Ratzlaff, Heinrich

Heinrich Ratzlaff wurde am 11. Februar 1917 in Slawgorod (auch Barnauler Ansiedlung genannt), einer mennonitischen Siedlung in Westsibirien, geboren. 1927 zog die Familie nach Ostsibirien an den Amur, wo sie Mitbegründer der Kolonie Schumanowka wurde. In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1930 flüchtete das Dorf geschlossen über den Amur (>Flucht über den Amur) nach China. Es folgte ein langer Aufenthalt in Harbin (>Harbiner Gruppe). Am 22. Februar 1932 verließ eine Gruppe von 373 Mennoniten, darunter Heinrich, Harbin, um die Odyssee anzutreten, die sie um den asiatischen Kontinent, durch den Suezkanal und das Mittelmeer über Frankreich und Buenos Aires nach Paraguay brachte.
Im >Chaco Paraguays angekommen, besuchte Ratzlaff die Fernheimer Zentralschule (1932 – 1934), die ganz nach dem Muster der mennonitischen >Zentralschulen in Russland organisiert war. Dann betätigte er sich ein Jahr (1935) als Schmied. Von 1937 bis 1939 war er Dorfschullehrer in >Fernheim. Anschließend besuchte er die neu eingeführten Pädagogischen Klassen (1940 – 1941), um die formelle Ausbildung als Volksschullehrer zu erwerben. Darauf ging er auf Wunsch des Deutschen Volksbundes als Lehrer nach Cambyretá (1942 – 1945), einer deutschsprachigen Siedlung im Süden Paraguays, wo nahezu chaotische Zustände herrschten. Diese äußerst abenteuerreiche Zeit hat Ratzlaff in einem unveröffentlichten Manuskript “Cambyretá ist eine Reise wert” höchst interessant im Detail beschrieben. Auf internationalen Druck hin musste er 1945, nach Abschluss des Zweiten Weltkrieges, seine Arbeit abbrechen. Er ging zurück nach Fernheim, heiratete dort Tina Schröder und arbeitete als Lehrer (1946 – 1949). 1950 folgte ein Studienjahr in Asunción. Den größten Teil seines Lebens hat er dann der >Goethe-Schule in Asunción gewidmet, wo er von 1951 bis 1987 unterrichtete, mit Ausnahme eines Austauschjahres in Deutschland. Beim Aufbau der mennonitischen Gemeinschaft in Asunción war er vielseitig mitbeteiligt.
Ratzlaff hat mehrere Theaterstücke geschrieben: Per Aspera ad Astra (“Auf rauen Wegen zu den Sternen”), in den dreißiger Jahren in Fernheim geschrieben und zweimal aufgeführt, hat die Christenverfolgung unter Diokletian zum Thema. “Das Dorf an der Grenze” behandelt die >Flucht über den Amur. In Fernheim wurde es mit großem Erfolg mehrfach aufgeführt. “Die Narbe der Väter” hat den Selbstschutz der Mennoniten in Russland zum Thema. “Die Enkel der Reformatoren” behandelt das Leben der Mennoniten in Russland in vier Akten und “Moskau 1929” – das Drama der Mennoniten vor den Toren Moskaus (>Flucht über Moskau).
Gerhard Ratzlaff