Dass es in den fünf >Mennonitenkolonien in >Paraguay (>Menno, >Fernheim, >Friesland, >Neuland, >Volendam) immer wieder Personen und Familien gegeben hat, die ausgewandert sind, ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Einwanderungsland Paraguay für viele nicht die erste Wahl gewesen ist.
Die Siedler der >Kolonie Menno hatten sich Paraguay als neue Heimat gewählt, da sie hier die Möglichkeit sahen, ihre Vorstellungen von Glauben und Leben nach den tradierten Maßstäben umsetzen zu können. Als sie aber in >Puerto Casado ein Jahr lang warten mussten, bis ihr zukünftiges Siedlungsland vermessen wurde und viele Menschen an Typhus starben, entschlossen sich mehrere Familien, sofort nach Kanada zurückzukehren. Diejenigen, die aber mit ihrem Ältesten Martin C. >Friesen die Kolonie Menno gründeten, blieben in den ersten Jahrzehnten im >Chaco.
In den sechziger Jahren zogen ca. 1.000 Personen nach Kanada, weil sie dort bessere wirtschaftliche Möglichkeiten sahen, ca. 400 Personen gingen nach Bolivien, weil ihnen die Modernisierung im Chaco nicht zusagte. Später kamen einige aus Kanada zurück und investierten ihr in Nordamerika verdientes Geld in Landwirtschaft und Viehzucht. In den letzten Jahren sind besonders viele jüngere Mennos nach Kanada ausgewandert, da sie mindestens ein Jahr in Kanada wohnen müssen, wenn sie ihren Anspruch auf die kanadische Staatsangehörigkeit nicht verlieren wollen. Es ist noch nicht abzusehen, wie viele dort endgültig bleiben oder nach einigen Jahren zurückkehren werden.
Die Fernheimer Siedler saßen von Anfang an nicht so fest auf ihrem Land wie die Bürger der Kolonie Menno. Am liebsten wären sie nach ihrer Auswanderung aus Russland 1929/30 in Deutschland geblieben. Das war seinerzeit aber nicht möglich. Angesichts der schier unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Ansiedlung im Chaco, erschwert durch die >Typhusepidemie (1930), die viele Opfer forderte, suchte man nach anderen Lebensmöglichkeiten. 1937 wanderte ein Drittel der Kolonie nach Ostparaguay aus und gründete dort die Kolonie Friesland. Hitlers Parole Heim ins Reich begeisterte auch viele Fernheimer und sie wären am liebsten diesem Aufruf gefolgt. Doch da sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und da es während des Zweiten Weltkrieges keine Möglichkeiten zur Rückwanderung gab, blieben sie im Chaco. In den fünfziger und sechziger Jahren aber verließen ca. 2.000 Personen die Kolonie Fernheim, um im Ausland ein besseres wirtschaftliches Fortkommen zu finden.
Auch in Friesland hat es viele Auswanderer gegeben. In den Jahren 1950 bis 1970 verließen fast 1.000 Einwohner die Kolonie, weil sie keinen dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg sahen. Erst der verstärkte Anbau von Soja und Weizen sowie der Aufbau der Milch- und Viehwirtschaft trugen zur dauerhaften Stabilisierung der Siedlung bei.
Besonders hart betroffen von der Auswanderung waren die Kolonien Volendam in Ostparaguay und Neuland im Chaco. Diese beiden Kolonien waren von >Flüchtlingen aus der Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden. Die meisten dieser Einwanderer wären am liebsten nach Kanada ausgewandert, doch die eingeschränkten Einwanderungsbedingungen dieses Landes verhinderten das.
Da unter diesen Siedlern besonders viele Familien aus Frauen und Kindern bestanden, deren Ehemänner bzw. Väter bereits in der Sowjetunion deportiert oder im Krieg verschollen waren, war der Anfang sehr hart. Nachdem ab Anfang der fünfziger Jahre die ersten Familien nach Kanada auswandern konnten, da sie dort einen Bürgen gefunden hatten, hörte das Auswanderungsfieber nicht so bald auf. Wer nicht nach Kanada auswandern konnte, zog nach Deutschland, denn da die Neuländer und Volendamer fast alle die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen, war für sie die Einreise in die Bundesrepublik kein Problem. Auf diese Weise verließen über die Hälfte der Einwanderer diese Siedlungen, ein Aderlass, von dem sich Volendam nie mehr ganz erholte und worunter Neuland noch lange zu leiden hatte. Heute haben die Bürger in beiden Kolonien ihr wirtschaftliches Fortkommen und die Auswanderung ist jetzt kein echtes Problem mehr.
Die Auswanderung hat auf die Entwicklung der Mennonitenkolonien negative und positive Auswirkungen gehabt. Negativ waren die starke Reduzierung der Bevölkerung und vor allem die psychologische Wirkung auf die Zurückbleibenden. Positiv war, dass die Zurückbleibenden ihren Landbesitz erheblich vergrößern konnten, was sich vor allem auf die Mechanisierung der Land- und Viehwirtschaft positiv auswirkte. Hinzu kam, dass die Rückwanderer aus Kanada und Deutschland in späteren Jahren durch ihr dort erworbenes Know-how und Geld neue Impulse für die Weiterentwicklung in Wirtschaft und >Kultur setzten.
Jakob Warkentin
Peter P. Klassen: Die Mennoniten in Paraguay. Reich Gottes und Reich dieser Welt. Bolanden-Weierhof: Mennonitischer Geschichtsverein e.V., S. 154 ff.; Jubiläumsschriften der jeweiligen Kolonie.