Indianische Gemeinden

Nachdem die Mennoniten der >Kolonie >Fernheim im Jahre 1930 ihren Fuß auf paraguayisches Territorium gesetzt hatten, wurde es ihnen bewusst, dass Gott sie zu einem bestimmten Zweck in dieses Land geführt hatte. Dieses Bewusstsein, dass sie als Mennoniten in den >Chaco gekommen waren, um hier Missionsarbeit unter den Lengua-Indianern (>Enlhet) zu tun, sollte in den nächsten Jahrzehnten noch recht oft die tragende Kraft und der Sinn ihres Bleibens sein.
Im Jahre 1931 wurde das erste Erntedank- und Missionsfest gefeiert. Prediger Gerhard >Isaak, Leiter des Missionsbundes, hielt die Missionsansprache und es hallte in den Herzen der Pioniere wider, als er sagte: Der Herr hat uns mitten ins Missionsfeld gestellt. Sein Auftrag gilt heute gerade uns. Wer ist bereit, ins offene Feld zu gehen? Wo sind die Schnitter der Ernte?
Der 16. Juni 1931 wurde zum ersten Meilenstein im Heben eines Missionsopfers. Es waren nach paraguayischer Währung 690 Pesos und umgerechnet brachte das Geld 5 US Dollar. Von diesen 5 Dollar wurden laut Protokoll der >KfK 1931 zwei Dollar nach Indien, zwei nach Java geschickt und ein Dollar blieb für die noch nicht begonnene Missionsarbeit unter den Lengua-Indianern.
Das Jahr 1932 hatte begonnen. Die KfK übernahm die Verantwortung für die Missionsarbeit. In einem Protokoll vom 26. Januar 1932 heißt es: Man hat den Eindruck und das Empfinden, dass der Augenblick gekommen sei, wo das Augenmerk der Gemeinden auf die Mission unter den Eingeborenen zu lenken, am Platze wäre. Erwünscht ist die Anmeldung von Personen, die einen inneren Ruf vom Herrn zu solcher Arbeit bereits erhielten.
Die Organisation der Missionsarbeit unter den Eingeborenen übernimmt ein besonderes Komitee, bestehend aus der Kolonieverwaltung, der KfK und noch einigen weiteren Brüdern. Als Richtschnur für die Missionsarbeit war ein Statut auszuarbeiten. Während der Jahre des >Chacokrieges 1932 – 1935 wurden viele Vorbereitungen getroffen, um nach Kriegsende mit der Missionsarbeit beginnen zu können. Einen Tag nach Kriegsschluss, am 13. Juni 1935, kamen vier Beauftragte der Gemeinden zusammen, um das Statut für die Missionsarbeit unter den Lengua-Indianern auszuarbeiten. Es waren die Brüder Gerhard Isaak, Gerhard Schartner, Gerhard B. >Giesbrecht und Nikolai >Siemens. Am 17. September 1935 wurde von 48 Brüdern aus den Gemeinden Fernheims der Missionsbund >“Licht den Indianern” gegründet.
Die ersten Missionare unter den Lenguas waren Abram Unger und das Ehepaar Abram und Anna Ratzlaff. Sie sollten den Indianern auf wirtschaftlichem und medizinischem Gebiet Hilfe leisten. Die Sippe, geleitet vom Häuptling >Antonio, traf sich in der Nähe des Dorfes Friedensfeld, Lhaptana, mit Abram Unger und Abram >Ratzlaff. Prediger Gerhard B. Giesbrecht, der als Leiter dieses Missionsbundes gewählt worden war, stand ihnen zur Seite. Von des Häuptlings Sippe waren nach dem >Chacokrieg nur sieben Männer, fünf Frauen und vier Kinder am Leben geblieben. Lhaptana, d. h. “viele Jaguare”, wurde das erste Missionszentrum für die Lengua-Indianer, gegründet am 30. September 1935. Aus Mangel an Trinkwasser und genügend Land für die Indianer und ihre Ziegenherden wurde dieser Ort nach einem Jahr aufgegeben.
>Yalve Sanga dagegen war ein großer, freier Kamp, der vom Häuptling Antonio dem Missionsbund “Licht den Indianern” gezeigt und empfohlen wurde, um dort weiterzumachen.
Dem Missionsbund “Licht den Indianern” war es eine Herzenssache, einen Missionar für die Evangelisierung der Lenguas zu finden.
Daraufhin entschied der Missionsbund, seinen Leiter Gerhard B. Giesbrecht als Missionar anzuwerben. Bruder Giesbrecht war Lehrer im Dorfe Gnadenheim. Der Umzug nach Yalve Sanga fiel auf den 11. August 1937. Priorität war für die Missionare das Erlernen der Lenguasprache sowie das Unterrichten der Indianerkinder und ihrer Eltern. Sobald es möglich war, begann man biblische Geschichten zu übersetzen. Der Unterricht in der Heiligen Schrift war von Anfang an ein sehr wichtiger Bestandteil in ihren Schulen. Im Jahr 1939 kam Missionar Bernhard Epp aus Kanada zu dem schon bestehenden Missionsteam hinzu. Dieses war eine große Bereicherung für die Ausbreitung des Evangeliums.
Die Missionare Bernhard >Epp und G. B. Giesbrecht unternahmen viele Fahrten zu den weit verstreuten Sippen der Lenguas im Chaco. Immer wieder überkam diese umherstreifenden Indianer die Wanderlust. Die Missionare predigten ihnen Gottes Wort dann an den Orten, wo sie lebten.
Im Wohngebiet der Kolonie >Menno, die schon 1927 gegründet worden war, und in >Fernheim zählte man 1943 insgesamt nur 625 Lenguas, davon waren 364 männlich und 261 weiblich.
Ein Lengua namens >Sepe Lhama, (“ein Junge”) half den Missionaren beim Erlernen seiner Sprache und beim Übersetzen der biblischen Geschichten. Dieser Lengua war es auch, der sich als erster aus seinem Stamm bekehrte.
Am 26. Februar 1946 ließen sich Sepe Lhama und noch 6 Lengua-Männer auf ihren Glauben an Jesus Christus taufen. Diese Sieben bildeten den Anfang der Lengua-Gemeinde. Es bedeutete für sie, ihr neues Leben vor den anderen Indianern unter Beweis zu stellen. Sie hatten ja ihr Inneres gegen ein anderes, ein neues umgetauscht.
Die erste Bibelschule wurde 1963 von den Bibelschülern in >Yalve Sanga mit ihrem Lehrer G. B. Giesbrecht errichtet. Der Unterricht wurde in spanischer Sprache erteilt. Die Bibelschüler kamen von den Lenguas, den Chulupíes und den Guaraní-Indianern. Die letzteren zwei Stämme waren mittlerweile in die Siedlungen der Mennoniten gekommen.
Im Jahre 1964 übernahm Missionar Gerd G. Giesbrecht die Bibelschule und führte diese bis 1975. Im Jahr 1977 wurde die Bibelschule umbenannt in Instituto Bíblico Indígena IBI. Es werden immer noch Gemeindeglieder für den Dienst in den Indianergemeinden vorbereitet. Viele Bibelschüler erlebten im Laufe der Jahrzehnte einen gesegneten biblischen Unterricht. Es werden heute auch Ayoreos in dieser Bibelschule unterrichtet.
Die Missionsarbeit ist gewachsen. Viele der Indianer haben sich bekehrt und haben sich taufen lassen. Es gibt sieben Lengua-Gemeinden, die von “Licht den Indianern” geistliche Begleitung erhalten. Diese sieben Gemeinden haben sich zu einer Convención zusammengeschlossen. Sie nennen sich Convención Evangélica Mennonita Enlhet. Zu dieser Convención gehören 2.020 Gemeindeglieder (2007). Unter den Lengua-Christen in der Kolonie Menno gibt es weitere Gemeinden.
Dann bilden neun Nivaclé-Gemeinden (>Nivaclé) mit 2.130 Gliedern einen Zusammenschluss. Sie nennen sich Convención Evangélica Hermanos Mennonitas Nivaclé. Die Gemeinde der Guaraní-Indianer in Laguna Negra zählt etwa 360 Glieder.
Es besteht auch eine Gemeinde unter den Ayoreo-Indianern, die von “Licht den Indianern” betreut wird. Diese Gemeinde in Ebetogué zählt etwa 30 Glieder.
Die Gesamtzahl der Glieder in den Indianergemeinden, die von “Licht den Indianern” begleitet werden, beträgt (2007) 4.540 Personen. Die Führung der schon genannten Gemeinden liegt in den Händen ihrer Gemeindevorstände und die Pastoren werden von ihnen eingesetzt.
Im Jahr 1976 wurden zwei Ehepaare der Lengua-Gemeinde Yalve Sanga für den Predigtdienst ordiniert. Missionar Alex Bartel und Missionar Gerhard B. Giesbrecht vollzogen die Ordination. Es waren Sepe Lhama und seine Frau Katharina und Enrique Ekkert und dessen Frau Lena, die sich für den Predigtdienst einsegnen ließen. Genau dreißig Jahre waren seit ihrer Taufe 1946 bis zu ihrer Ordination vergangen. Diese beiden Brüder waren begabte und entschiedene Christen, die den Predigtdienst bis zu ihrem Lebensende mit Hingabe ausführten. Seitdem sind schon wiederholt Predigerordinationen vollzogen worden.
Die Missionsarbeit unter den Lengua- und Chulupí-Indianern ist durch folgende Zeitabschnitte gegangen: 1. Der Missionar als Pionier im transkulturellen Einsatz; 2. Der Missionar als Prediger im transkulturellen Einsatz; 3. Der Missionar als Lehrer im transkulturellen Einsatz; 4. Der Missionar als Begleiter der Indianergemeinden.
Die Indianergemeinden in den Kolonien Menno, Neuland und Fernheim singen gerne und haben ihre eigenen Chöre. Musik- und Gesangfestivals werden von ihnen organisiert und durchgeführt.
Es sind meistens von ihnen selber getextete und komponierte Lieder, die sie gerne präsentieren. Gitarre, Harfe, Akkordeon und Flöte sind ihre liebsten Instrumente.
In den Radioprogrammen, die über >Radio ZP-30 in ihren Sprachen Gottes Wort verkünden, dienen ihre Redner und Sänger. Auch werden Programme über ihr wirtschaftliches Leben, ihre Schulen und den Wert der medizinischen Betreuung ausgestrahlt.
Die indianischen Gemeinden führen jedes Jahr in ihren Gemeinden Evangelisationsversammlungen durch. Die Evangelisten kommen aus ihren Gemeinden, meist noch junge Brüder, die Christen in der dritten Generation sind.
Alle Zusammenkünfte außer den Begräbnissen gehören zu den Festen, bei denen sie gerne singen und einfach Gemeinschaft untereinander pflegen. Sie erleben ihre schönste Zeit zusammen.
Bis auf den heutigen Tag fürchten die Lengua die bösen Geister. Der Yavey (Satan) ist der Stärkste unter den bösen Geistern. Der Tigergeist, der Schlangengeist und der Fledermausgeist sind ebenfalls sehr gefürchtet, und sie können nur durch ihren Medizinmann ausgetrieben werden, so glauben sie. Diese bösen Geister gelten als die Ursache jeglicher Krankheiten und sind schlussendlich für den Tod der Menschen verantwortlich. Gibt es keine kranken Personen in ihrem Dorf, sind sie froh. Sobald aber Indianer erkranken, tauchen die Schamanen auf. Diese werden von vielen Indianern als höher und kraftvoller eingestuft, als die Ärzte der Mennoniten es sein können. Kommt es dann zum Sterben, fürchten die Angehörigen den Totengeist (Jangaoc). Um den Ort des Verstorbenen für den Totengeist unkenntlich zu machen, wird die Wohnung niedergerissen. Die Bäume in der Nähe des Hauses werden abgehackt.
Jesus baut trotz allem durch Gottes Gnade im Rahmen ihrer Kultur seine Gemeinde.
Finanziell wird die ganze Missionsarbeit von den Trägergemeinden der Mennoniten im Chaco, manchen Organisationen im Ausland und von der paraguayischen Regierung unterstützt.
Die >ASCIM hilft in zwölf Indianersiedlungen auf dem Gebiet der Krankenpflege, der Schulen und des wirtschaftlichen Lebens. In den zwölf Siedlungen wurde im Jahre 2005 12.793 Personen geholfen. (>Indianerkulturen)
Gerd G. Giesbrecht
Gerd G. Giesbrecht: Ich sah der Lengua Hütten. Erfahrungen und Beobachtungen in der Missionsarbeit. Asunción, November 2000; Gerhard B. Giesbrecht: Mappe 1 [Masch. Schrift] 1977; Gerhard Isaak: Tagebuch [Masch. Schrift] 1937; Bernhard M. Funk: Wer konnte das bewirken? 1. Auflage, Grafitec, 2008; Gerhard Ratzlaff: Vater Abram: Von der Ukraine über Sibirien und China nach Paraguay und Kanada. Asunción, 2004; K.f.K. Protokolle, 1931 und 1932.