Bildung

Wo immer Mennoniten sich in dünn besiedelten Gebieten niederließen, sei es in Russland, Mexiko oder Paraguay, wurden Schulen gebaut, damit ihre Kinder in Schreiben, Lesen, Rechnen und in die Glaubensaussagen eingeführt wurden. In Paraguay gab es von Anfang an zwei Schultypen: die Gemeindeschule und die Kolonieschule. In den konservativen >Kolonien (>traditionelle Mennoniten) bevorzugte man die Gemeindeschule, in denen nur Schreiben, Lesen und Rechnen sowie Katechismus und Gemeindelieder unterrichtet wurden und deren Unterricht vom Lehrdienst überwacht wurde. Diesen Schultyp (Alte Schule) gab es in der Kolonie >Menno in den ersten 20 Jahren, und es gibt ihn noch heute in den Kolonien >Sommerfeld und >Bergthal sowie in >Rio Verde und in anderen konservativen Kolonien in Ostparaguay. In den Kolonien >Fernheim, >Neuland, >Friesland und >Volendam wurden vom Gründungsjahr an nach dem Vorbild der mennonitischen Schulen in Russland differenzierte Volksschulen und sehr bald auch Zentralschulen, die bis zur zehnten Klasse führten, aufgebaut. Seit einigen Jahren gibt es auch in der Kolonie >Sommerfeld eine differenzierte Schule, die von einem Teil der Sommerfelder Bürger gegründet wurde, während die Kolonie >Menno bereits ab den fünfziger Jahren ihr Schulwesen reformierte und modernisierte.
Neben den allgemein bildenden Schulen, die heute von der ersten bis zur zwölften Klasse reichen, hat es in den meisten Kolonien zeitweilig auch eine >Bibelschule gegeben. Gegenwärtig hat die Kolonie Menno eine Bibelschule, die regelmäßig vollzeitigen und teilzeitigen Unterricht für Jugendliche und Erwachsene anbietet.
In Asunción gibt es zwei theologische Seminare: das >Centro Evangélico Mennonita de Teología en Asunción, das von den Mennonitengemeinden unterhalten wird und das >Instituto Bíblico en Asunción, das von den Brüdergemeinden getragen wird. Beide Institutionen gehören zur >Universidad Evangélica del Paraguay, ebenso wie die FAHCE, die ein Programm zur Primarschullehrerausbildung sowie für pädagogische Berufe anbietet.
Von großer Bedeutung sind auch die allgemeinbildende Schule >Colegio Alberto Schweitzer sowie die berufsorientierte Schule >Colegio Johannes Gutenberg in Asunción. Beide Schulen sind vor allem für lateinparaguayische Schüler eingerichtet worden, die zum großen Teil aus ärmeren Familien kommen. Eine bedeutende allgemein bildende Schule, die bilingualen (deutsch/spanisch) Unterricht anbietet, ist die Concordiaschule (>Colegio Alemán Concordia), die vor allem von mennonitischen und anderen deutschsprachigen Schülern in >Asunción besucht wird.
Im >Chaco gibt es drei interkoloniale Bildungsinstitutionen: das Institut für Lehrerbildung der >Mennonitenkolonien in Paraguay in >Filadelfia (>Lehrerseminar), das Primarschullehrer ausbildet und Fortbildungskurse für Lehrer durchführt, sowie das >Bildungszentrum für Ernährung und Hauswirtschaft in Neu-Halbstadt, in dem junge Frauen in den Fächern Ernährung und Hauswirtschaft unterwiesen werden, und die >Berufsschule in >Loma Plata, die jungen Menschen ein breites Bildungsangebot in Bezug auf das Berufsleben anbietet, das von der Landwirtschaft und Viehzucht bis zu Berufen wie Sekretärin oder Verkehrspolizist reicht.
Das Bildungswesen in den Mennonitenkolonien diente nicht nur der Selbstversorgung, sondern trug wesentlich dazu bei, dass im Laufe der Jahre auch Bildungseinrichtungen für Indianer und Lateinparaguayer gegründet und unterhalten wurden, so z. B. die Landwirtschaftsschule “La Huerta” und das Colegio in Yalve Sanga.
Die allgemein bildenden Schulen in den Mennonitenkolonien sind staatlich anerkannt, sie werden vom deutschen Staat wegen ihres Deutschunterrichts gefördert, aber von den Kolonieverwaltungen und den Eltern finanziell getragen. Als staatlich anerkannte Schulen ist für sie das Programm des Erziehungs- und Bildungsministeriums in Asunción verbindlich, als von Deutschland geförderte Schulen haben sie die von dort gestellten Bedingungen zu beachten und als mennonitische Schulen sind sie den mennonitischen Trägern gegenüber verantwortlich, die darauf achten, dass die spezifisch mennonitischen Fächer nicht zu kurz kommen.
Es ist klar, dass auf diese Weise in den Schulen eine Menge an Wissen vermittelt und auf die Tradierung von Formen und Normen der Mennoniten geachtet wird. Ein Problem besteht darin, dass von den Schülern zu viel Wissen unverdaut gespeichert wird. Unverdautes Wissen ist aber eher hinderlich als förderlich. In Zukunft wird verstärkt darauf zu achten sein, dass neben der Schulung die Bildung stärker zum Zuge kommt (>Zentralschule).
Jakob Warkentin
Jakob Warkentin: Die deutschsprachigen Siedlerschulen in Paraguay im Spannungsfeld staatlicher Kultur- und Entwicklungspolitik. Münster u. a.: Waxmann Verlag, 1998.