen für die Mennoniten gespendet und den Bau der Wege nach Volendam und Friesland geleitet hatte, übernahm die Aufsicht des Baus. Er tat die Arbeit zusammen mit Kriegsdienstverweigerern (>Pax-boys) aus den USA und Freiwilligen aus Kanada, insgesamt rund 30 jungen Männern, die hier nacheinander einen zweijährigen Dienst verrichteten. Zusätzlich arbeitete eine Anzahl mennonitischer Männer aus dem Chaco und auch Soldaten, die das paraguayische Militär stellte, mit. Ein Teil der Maschinen, die für den Bau der Straße eingesetzt wurden, waren ursprünglich für den Krieg in Korea bestimmt, dort aber nicht zum Einsatz gekommen. Sie wurden von Vernon Buller entdeckt und auf Antrag des MCC für den Bau der Ruta Transchaco nach Paraguay geschickt. Der Bau der Straße begann Ende 1956 und erreichte die Kolonien im Oktober 1961.
Damit begann ein neues Kapitel für die Mennoniten im Chaco. Zu gleicher Zeit hatte das >MCC einen >Millionenkredit mit sehr günstigen Abzahlungsbedingungen für die Mennoniten erwirkt. Damit begann der wirtschaftliche Aufschwung der Mennoniten, vor allen derjenigen aus dem Chaco.
Der Bau der Ruta Transchaco ist ein Beispiel von “biblisch orientierter Entwicklungshilfe” des MCC für die Glaubensgeschwister in Paraguay. Darüber hinaus zeugt der Bau davon, dass die Mennoniten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung den Staat benötigten, um ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Die Mennoniten selbst waren gezwungen, sich in langwierige Verhandlungen mit dem “weltlichen” Staat einzulassen. Sie haben diese politische Rolle mit Erfolg gemeistert. Die Mennoniten erwiesen sich als geschickte Diplomaten und Organisatoren und gewannen das uneingeschränkte Vertrauen der nationalen Regierung und der Viehzüchter des Chaco.
Gerhard Ratzlaff
”The Changing Chaco”, in: The Mennonite. 25. August, 1964, S. 510-513; Joseph W. Fretz: ”The Trans-Chaco Road”, in: Christian Living, Februar 1960, S. 1-7 u. 37; Alfred Hecht: ”The Agricultural Impact of the Paraguayan Trans-Chaco-Highway”, Working Paper No. 2, W. Laurier University, Waterloo, Ontario, 1974; Alfred Hecht: ”Regional Development: The Opening and Integration of the Chaco of Paraguay”, Research Paper No. 8243, [Masch. Schrift] 1981; Kleinpenning, J.M.G.:. The Integration and Colonization of the Paraguayan Chaco. Nijmeegse Geografische Cahiers No. 24, Nijmegen, Holland, 1984; Manfredo Ramírez: Russo. El Chaco Paraguayo: Integración sociocultural de los Mennonitas a la sociedad nacional. Asunción, 1983; Gerhard Ratzlaff: Die Ruta Transchaco: Wie sie entstand. Asunción, Paraguay, 1998.
Sägewerke
Als die ersten mennonitischen Siedler 1927 anfingen, den >Chaco für die Zivilisation zu erschließen, gab es hier so gut wie keine Infrastruktur. Alles mussten sie improvisieren. Einer der wichtigsten Bereiche war die Beschaffung von Bauholz. Es gab in den unendlichen Weiten des Chacobusches wohl genug Rohmaterial, aber für die Bearbeitung fehlte es an den notwendigen Einrichtungen. Die erste Abhilfe war eine einfache Sägeeinrichtung, mit der zwei Männer Stämme zu Brettern zersägen konnten. Eine stabile Rampe, etwa 1 m über der Erde, darunter eine Grube, in der ein Mann gut aufrecht stehen konnte. Der Stamm wurde auf die Rampe gerollt. Mit einer so genannten “Ziehsäge” ging man ans Werk. Der Mann oben zog die Säge hoch, der Mann unten in der Grube zog sie dann wieder herunter, wobei durch einen bestimmten Druck auf die Säge sich diese bei jedem Zug tiefer in den Stamm fraß. Ein mühseliges Unternehmen, aber so wurde das erste Bauholz angefertigt.
Als 1930 die >Kolonie >Fernheim gegründet wurde, brachten diese Siedler eine kleine Dampfmaschine mit einem entsprechenden Sägewerk, einer Gatter- und einer Kreissäge, als Ausrüstung von Deutschland mit. Für den Betrieb der Dampfmaschine musste genügend Wasser zur Verfügung stehen. Das fand man auf dem Wasserkamp, der ziemlich zentral zwischen den ersten elf Dörfern Fernheims gelegen war. Diese beiden Faktoren, genügend Wasser, gutes Grundwasser und auch Oberflächenwasser, sowie die zentrale Position des Ortes waren dann ausschlaggebend dafür, dass Filadelfia dort angelegt wurde, wo es heute liegt. Dort wurde dann das erste Sägewerk in Fernheim errichtet.
In allen drei Koloniezentren, >Loma Plata, >Filadelfia und >Neu Halbstadt, entstanden solche Sägewerke, die von der Koloniegemeinschaft betrieben wurden. Sehr bald entwickelten aufstrebende Siedler eigene Sägewerke; als Antrieb dienten ausrangierte Motoren alter Militärfahrzeuge. Als erst Standmotoren mit Dieselantrieb, z. B. “Güldner” und “Yanmar” angeschafft werden konnten, entwickelten sich die privaten Sägewerke zu unentbehrlichen Dienstleistern auf diesem Gebiet.
Die Technik der Bandsägen wurde schon sehr bald in Möbelfabriken eingesetzt. Der Import von Bauholz aus Ostparaguay war mit ein Grund, dass in den siebziger Jahren die genossenschaftlich betriebenen Sägewerke stillgelegt wurden. Heute bekommt das Chacoholz sowohl in der Bauwirtschaft als auch in der Möbelindustrie wieder neu Bedeutung. Modern ausgestattete sowie auch mobile Sägewerke bieten ihre Dienstleistungen an, um die Nachfrage in diesem Wirtschaftsbereich zu befriedigen. (>Industriewerk)
Edwin Neufeld